„Was können/wollen wir von den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften verlangen?“

Hearing der wohnungspolitischen Initiativen anlässlich der anstehenden Novellierung der Kooperationsvereinbarung (KoopV) am 5. Juni 2019 im Berliner Abgeordnetenhaus, Raum 311, 18 bis 21 Uhr.

Zur Veranstaltung haben wir auch einen kürzeren Bericht veröffentlicht.


Begrüßung

Rouzbeh Taheri begrüßt die Anwesenden und stellt die Referent*innen, die Abgeordneten sowie die Protokollantin vor. Sebastian Scheel, Staatssekretär für Wohnen, lässt sich wegen einer Veranstaltung zum Mietendeckel entschuldigen.

Die gesamte Veranstaltung wird aufgezeichnet. Wer im Film nicht zu sehen sein möchte, wird gebeten sich mit dem Rücken zur Kamera zu setzen. 

Zu den Vorträgen gibt es Tischvorlagen.

Wer künftig weitere Informationen und Einladungen erhalten möchte, möge sich in die ausliegende Liste eintragen.

Vorstellung des Projekts „Initiativenforum Stadtpolitik“

Magnus Hengge, Vorstandsmitglied des Stadtprojekte e. V. und aktiv bei Bizim Kiez, stellt das „Initiativenforum Stadtpolitik“ vor: Die Zahl der Berliner Initiativen, die sich zu Themen rund um Wohnraumversorgung und Mieter*innenrechten engagieren, sei groß. Viele Errungenschaften seien ihrer Arbeit zu verdanken, gleichwohl hätten sie immer wieder mit Problemen wie Überforderung, mangelnder Vernetzung und wenig Nachhaltigkeit zu kämpfen und würden sich nur zu oft aufreiben.

Das „Initiativenforum Stadtpolitik“ hat die Aufgaben, Aktivist*innen zu mehr Effizienz zu verhelfen, Initiativen auch in Randbezirken, die ebenfalls von Verdrängung betroffen sind, zu fördern, den Dialog zwischen Initiativen und Abgeordneten in Gang zu setzen und zu halten sowie Kompetenz aufzubauen, damit Aktivist*innen den Anforderungen der Politik gewachsen sind.

Eine breite Aufstellung, der Aufbau eines Trägervereins, die landesweite Vernetzung, ein Referent*innendienst und eine nachhaltige Finanzierung bei absoluter Unabhängigkeit werden angestrebt. Darüber hinaus seien ein offener Beirat und ein runder Tisch geplant, wie es ihn für die Liegenschaftspolitik gibt. Möglichkeiten der Weiterentwicklung werden ausgelotet.

Die Struktur des „Initiativenforums Stadtpolitik“ wird anhand des Schaubildes erläutert, das auf der Website des Vereins veröffentlicht ist. 

Es wird auf eine kommende Debattenveranstaltung hingewiesen: „Vom Protest übers Programm zur Struktur“.

Zur Einführung in die Debatte, was städtische Wohnungsbaugesellschaften eigentlich leisten sollen, sprechen mehrere Referent*innen. 

Welche Wohnungsbaugesellschaften braucht die Stadt?

Dr. Matthias Bernt vom Leibniz Institut für Raumbezogene Sozialforschung (IRS) stellt zunächst fest, dass die Verfassung ein Anrecht auf Wohnraum beinhaltet, aus dem sich aber kein konkreter Rechtsanspruch ableiten lasse, es handele sich vielmehr um eine allgemeine Verpflichtung. Die Bereitstellung von Wohnraum sei Aufgabe der landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU). Gleichwohl gelte es zu klären, ob sie eine Versorgungsaufgabe übernehmen oder der Wertschöpfung für den Landeshaushalt dienen sollen, wie beispielsweise seinerzeit unter Sarrazin.

Die LWU würden heute zudem mit einem komplexen Bündel von Anforderungen konfrontiert. Fragen der Partizipation, eines diskriminierungsfreien Miteinanders und des Klimaschutzes müssten sich die LWU genauso stellen wie den Erfordernissen der Quartiersentwicklung und der Instandhaltung. Dazu bedürfe es zahlreicher Konkretisierungen.

Anhand eines Schaubildes wird über Mietensteigerungen, Initiativen und Kampagnen informiert, in deren Folge auch die Aufmerksamkeit für die Aktivitäten der LWU gewachsen sei. 

Die LWU in Zeiten aggressiver Verdrängung

Horst Arenz von der Initiative Mietenvolksentscheid (MVE) erläutert den Istzustand: 70 % aller Mietwohnungen seien in privater Hand, mehrheitlich im Besitz internationaler Investoren. Mietsteigerung und Verdrängung seien die Folge, die Politik habe auf einem privaten Wohnungsmarkt nur begrenzte Steuerungsmöglichkeiten, etwa mit der Absenkung des Mietspiegels. 

Er stellt die ausliegende „Novellierung Kooperationsvereinbarung 2017“ der AG MVE vor und ergänzt den letzten Punkt unter „Beteiligung“: „Integration der Mieterbeiräte in das WoVG, Änderung des Wahlverfahrens im WoVG“. Dafür soll eine gesetzliche Bestimmung beschlossen werden.

In der Kommunikation sei eine einfache Sprache ebenso wünschenswert ein offensives Vermitteln von Botschaften, denn die Entfernung der Menschen von der Politik sei ohnehin schon groß genug. 

Für Bestürzung sorgte die Einstellung eines ehemaligen Vonovia-Managers bei der HOWOGE. Die Begründung für diese Personalie – finanzielle und strukturelle Defizite wären zu überwinden – wird für reichlich windig gehalten.

Selbstverwaltung in den LWU

Marie Schubenz, Sandine Woinzeck und Kristina Dietz stellen „kusWo“ vor, das Netzwerk „kommunal & selbstverwaltet wohnen“, zu dem sich Mieter*innen der LWU, Aktivist*innen für (Re-)Kommunalisierung sowie Initiativen, die sich für Mitbestimmung bei Neubauvorhaben einsetzen, zusammengeschlossen haben und das eng mit Kotti & Co. kooperiert. 

Die Zielsetzungen von kusWo sind in einer Broschüre festgehalten, ihre Forderungen zur Novellierung der Kooperationsvereinbarung (KoopV) erläutern sie anhand der Tischvorlage. 

Jan Kuhnert, Mitglied des Vorstandes der Wohnraumversorgung Berlin AöR (WVB), zieht Bilanz der ersten Praxiserfahrungen. Ihren gesetzlichen Auftrag einzuhalten gelinge ihnen in Abstimmung mit der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (SenSW) nur teilweise. Der Bericht dazu befinde sich in der Endredaktion.

Vorschläge und Anregungen für die Novellierung – etwa was konkretisiert, was verschärft werden sollte – können noch bis Ende Juli eingereicht werden, dann werden sie zusammengetragen. Auch von den LWU seien schon erste Vorschläge gekommen. Der Prozess soll nach der Sommerpause abgeschlossen sein, im Herbst werde das Ergebnis präsentiert.

Er hält die Novellierung für sinnvoll, sie sollte in den politischen bzw. parlamentarischen Prozess eingebracht werden, um sie im kommenden Jahr abzuschließen.

Vertreterinnen der Koalitionsparteien äußern sich zur Novellierung

Iris Spranger, MdA SPD, erklärt, dass ihre Partei in der Koalition das Format unterstütze. Mit den Akteur*innen stehe sie seit einiger Zeit in Kontakt, es sei lange um ein Gesetz zur Umsteuerung in der Wohnungspolitik verhandelt worden. Mit Beiräten in den LWU wollen sie starten, aber perspektivisch auch die privaten Gesellschaften in die Pflicht nehmen. Die Vernetzung hält sie für sehr sinnvoll. Angesichts des großen Privatmarkts sei das Umsteuern gut und wichtig genauso wie Milieuschutz und Ausübung des Vorkaufsrechts. Beides soll weitergeführt werden. In neuen Haushaltsberatungen werde wieder Geld bereitgestellt. 

Zusammenschlüsse von Mieter*innen seien eine wichtige Sache, die sich leider in den Großsiedlungen der Außenbezirke wie Marzahn-Hellersdorf, ihrem Wahlkreis, noch nicht so durchgesetzt hätten, wie es wünschenswert wäre.

Die KoopV sei Sache der Senatsstellen und sie warte auf deren Berichte. Sie habe dennoch genau zugehört, sehr unerfreulich seien die Schwierigkeiten bei der Mitbestimmung. Die Novellierung nehme sie auch mit zu den entsprechenden Stellen und werde sie in die politische Diskussion einbringen.

Mieten seien das Hauptthema in Berlin, alle haben Angst. Der Schutz der Bestandsmieter und Neubau hätten Priorität. Der Mietendeckel werde ein gutes Gesetz, das allen Mieter*innen zugutekommen werde. Das Einfrieren der Mieten setze den Mietspiegel aus. Bundesweit soll der Mietspiegel zehn Jahre wirken, auch in anderen Städten sollten die Mieterhöhungen pausieren. Innerhalb der SPD sei man genauso glücklich wie sie selbst, dass auch die Außenbezirke einbezogen sind. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften seien ein großer Vorteil, und es sollten noch mehr dazugekauft werden, um den Markt zu regulieren. 

Auf Rouzbeh Taheris entsprechende Frage erklärt sie sich mit einer Begrenzung der Umlagekosten für Modernisierungen auf vier Prozent und den Zeitraum ihre Abzahlung einverstanden. So sei das auch schon besprochen worden, sie selbst habe ohnehin schon immer dafür plädiert, die Umlage auf sieben bis acht Jahre zu beschränken. 

Bessere Infopolitik für die Härtefallregelung

Gaby Gottwald, MdA, Die Linke, rechnet bei der Novellierung der KoopV, die in Richtung der Forderungen des Mietenvolksentscheids gehe, mit Gegenwehr vonseiten der Wohnungsbaugesellschaften. In ihrer AG von Fachpolitiker*innen haben sie erörtert, was zu beachten sei, aber noch keine Beschlusslage erzielt. Weil die inhaltliche Nähe zum Mietenvolksentscheid bestehe, hält sie die Novellierung für weitgehend konsensfähig.

Im ersten Evaluierungsbericht sei eine gravierende Mietsteigerung von zehn Prozent bei Wiedervermietung festgestellt worden. Hier werde eine klare Regelung notwendig. Die Mieten müssten deutlich unter den OVM liegen, bis zu 15 Prozent darunter seien möglich. Die OVM halten sie für zu hoch, eine maximale Obergrenze bei Neuvermietungen sei notwendig.

Im Zusammenhang mit WBS gebe es bislang kein Ergebnis, da sei aber noch Bewegung möglich. 

Bei den Bestandsmieten müsse die KoopV gelten. Warum die Vereinbarung teilweise gekippt wurde, kann sie nicht erklären. Für die Härtefallregelung müsse es eine bessere Infopolitik geben. 

Nach Meinung der Linken sollte es gar keine Modernisierungsumlage geben. Wenn jemand sein Haus aufhübschen wolle, sei das seine Entscheidung, aber nicht Angelegenheit der Mieter*innen. Diese Position sei aber nicht mehrheitsfähig, daher plädiert sie für eine Befristung der Umlage und deren Senkung auf lieber drei Prozent als vier Prozent.

Was den Neubau betreffe, stelle sich die Frage, ob der immer dem Bedarf entspricht. Besonders knapp seien Single-Wohnungen und Wohnungen mit mehr als fünf Zimmern für große Familien. Es müsse also darüber gesprochen werden, welchen Bedarf das öffentliche Bauen abdecken soll. Auch die Fördersystematik werde bei ihnen gern diskutiert: Was wird gefördert? Wie wird gerechnet? Das sei ein großes Thema, das sie hier und jetzt nicht im Einzelnen darstellen könne.

Die Kooperationsvereinbarung mit der Gewobag könne als Vorbild dienen.

Bei Neubauten sollte es eine Art Verpflichtung geben, bei der Vergabe von Erdgeschossräumen vorrangig kleineres Gewerbe, soziale Träger und Kulturprojekte zu berücksichtigen. 

Stärkung der Mieter*innenbeiräte

Katrin Schmidberger, MdA, Bündnis 90 /Die Grünen, hofft auf einen guten Austausch und darauf, dass alle gemeinsam an einem Strang ziehen, um Berlin wieder zu einer bezahlbaren Stadt zu machen.

Was noch fehle in der Analyse, sei die Feststellung, dass die sechs LWU sehr unterschiedlich seien, was Aufstellung und Kommunikation betreffe. Sie könnten nicht gleichgestellt und gleich beurteilt werden. 

Es würden oft Beschwerden an sie herangetragen, die sie mitunter überforderten, denn die Analyse von Einzelfällen sei sehr aufwendig. Daher wünsche sie sich eine Stärkung der Mieter*innenbeiräte, damit sie ihre Interessen besser vertreten könnten. Es sei zu klären, welche Ressourcen vorhanden seien. Nicht zuletzt sei es sehr wichtig, Probleme zurückgespielt zu bekommen. 

Die Kund*innen der LWU sollten eigentlich jene sein, die auf dem Wohnungsmarkt keine Chance haben. Gleichwohl sei viel zu wenig bekannt über die Sozialstruktur der LWU-Mieter*innen. Dass die Fluktuation in den LWU-Häusern immer geringer werde, gebe Anlass zur Sorge, dass immer mehr Mieter*innen in LWU-Häusern lebten, die vielleicht nicht zu dem Kreis der besonders Bedürftigen gehörten. Diese sollten bei Neuvermietungen vorgezogen werden. Kontrolle sollte ausgebaut und die Wohnraumversorgung Berlin (WVB) gestärkt werden.

Das Thema Wohnungsräumungen fehle in der Novellierung komplett. Die LWU hätten 327 Räumungen angezeigt. Das sei zwar schon weniger als in früheren Jahren, aber es könne nicht sein, dass die Geräumten dann in Unterkünften für 30 Euro pro Tag landeten.

Die Vergabequote bei Neubauten sollte auf 75 Prozent Mieter*innen mit WBS erhöht werden. Neubauten sollen für Entspannung sorgen, aber nicht die Miete hochtreiben. 

Vorkauf sei kein Bestandteil der KoopV, sollte aber nach einheitlichen Vorgaben erfolgen.

Auch in Bezug auf Gewerbe stellten sich die LWU sehr unterschiedlich dar. Viele vermieteten an Kitas und andere soziale Träger. Sie habe sich zwar schon erfolgreich um Einzelfälle kümmern können, wünscht sich aber eine Regelung. Das Generalmietermodell, Bestandteil des Koalitionsvertrags, sollte ausgeweitet werden.

Es gelte zu überlegen, ob der Mietendeckel nur für private Vermieter gelten solle. 

Die generelle Absenkung von Mietsteigerungen auf ein Prozent erscheint ihr zu willkürlich und überzeugt sie nicht, auch wenn sie sich mit der Haltung unbeliebt mache. Sie denke dabei auch an das Ziel, die Bestände zu erhöhen.

Bei Modernisierung gelte auch der Mietendeckel, darüber herrsche Einigkeit in der Koalition. Dazu wünscht sie sich noch mehr Informationen über Vereinbarungen und mehr Daten. Ombudsleute als Ansprechpartner*innen für Mieter*innen seien wichtig.

Der Fokus sollte aber nicht nur auf das Thema Wohnen gerichtet sein, sondern auch der Klimaschutz sei zu berücksichtigen. Er finde in der KoopV keine Erwähnung. Doch wolle Berlin die Klimawende schaffen, daher sollten sinnvolle Maßnahmen besprochen werden. Entsprechende Implementierungen seien wünschenswert.

Insgesamt findet sie die KoopV sehr gut. Die Beteiligung muss ausgebaut werden, die Mieter*innenbeiräte sollten Stärkung erfahren. Die Novellierung der zum Jahresende auslaufenden KoopV sei dringend erforderlich, auch das Wohnraumbereitstellungsgesetz müsse geändert werden.

Rouzbeh Taheri weist darauf hin, dass der Mietendeckel noch nicht beschlossen sei, daher hier zwei Diskussionen parallel stattfänden. Gegebenenfalls sei ein Hearing zum Mietendeckel im Herbst zu planen. Er eröffnet die Diskussion.

Stimmen in der Diskussion

Die astronomische Erhöhung der Nebenkosten, etwa durch Reinigungsdienste, wird kritisiert. Die Politik habe sich nicht dazu geäußert. Die Mieter*innen fühlten sich alleingelassen.

Besonders die Gewobag wird kritisiert: So werde den Mieter*innen im Streubesitz des Unternehmens immer wieder das Mitbestimmungsrecht verweigert, aber auch anderen die Beteiligung erschwert, wo immer es geht. Kritisiert wird auch, dass Mieterhöhungen im Neuen Kreuzberger Zentrum nach Gesprächen zurückgenommen worden seien. Wenn das zutreffe, müssten auch alle anderen Mieterhöhungen, die die Gewobag in den vergangenen Jahren möglicherweise erhoben habe, zurückgenommen werden. Zumal das Unternehmen die Miete teils stärker erhöht habe als die Deutsche Wohnen. 

Problematisch sei auch, dass sich immer weniger Kandidat*innen für die Mieter*innenbeiräte fänden und auch die Wahlbeteiligung zurückgehe. Insbesondere die jüngeren Leute fühlten sich „verarscht“, weil es immer wieder Versuche gebe, die Mitbestimmung zu umgehen. Ihre Verbindlichkeit sowie die KoopV insgesamt festzuschreiben sei daher unbedingt notwendig, wird in mehreren Wortmeldungen gefordert, am besten in der Satzung oder entsprechenden Statuten der Unternehmen. Der Aufsichtsrat müsse zur Kontrolle verpflichtet sein, sonst werde bei nächster Gelegenheit alles wieder zurückgenommen.

Auch sollten die verschiedenen Organe der Mitbestimmung einheitlich aufgebaut sein. Die unterschiedlichen Kompetenzen und Funktionsweisen seien vielen Mieter*innen kaum zu erklären. Zudem sei die Vernetzung untereinander schlecht. Im März habe es daher ein Treffen gegeben, um den Zusammenhalt der verschiedenen Mieter*innenorganisationen zu stärken.

Die Belegungsquote für WBS-Inhaber*innen werde nicht nach Gebieten oder Objekten, sondern nach dem Gesamtbestand eines Unternehmens angegeben. Da sich die Bestände der LWU mehrheitlich in den Außenbezirken befinden, sei für die Innenstadt, wo die Verdrängung am größten ist, eine viel höhere Quote erforderlich. Ob die Innenstadt nach dem S-Bahn-Ring definiert werden sollte oder anders, bleibe noch festzustellen. Ebenso wird die Kann-Bestimmung, bei Neubau mindestens 75 Prozent an WBS-Berechtigte abzugeben, als zu schwach empfunden.

Dazu wird noch ein konkreter Fall genannt, der beispielhaft sei für eine Leerstelle in der KoopV: Ein ganzes Neubauquartier sei ohne WBS-Wohnungen geplant worden. Die Gewobag habe ohnehin nur einen kleinen Teil der Fläche bekommen und darauf nicht anders als ein dubioses Unternehmen aus Jersey hochpreisige Wohnungen errichtet. Senatorin Lompscher habe diese Entscheidung gegen Durchmischung mit der Gesamtquote des Unternehmens gerechtfertigt. 

Auch bei Modernisierungen durch die LWU gebe es viele Klagen: Die Mieter*innenberichte seien gruselig, die Konflikte zahllos, Einzellösungen unerwünscht, die Zwangsmaßnahmen unterschieden sich nicht von den Praktiken privater Unternehmen. Die LWU sollten in die Pflicht genommen werden, einen Konsens mit den Mieter*innen herzustellen.

Die KoopV müsse um klare Regelungen zu Nachverdichtung ergänzt werden und Obergrenzen setzen. Der Flächennutzungsplan sei sehr nachverdichtungsfreundlich und die WBM beispielsweise plane in Friedrichshain-West Hochhäuser.

Eigenes Konzept für einen Nachbarschaftsraum

Zur Sonderstellung des Mieter*innenrats im Neuen Kreuzberger Zentrum, der eben kein Mieter*innenbeirat sei, wird ergänzt, dass er ein Modellversuch sei. Es handele sich um einen alten Zusammenschluss, der für sich weiterreichende Rechte in Anspruch nehme. Dieses Konzept werde getestet, um es gegebenenfalls, so eine Absichtserklärung, auf alle Liegenschaften zu übertragen. Sie seien somit keine Konkurrenz, sondern ein Vorstoß. Erfreulicherweise sei es gelungen, anstelle eines Top-down-Projekts der Gewobag, das keine Akzeptanz gefunden hätte, ihr eigenes Konzept für einen Nachbarschaftsraum durchzusetzen. 

Auch wenn die Vollbremsung der Kapitalisierung gelungen sei, gebe es noch keine Neuausrichtung der LWU. Die Unternehmen müssten ein neues Selbstverständnis entwickeln und sich selbst eine soziale Ausrichtung geben. Sie sollten sich um Mehrheiten bemühen und aktive Mieter*innen nicht als Feinde sehen. Notwendig sei, alle Eventualitäten festzuschreiben, sonst werde gerne etwas übergangen und beispielsweise Mieterhöhungen als „Nachholung alter Forderungen“ deklariert.

Kontroverse um Selbstverwaltung

Ein kontrovers diskutiertes Thema, das vonseiten des Mieterrats Klausener Platz aufgebracht wird, ist die Selbstverwaltung. Es habe in manchen selbstverwalteten Häusern Zwangsräumungen gegeben, die nicht auf ungezahlte Mieten zurückzuführen gewesen wären. Das Problem wären hier vielmehr alte Hausbesetzerstrukturen. Wenn einer den anderen nicht passe und ausziehen müsse, gebe es keine Einwirkungsmöglichkeiten von außen. Es sei sogar alten Mietern wegen Eigenbedarfs gekündigt worden.

Die Gegenrede ist groß: In zahlreichen Erwiderungen werden die positiven Effekte der Selbstverwaltung hervorgehoben. Viele dieser Häuser betrieben seit Jahren mit großem Engagement, das sich nicht zuletzt aus der Verbundenheit und der Identifikation mit ihrem Haus entwickele, Nachbarschafts- und Stadtpolitik. Es gebe wohl kaum etwas Demokratischeres als einen Verein, der sein Haus verwaltet und instand hält. Die Häuser seien kein Privatbesitz, sondern öffentliches Eigentum, daher gebe es sehr wohl Eingriffsmöglichkeiten. Von Einzelfällen, die noch dazu nur vom Hörensagen bekannt sind und deren Hintergrund niemand der Anwesenden kenne, könne nicht verallgemeinert und auf die viele selbstverwalteten Häuser geschlossen werden, in denen alles gut laufe. Im Gegenteil sei die Selbstverwaltung kostensparend; Vandalismus und dergleichen würden dort nicht festgestellt. Das Modell Selbstverwaltung soll daher auch in die KoopV und ins WVG Eingang finden und gestärkt werden.

Auf die Frage, warum zum Hearing keine Vertreter*innen der LWU erschienen seien, erklärt Rouzbeh Taheri, dass sie gar nicht eingeladen wurden. Zunächst gehe es darum, eine allgemeine Richtung zu diskutieren, die von der Politik bestimmt werde.

LWU als Umverteilungsmaschine

Horst Arenz fasst zusammen, dass die neue Qualität der Wohnungspolitik in der Öffentlichkeit noch nicht zum Tragen komme. Die internationalen Finanzmärkte würden immer dreister, der Widerstand der Mieter*innen und vieler Initiativen verstärke sich, während die LWU auf eine Verschlechterung der KoopV hinarbeiteten. In den kommenden Monaten stehe daher ein großer Konflikt an, auf den sich vorzubereiten nun noch genug Zeit sei. Das Forum biete die Möglichkeit, die eigenen Interessen zu vertreten. Besondere Berücksichtigung erforderten die Mieterhöhungen, die Umstellung der Nebenkosten, die Erschwerung der Beteiligung und die Pläne zur Verdichtung. 

Ingo Malter, der Geschäftsführer von Stadt und Land, jedoch nicht als LWU-Vertreter anwesend, erklärt, dass er zu jedem Punkt etwas sagen könne, was aber den Rahmen sprengen werde, daher fokussiert er sich auf zwei Punkte: In der Ausführung gebe es Fehler, selbstverständlich gelte eine Deckelung bei Neuvermietung, das sei aber nicht im KoopV enthalten. Alle Regelungen der KoopV gelten auch in Zusammenhang mit der Mietpreisbremse und auch kumulativ. Das sei nicht gleich Wucher. Er wünscht sich auch die ein oder andere Änderung in der KoopV, in vielem sei er aber auch d’accord. Mit der Festsetzung der 30-Prozent-Grenze des Haushaltseinkommens für die Miete beispielsweise, allerdings nicht für die Bruttowarmmiete. 

Ein Problem sieht er darin, dass viele einstige WBS-Inhaber sich etabliert hätten, aber in den Wohnungen geblieben seien. Dabei seien gute LWU auch „Umverteilungsmaschinen“. Besserverdienende müssten auch zur Umverteilung beitragen und irgendwann mehr bezahlen. Der Abstand zum Marktgeschehen dürfe nicht zu groß werden. 

Er kritisiert, dass hier der Anschein entstehe, die Stadt bestehe aus 300.000 Wohnungen. Alles, was hier besprochen werde, würde als Versprechen für Regelungen, Gesetze und Verordnungen für alle gewertet, dabei beträfe das nur 19 Prozent der Berliner Mietwohnungen. 81 Prozent der Mietverträge seien hier gar nicht betroffen. 

Die Abgeordneten werden um Stellungnahme gebeten.

Antworten der Abgeordneten

Katrin Schmidbauer, Bündnis 90/Grüne, möchte gleich an das Hearing anschließen, ordentliche Arbeitstreffen einberufen, auf Koalitionsebene wie mit dem SenSW, Mieter*innen(bei)räten, Fachbeirat und WVB. In 80 Prozent aller angesprochenen Themen, findet sie, werde an einem Strang gezogen.

Die Zielbilder der LWU sollten geändert werden: Das gewinnorientierte Wirtschaften der Aktiengesellschaften sollte in die Unternehmensform einer Anstalt öffentlichen Rechts im Sinne des Vergesellschaftungsgesetzes umgewidmet werden. 

Aktuell sollte die Verbesserungen der KoopV ins Auge gefasst werden: Die Härtefallregelung müsse einklagbar und die Quotenregelung für WBS-Inhaber*innen in Neubauten auf jedes einzelne Objekt bzw. Quartier angewendet werden statt auf den Gesamtbestand eines Unternehmens. Um Segregation zu verhindern, müssten Neubauprojekte kleinräumig betrachtet werden.

Obwohl im Koalitionsvertrag festgehalten wurde, dass für Nachverdichtungen die jeweiligen Quartiersrichtlinien gelten, werde diese Vereinbarung enttäuschend wenig berücksichtigt. Die geringen Abstandsflächen seien ein Problem, ebenso das neuerliche Zubauen begrünter Hinterhöfe. Sie könnten aber nicht immer einer Meinung sein. Dennoch könne sich jede Initiative melden, die WVB soll gestärkt, Kontrolle und Steuerung verstärkt werden. Im Abgeordnetenhaus gebe es nur einmal jährlich eine PowerPoint-Präsentation der LWU, da könnten zu viele Fragen nicht beantwortet werden. 

Auf die früher am Abend gestellte Frage, was den Abgeordneten das Hearing bedeute, erklärt sie, dass es Motivation und Auftrag zugleich sei und als Struktur wichtig. Es sollte sich viel weiter herumsprechen und von zahlreichen Mieter*inneninis besucht werden, um zu einem wichtigen Gremium zu werden.

KoopV unabhängig von einem Mietendeckel betrachten

Gaby Gottwald, Die Linke, wünscht sich ebenfalls, dass noch viel mehr Menschen und Initiativen, gerade auch aus Außenbezirken, sich an der Debatte beteiligen und die Hearings besuchen, um dieses Forum als repräsentativ zu legitimieren. 

Sie plädiert dafür, die KoopV unabhängig von einem Mietendeckel zu betrachten. Beides sollte nicht vermischt werden. Wenn der Mietendeckel komme, sollte die KoopV keinesfalls ausgesetzt werden, sondern an der strukturellen und sozialen Neuausrichtung der LWU müsse weitergearbeitet werden. 

Gern würde sie sich zu einem Austausch mit Vertreter*innen der LWU treffen, um Fragen zu erörtern, etwa warum für Mieter*innen die Berücksichtigung der Bruttowarmmiete bei der Mietobergrenze von 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens schlechter wäre und warum sie „Quatsch“ redeten. Ebenso gebe es Redebedarf bei der 50-Prozent- beziehungsweise 75-Prozent-Regelung für WBS-Inhaber*innen in Neubauten. Dass sich diese auf das ganze Unternehmen beziehe, sei ihr nicht klar gewesen. Selbstverständlich müsse diese Regel aber auf das jeweilige Bauprojekt angewendet werden. Zumal zur Bewertung von Vorkaufsangeboten auch stets nur die Wirtschaftlichkeit des betreffenden Hauses geprüft werde. Vorschläge, einen Vorkauf vor dem Hintergrund eines ganzen Unternehmens zu betrachten, seien stets abgewürgt worden.

Ihr Interesse sei in erster Linie, einen kommunal finanzierten, politisch kontrollierten und sozial ausgerichteten Wohnraumbestand vorzuhalten und nicht die Frage, wer in den Häusern wohne. Das gelte auch für die Ausübung des Vorkaufsrechts. Dabei gehe es nicht darum, armen Leuten zu helfen, sondern Immobilien vom Markt zu nehmen. Dass die LWU Kapitalunternehmen sind, findet sie auch diskussionswürdig. Als Entgegnung auf Ingo Malter erklärt sie, dass sich der kommunale Sektor gegen den Markt behaupten müsse, ein deutlicher Abstand sei da erwünscht. 

Ein fertiges Konzept für Mitbestimmung hätten sie auch nicht, doch unterstützen diese in jedem Fall.

Stadtentwicklungsausschuss soll sich mit Beschwerden befassen

Iris Spranger, SPD, nimmt aus dieser Runde insbesondere die Forderungen nach Verbindlichkeit der KoopV mit, der regionalen Differenzierung bei Quoten für WBS-Inhaber*innen, mehrheitlicher Zustimmung zu Modernisierungen und stärkerer Demokratisierung sowie die vielen Beschwerden über die Gewobag. Nicht nur der Beteiligungsausschuss, auch der Stadtentwicklungsausschuss müsse sich unter Einbeziehung der Mieter*innen(bei)räte damit befassen. Vonseiten der Gewobag sollten auch die Geschäftsführer erscheinen. 

Da dies im Aufgabenbereich der SenSW liege, sei die Senatorin aufgerufen Stellung zu beziehen.

In Hinblick auf die 30-Prozent-Regelung bei Härtefällen berichtet sie von ihren Erfahrungen mit Stadt und Land, die in ihrem Bezirk Marzahn-Hellersdorf stark vertreten seien: Sie habe stets eine positive Reaktion erhalten, wenn ein Härtefall durch eine Mieterhöhung eingetreten sei. Immer sei die 30-Prozent-Grenze eingehalten worden. 

Da ihr das Neubauprojekt, in dem nur hochpreisige Wohnungen geplant wurden, nicht bekannt ist, hätte sie dazu gern mehr Informationen. 

Auch zum Thema Selbstverwaltung hätte sie gern mehr Informationen und Erfahrungsberichte und appelliert an die selbstverwalteten Häuser, mehr miteinander zu sprechen, um Fehler nicht zu wiederholen.

Trotz all der berechtigten Kritik im Einzelnen möchte sie eine Lanze für die kommunalen Unternehmen brechen – unter denen sie Stadt und Land hervorhebt – und ist froh, dass es sie gibt. Die Koalition sollte Geld in die Hand nehmen, um den Bestand der LWU noch zu erhöhen.