Das vollständige Protokoll des 10. Hearings des IniForum „Unsoziale Mieten im sozialen Wohnungsbau – Neuer Anlauf für eine Reform im sozialen Wohnungsbau?“ vom 28. Juni 2023
Fabian Steinecke (Initiativenforum Stadtpolitik Berlin) begrüßt die Anwesenden und eröffnet die Veranstaltung. Er informiert, dass die Veranstaltung aufgezeichnet wird, und bittet alle, die nicht gezeigt werden möchten, vor ihrem Redebeitrag Bescheid zu geben.
Moderatorin Franziska Schulte führt in das Thema ein: Seit mehr als zehn Jahren streiten stadtpolitische Initiativen für eine Reform des sozialen Wohnungsbaus, zentraler Bezugspunkt ist das Wohnraumgesetz Berlin. In der vergangenen Woche habe der Senat überraschend Anpassungen für das Gesetz beschlossen, ohne Vertreter:innen von Initiativen oder Zivilgesellschaft anzuhören oder einzubeziehen. Bereits am nächsten Tag soll die erste Lesung im Abgeordnetenhaus stattfinden. Zentral dabei ist die gesetzliche Verankerung der Verpflichtungsmiete, die heute Thema des Hearings sein soll. Welche Folgen zu erwarten seien, werden Experten darlegen. Sie stellt die Gäste vor, die Inputs geben werden: Matthias Clausen, Gründungsmitglied von Kotti & Co und bereits seit elf Jahren mit dem Thema alter sozialer Wohnungsbau in Berlin befasst, zugeschaltet Sebastian Jung, Mitglied des Vereins Mieterstadt Berlin und vom selbst Betroffenen zum Experten rund um den sozialen Wohnungsbau geworden, und Andrej Holm, Sozialwissenschaftler an der HU Berlin mit dem Schwerpunkt Stadterneuerung, Gentrification und Wohnungspolitik, der sich immer wieder in den Reformdiskussionen beteiligt. Als Gäste aus Politik und Verwaltung begrüßt sie Mathias Schulz (SPD), Abgeordneter und Sprecher der für Stadtentwicklung sowie für Bundesangelegenheiten und Brandenburg, Peter Ludolph (CDU), Katrin Schmidberger (Grüne), Sprecherin für Wohnen und Mieten sowie Haushaltspolitik, und Stephan Machulik, Staatssekretär für Wohnen und Mieter:innenschutz.
Matthias Clausen stellt fest, dass es sich um eine merkwürdige Veranstaltung handele. Es habe in der vergangenen Woche eine Entscheidung gegeben, mit der eine zehn Jahre andauernde Debatte vorentschieden sei, denn am nächsten Tag sei die erste Lesung. Damit sei der Zweck des Initiativenforums, das Politik und Verwaltung die Gelegenheit geben soll, Initiativen und Zivilgesellschaft zuzuhören, unterlaufen, denn nun dürften sich Letztere nach einem kurzen Input anhören, warum das eine richtige Entscheidung gewesen sei, denn nun werde sich wohl nicht mehr viel ändern lassen.
Er habe zur Vorbereitung viele Mails und Protokolle der letzten zehn Jahre noch mal gelesen. Sie hätten 2012 begonnen zum Thema zu arbeiten, damals habe die soziale Richtsatzmiete inflationsbereinigt bei 4 €/m² gelegen; in einem Nachbarsaal des Abgeordnetenhauses habe die Konferenz „Nichts läuft hier richtig“ mit teils denselben Beteiligten stattgefunden, die nun hier sitzen, und die Situation sei praktisch unverändert. Schon damals seien Rekommunalisierung und Selbstverwaltung gefordert worden, denn der soziale Wohnungsbau sei selbst in der besseren Ausgestaltung, wie sie sie vorgeschlagen hätten, nur noch eine soziale Zwischennutzung. Mit dem Vergleichsmietensystem sei, unabhängig davon, wer gebaut habe, die soziale, ausgleichende Wirkung verloren gegangen. 2015 sei als Reaktion auf den Mietenvolksentscheid das Wohnraumversorgungsgesetz verabschiedet worden. Darin sei vieles beschlossen worden, manches aber auch nicht, nämlich das, worüber nun gesprochen werde. Damals sei eine große Expert:innenkommission eingesetzt worden, die viel getagt und viele Berichte produziert habe. Ein Jahr später sei im Koalitionsvertrag festgehalten worden, dass die Mieten im alten sozialen Wohnungsbau gesenkt werden sollten. Durch eine umfassende Reform sollten 2018 gerechte Sozialmieten eingeführt, Belegungsbindungen gesichert, die Mieten nach Einkommen gestaffelt, die Eigentümer:innen in die Finanzierung angemessen einbezogen und Subventionstatbestände reduziert werden. Diese beiden Kreisläufe sowie ihre Verbindung miteinander und wie sie konkret ausgestaltet werden könnten, hätten in den kommenden Jahren zu heftigen Diskussionen geführt. 2017 sei ein Eckpunktepapier als Resümee der Expert:innenkommission veröffentlicht worden, und es sei ein Vorschaltgesetz gefolgt, in dem der Mietzuschuss und andere Annehmlichkeiten enthalten waren, in dem aber bezogen auf die Grundfrage „Wer bestimmt, und warum eigentlich, wie hoch die Sozialmiete ist und was die Eigentümer:innen bekommen?“ kein Fortschritt erzielt worden sei – im Gegenteil. Sie hätten daraufhin mit anderen zusammen das Berliner Modell entwickelt. Diese detailreiche Ausarbeitung, die auch ganz konkret den Stellenbedarf für ihre Umsetzung, Modellrechnungen u. Ä. beinhalte, sei angeblich geprüft, aber verworfen worden. Ein Argument sei gewesen, dass die Berechnungsformel, was der Eigentümer erhalte, zu offen sei, weil nicht deutlich werde, was angerechnet werden könne. Damit sei der positive Effekt auf die Miete unklar. Die nun angestrebte Verpflichtungsmiete sei in dieser Hinsicht allerdings ein Schritt zurück hinter ihr Modell. Seiner Meinung nach wäre dieses sowieso das Beste für das, was vom alten sozialen Wohnungsbau noch übrig ist.
2020/21 habe es vergebliche Bemühungen für ein zweites Änderungsgesetz gegeben, um die soziale Richtsatzmiete auf eine vernünftige Weise auszugestalten. Das Ganze sei ein Trauerspiel und sehr frustrierend und dauere nun seit 2015 an. Dabei spiele die berüchtigte Verwaltung eine Rolle, aber auch Abstimmungsschwierigkeiten innerhalb der Koalition hätten das Ihre beigetragen. Hier nun diese Bilanz ziehen zu müssen, eine Woche, nachdem bekannt geworden sei, dass die gesetzliche Verpflichtungsmiete komme, sei für ihre Initiative bitter. Gleichwohl seien sie ermuntert worden, noch Forderungen zu formulieren. Er fordert daher, die Verpflichtungsmiete nicht einzuführen, macht sich aber wenig Hoffnungen auf Erfolg. Stattdessen hofft er, dass wenigstens dem gerade veröffentlichten Bericht der Enteignungskommission Folge geleistet werde. Dazu brauche es auch keinen Rahmen, sondern es solle direkt begonnen werden, an der sozialen Wohnraumversorgung zu arbeiten. Das knüpfe direkt an ihre Forderungen der Rekommunalisierung an, die sie ab 2012 verfolgt hätten und die zumindest insofern erfolgreich gewesen seien, als sie nun mit landeseigenen Unternehmen diskutierten und nicht mehr mit der Deutsche Wohnen.
Zugeschaltet wird Sebastian Jung, um das komplexe Konstrukt hinter der sogenannten Verpflichtungsmiete zu erklären. Er zitiert aus der taz am 21. Juni, die über die Änderung des Wohnraumgesetzes berichtet: „Aus Sicht des Senats bedeutet es Schutz für Sozialmieter, für Mieterverein und Grüne hingegen hilft es bloß den Vermietern.“ Das komplexe Thema, das so konträre Beurteilungen hervorruft, habe er in drei Teile geteilt und möchte erst einmal die Begriffe definieren. Dazu gibt es die Tischvorlage „Maximale Mieten bei Sozialwohnungen mit Anschlussförderung“, auf Letztere beziehe sich der Gesetzentwurf. Die unbereinigte Kostenmiete enthalte künstliche, d. h. künstlich aufgeblasene Kosten; aus der bereinigten Kostenmiete, die ihre Reformvorschläge beinhaltet, seien nicht mehr berechtigte Kosten herausgerechnet und sie decke die zu erwartenden Kosten. Um Missverständnissen vorzubeugen, gibt er den Hinweis, dass eine angemessene Eigenkapitalverzinsung selbstverständlich berechtigt sei, die Kapitalkosten aber nicht anzusetzen seien. Zu unterscheiden seien die vertragliche Verpflichtungsmiete, die aktuell angewandt werde, und die gesetzliche Verpflichtungsmiete, die der Senat verabschieden will. Von beiden sind nur die Objekte mit Anschlussförderung betroffen. Das Problem erhöhter Mieten aufgrund fiktiver Kosten wie Entschuldung bestehe für alle Wohnungen des alten sozialen Wohnungsbaus, auch jene ohne Anschlussförderung. Dazu liefere der Senatsentwurf keine Lösung. Der vertraglichen Verpflichtungsmiete liege eine gesetzlich vorgeschriebene Verpflichtungserklärung des Vermieters gegenüber der Förderstelle zugrunde, die Regelungen der Anschlussförderung zu berücksichtigen, die Mietausschlüsse einzuhalten und einen Teil der Kosten gegenüber den Mietern nicht geltend zu machen. Ein neues Gesetz für den Anschluss sei notwendig.
In § 10 (4) Wohnungsbindungsgesetz heißt es: „Dem Vermieter steht das Recht zur einseitigen Mieterhöhung nicht zu, soweit und solange eine Erhöhung der Miete durch ausdrückliche Vereinbarung mit dem Mieter oder einem Dritten ausgeschlossen ist oder der Ausschluss sich aus den Umständen ergibt.“ Die vertragliche Verpflichtungsmiete entspreche somit der Kostenmiete abzüglich des mit der Förderstelle vertraglich vereinbarten Mietausschlusses, d. h. sie ist niedriger als die Kostenmiete oder mit dieser identisch, falls eine Mietausschluss entfalle. Die vertragliche Verpflichtungsmiete könne somit die Kosten auf keinen Fall überschreiten, die gesetzliche Verpflichtungsmiete allerdings sehr wohl.
Dass der Senat überhaupt einen solchen Gesetzentwurf vorlege, sei dem Umstand geschuldet, dass ein Verstoß gegen den vertraglichen Mietausschluss aufgrund einer Gesetzeslücke derzeit keine Ordnungswidrigkeit darstelle. Deshalb könne ein Vermieter gegenüber dem Mieter Kosten geltend machen, auf die er zuvor vertraglich verzichtet habe, ohne dass die IBB als Aufsichtsstelle ihn sanktionieren könne. Mieter:innen müssten ihren Anspruch auf Mietausschlüsse vor Zivilgerichten selbst durchsetzen. Dort entscheide dann das Gericht und zwar unabhängig von den Auffassungen der IBB. Der Klageweg setze aber zunächst einmal voraus, dass die Mieter:innen überhaupt Kenntnis von ihren Rechten haben.
Das neue Gesetz werde ein intransparentes, ungedeckeltes Mietensystem zur Folge haben, dass die Kostenmiete, an die Mieter:innen, Vermieter:innen, Senatsverwaltung und IBB bislang gleichermaßen gebunden sind, ersetzen werde. Die Mieterrechte würden entscheidend geschwächt, sie könnten sich nicht mehr wehren, sofern der Vermieter mit Zustimmung der IBB oder der Senatsverwaltung handele. Die Abwicklung des alten sozialen Wohnungsbaus werde damit forciert. Mit der neu geschaffenen Entschuldungsmöglichkeit durch vorzeitige freiwillige Rückzahlung der Darlehen werde der Vermieter belohnt, das Ende der Sozialbindung beschleunigt. Durch die Erhöhung nach dem Vergleichsmietensystem erhöhten sich die Mieten dann sehr schnell. Er sieht das Ganze als historische Fehlentscheidung, vor allem vor dem Hintergrund, was dem vorausgegangen ist.
Er geht auf einzelne Aspekte ein:
1. Das neue Gesetz würde die verbindliche Mietobergrenze beseitigen und eine steigende Kostenmiete erlauben. Die gesetzliche Verpflichtungsmiete würde an die Stelle des Kostenmietenprinzips treten, nach dem die Mieteinnahmen nicht höher sein dürfen als zur Deckung der laufenden Aufwendungen des Vermieters erforderlich, und sich an den Anschlussförderungsrichtlinien orientieren, die zum Verständnis des Gesetzentwurfs mitgelesen werden müsste. Problematisch sei, dass diese keine verbindlichen Mietobergrenzen nennen. Was bei der vertraglichen Verpflichtungsmiete nicht bedenklich gewesen sei, weil sie auf der Selbstverpflichtung beruht, werde nun problematisch, denn die Regelungen zur Mietobergrenze würden verdrängt und wären nicht länger ins Recht eingelegt. Damit könnten Mieten gefordert werden, die höher lägen als die unbereinigten Kostenmieten.
2. Der Gesetzentwurf beinhalte neue Möglichkeiten der Mieterhöhung, er schaffe neue Mieterhöhungstatbestände: Die jährliche turnusmäßige Mieterhöhung werde gesetzlich, und das auch bei Objekten, für die bislang förderungsbedingte Mieterhöhungen ausgeschlossen waren. Zusätzlich zur bisherigen Pauschale dürften – nach der 2. Berechnungsverordnung – außergewöhnliche Instandsetzungsmaßnahmen geltend gemacht werden. Damit würde vermieterseitiges Missmanagement belohnt – ein jahrzehntelanges Grundübel des sozialen Wohnungsbaus. Die Auswirkungen gingen weit über den alten sozialen Wohnungsbau hinaus. Der Berliner Haushalt werde durch die dann notwendigen Mietzuschüsse stark belastet, die Vergleichsmieten stark erhöht. Es sei nämlich von entscheidender Bedeutung, auf welcher Miethöhe die Sozialbindung auslaufe.
3. Die rechtliche Stellung der Mieter:innen werde massiv geschwächt, denn die Zulässigkeit einer Mieterhöhung könnte dann nicht mehr nachvollzogen werden, weil sie auf einem Konglomerat aus individuellen Vereinbarungen mit der Förderbank beruhe und es keine Kontrollmöglichkeiten gebe. Problematisch sei dabei auch, dass die IBB nicht nur die Mietenaufsicht stelle, sondern zugleich die ausführende Geschäftsbank sei. Daraus resultiere ein potenzieller Interessenkonflikt. Die Entwicklung der Mieten komme einer Black Box gleich und es handele sich um eine Verschlechterung der rechtlichen Situation der Mieter:innen. Die Abgeordneten müssten über Sachverhalte entscheiden, die sie gar nicht kennen.
4. Die vorzeitige Rückzahlung des Aufwendungsdarlehens soll belohnt werden, denn: „Ansatzverzichte auf Kapitalkosten müssen nicht erbracht werden“, heiße es im Gesetzentwurf. Die Schaffung der vorzeitigen Ablösungsmöglichkeit würde den Ausstieg aus dem sozialen Wohnungsbau forcieren.
5. Mietenmehreinnahmen müssten nach dem Förderverlauf dazu verwendet werden, eine verstärkte Bedienung des Aufwendungsdarlehens vorzunehmen, sodass das Ende der Sozialbindung schneller erreicht würde als bisher.
6. Der Gesetzentwurf schließe eine umfassende Reform des sozialen Wohnungsbaus praktisch aus. Nicht nur, dass die Mieter schützende Vorschriften wie das Kostendeckungsprinzip abgeschafft werde, auch andere vertragliche Regelungen werden ohne schlüssiges Gesamtkonzept für eine Reform des sozialen Wohnungsbaus zum Gesetz erhoben. Der Handlungsspielraum für weitere Reformvorhaben werde damit unnötig eingeschränkt.
Wenngleich der Anlass zum Handeln des Senats berechtigt sei, so stimmt Sebastian Jung dem Lösungsweg keinesfalls zu, weder unter wohnungs- oder sozial- noch haushaltspolitischen Aspekten.
Ihre Empfehlung ans Abgeordnetenhaus laute, eine bereinigte Kostenmiete für alle Sozialwohnungen statt der Einführung einer gesetzlichen Verpflichtungsmiete für einen Teil der Sozialwohnungen: Die Kostenmiete sollte für alle Sozialwohnungen um nicht mehr gerechtfertigte Anteile bereinigt werden, dann würden die Mieten signifikant sinken. Das sollte per Gesetz verankert werden, dann könnten Verstöße auch problemlos geahndet werden, entweder durch einen Bußgeldbescheid oder durch die Anrufung des Gerichts. Es würde allen 90.000 Mieterhaushalten im sozialen Wohnungsbau geholfen, unabhängig davon, ob für die Wohnungen eine Anschlussförderung bewilligt wurde oder nicht. Würde der Gesetzentwurf des Senats umgesetzt, fielen etwa 30 % der Haushalte durchs Raster, nämlich jene, die in den Wohnungen ohne Anschlussförderung leben. In den übrigen 65.000 Mieterhaushalten mit Anschlussförderung würde die Situation verschlimmbessert. Er zitiert einen Passus aus dem Jahr 2017 von SenSW zum angestrebten Reformziel, „Möglichkeiten der Erzielung von Erträgen durch nach dem bisherigen Förderrecht möglichen Kostenpositionen ohne tatsächliche Zahlungserfordernisse abzubauen“. Dieses Reformziel werde allerdings seit Jahren von der Verwaltung systematisch verhindert. Vorschläge für eine Kostenmiete lägen auf dem Tisch, doch nichts davon sei umgesetzt worden. Dabei würden sie sich nach Auslaufen der Sozialbindung positiv auf das allgemeine Mietniveau auswirken. Ihr Alternativvorschlag zur gesetzlichen Verpflichtungsmiete ziele darauf, Kapitalkosten der Eigentümer nicht mietwirksam werden zu lassen: Würde ein für alle Mal untersagt, Zinsen für Kredite auf die Mieterhaushalte abzuwälzen, käme es nicht länger auf Einhaltung oder Nichteinhaltung von Zusagen seitens der Vermieter an.
Das Parlament sollte die Notbremse ziehen und das Gesetzesvorhaben stoppen.
Eine Einordnung ins größere Ganze gibt Andrej Holm. In den 1990er-Jahren habe es noch etwa 300.000 Sozialwohnungen gegeben. Von knapp 150.000 im Jahr 2011 seien sie auf knapp 80.000 im Jahr 2023 gesunken, zeigt er auf einem Schaubild, die meisten davon mit Anschlussförderung. Die rund 28.000 Wohnungen ohne Anschlussförderung zeigen besondere Mietdynamiken, die die ersten Proteste in Berlin ausgelöst haben, in deren Folge sich auch Kotti & Co gründete. Seitdem gebe es große Probleme. Man könne natürlich sagen, dass diese Zahl in einer Stadt mit 2 Mio. Wohnungen nicht so sehr ins Gewicht falle, aber leistbare Wohnungen sind knapp, und beim Bestand von nur noch 80.000 Wohnungen lohne es sich, um sinnvolle Regelungen zu kämpfen.
Es werde kein dauerhaft sozialer Wohnungsbestand aufgebaut, sondern die aktuellen Förderwege sähen nur eine soziale Zwischennutzung vor. Es stelle sich die Frage, ob nicht dauerhafte Bestände sinnvoller sind.
Ein Schaubild mit dem Stand 2018 stellt die Komplexität der Förderkulisse dar, mit Aufschlüsselungen der verschiedenen Förderungen und der jeweiligen Anzahl der Wohneinheiten. Die Komplexität sei auch der besonderen Geschichte Berlins geschuldet, da es sehr verschiedene Segmente mit unterschiedlichen Dynamiken und Regelwerken gebe.
Die Konferenz „Nichts läuft hier richtig“ im Jahr 2012 sei schon erwähnt worden: Sie entstand aus dem Missverhältnis, dass die Sozialmieten teilweise höher sind als die Mieten nicht geförderter Wohnungen. Daraus sei die Erkenntnis erwachsen, dass diese „Berliner System“ der Kostenmiete der Reparatur bedürfe. Diese sollte jedoch nicht abgeschafft, sondern von ihren „Berliner Fehlern“ befreit werden. Das habe auch die Expert:innengruppe aufgegriffen, die ebenfalls zu dem Schluss gekommen sei, eine Reform sei unbedingt notwendig, aber mit einer Präferenz für die Beibehaltung der Kostenmiete. Der Forderung nach einem Mietenstopp in Sozialwohnungen folgte 2015 der Beschluss des Abgeordnetenhauses für eine „Nachhaltige Begrenzung der Sozialmieten und Sicherung von Belegbindungen“ (Drucksache 17/2551). Dieser Rückblick illustriere die Fallhöhe der aktuellen Diskussion.
2016 wurde der Koalitionsvertrag mit ambitionierten Zielen hinsichtlich der Reform des sozialen Wohnungsbaus geschlossen, die aber nicht umgesetzt wurden, denn während der Koalition bis 2021 gab es viele Bruchstellen und keine Einigung über umfassende Reformvorschläge. Es gab stattdessen das Mietenkonzept – das Aussetzen der turnusmäßigen regulären Mieterhöhungen in Sozialwohnungen –, die Härtefallregelung mit Mietzuschüssen und das 1. Vorschaltgesetz mit dem „Einfrierungsgrundsatz“, wonach rückwirkende Mieterhöhungen ausgeschlossen wurden. Die zentrale Bitte, die Kostenmiete zu reformieren und nur tatsächliche Kosten zu berücksichtigen, wurde nicht aufgegriffen.
Die Eckpunkte, die 2017 die Verwaltung erarbeitete, fanden weder die Zustimmung der Koalitionsparteien noch der Mieter:innen. Der Gesetzentwurf konnte keinen formalen Status erreichen, eine schließlich einberufene koalitionsinterne AG kein Ergebnis erzielen. Es gab eine Expert:innenrunde, Prüfaufträge an die Verwaltung (2019) und an die IBB, um zu ermitteln, wie sich bestimmte Regelungen auf die Miete auswirken würden. Dabei kam immer wieder heraus, dass eine durchaus nachhaltige Wirkung auf die Mieten erzielt werden könnte, wenn die als fiktiv beschriebenen Kosten aus den Mietenberechnungen herausgenommen würden. Aufgrund der Erkenntnis der IBB, dass sich nicht alle an die Verpflichtungsmieten hielten, entstand der Vorschlag für ein 2. Vorschaltgesetz – die gesetzliche Festlegung der Verpflichtungsmieten –, das 2020 erfolgte. Das führte zur Diskussion, nicht weil die Idee nicht angenommen wurde, die Verpflichtungsmieten mit stärkeren juristischen Mitteln durchsetzbar zu machen, sondern weil mit der Abschaffung der Kostenmiete der Bezugspunkt für eine weitergehende Reform des sozialen Wohnungsbaus verhindert worden wäre.
In der Koalition von 2021 bis 2023 gab es trotz der Ankündigung, die „Missstände im bis 2003 geförderten sozialen Wohnungsbau zu beenden“ und die rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen, dass keine fiktiven Kosten auf die Miete umgelegt werden können und die ortsübliche Vergleichsmiete nicht überschritten werden darf, keine sichtbaren Bemühungen für eine Reform, keines dieser Ziele war in einem Gesetzentwurf zur gesetzlichen Verankerung der Verpflichtungsmiete enthalten. Auch in dieser Koalition habe es keine Mehrheit dafür gegeben.
Die neue Koalition ab 2023 will die gesetzliche Verpflichtungsmiete absichern und durch Mietzuschüsse Härten vermeiden. Erneut wurde der fast unveränderte Gesetzentwurf zur gesetzlichen Verankerung der Verpflichtungsmiete vorgelegt.
Die Verwaltung habe über zwei Legislaturperioden hinweg die Agenda der jeweiligen Koalition – die umfassende Reform der Sozialmieten und die Streichung der fiktiven Kosten – sowie die Präferenz der Expert:innen, die Kostenmiete beizubehalten, unterlaufen, die Aufgabe des Kostenmietrechts zur Grundlage gemacht und immer wieder das „2. Gesetz zur Änderung des Wohnraumgesetzes Berlin“ vorgelegt. Inzwischen habe sich der politische Wille der Verwaltung angepasst und es werde wieder das „2. Gesetz zur Änderung des Wohnraumgesetzes Berlin“ vorgelegt und vermutlich geräuschlos beschlossen. Problematisch sei, dass sich hier eine Konstellation durchziehe, die es bereits vor 2016 gegeben habe und von den Auffassungen sowohl der Expert:innengruppe als auch fast aller, die sich damit beschäftigt haben, sowie der Mieter:innen abweiche. Die Aufhebung der Kostenmiete stehe seit Jahren auf der Verwaltungsagenda, und nun habe sie eine Koalition, mit der das durchsetzbar sei. All diese Verschleppungen, durch die zahlreiche Wohnungen aufgegeben wurden, gehen zu Lasten der Mieter:innen.
Matthias Schulz (SPD) erklärt, kein Experte zu sein, sondern nur seine Kollegin Sevim Aydin zu vertreten. Er sei gleichwohl bereit, in die Diskussion einzusteigen. Die Einschätzung, dass der soziale Wohnungsbau ein großes Problem sei, an dem sich schon einige Koalitionen die Zähne ausgebissen hätten, ohne eine Reform zustande gebracht zu haben, teilten wohl alle.
Er habe allerdings den Vorträgen nicht entnehmen können, was der Unterschied zwischen vertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungsmieten ist. Aus seiner Sicht habe der Entwurf, wie er nun vorliege, nachvollziehbare Gründe. Die Kontrolle durch die IBB sei wichtig, aber natürlich könne man auch sagen, dass die Mieter:innen Anspruch darauf haben, ihre Angelegenheiten vor Gericht klären zu können.
Sebastian Jung erklärt, dass die vertragliche Verpflichtungsmiete in der Anschlussförderung für Sozialwohnungen geregelt sei, doch fehle es an einer verbindlichen Obergrenze. Das sei unproblematisch, weil nicht gegen Verordnungen und Gesetze verstoßen werden darf. Sobald aber die regulierende Kostenmiete abgeschafft werde, werde das System nach oben geöffnet. Die IBB und die Senatsverwaltung könnten eine Miete festlegen, die die Mieter:innen zu akzeptieren hätten. Das wäre eine große Veränderung zur derzeitigen Regelung, dass die Miete nur so hoch sein darf, dass sie die Kosten deckt. Er habe versucht, das an den außergewöhnlichen Instandsetzungsmaßnahmen zu erläutern. Bisher gelte die 2. Berechnungsverordnung, die eine Pauschale für Instandsetzung und -haltung vorsehe. Nun soll aber die IBB ermöglichen, außergewöhnliche Instandsetzungsmaßnahmen auf die Mieten umzulegen, was heute noch unzulässig sei und das Kostendeckungsprinzip, den Kern, abschaffen würde. Das wäre ein großer Rückschritt. Damit würde Missmanagement belohnt und das sei das Grundübel des sozialen Wohnungsbaus in Berlin schlechthin.
Andrej Holm wiederholt noch mal, was Sebastian Jung schon dreimal gesagt habe, weil es offenbar nicht bei allen angekommen sei: Für die vertragliche Verpflichtungsmiete im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus gelte das Kostenmietrecht als oberste Grenze. Die Eigentümer verpflichten sich vertraglich, auf bestimmte Kostenansätze zu verzichten, weil der Vertrag mit zusätzlichen Fördergeldern verbunden war. In den vertraglichen Verpflichtungen seien eine Reihe von Mietsteigerungsmöglichkeiten versteckt, die für die Mieter:innen nicht einsehbar sind, etwa besondere Instandsetzungen, für die eine Mieterhöhung aber nur nach dem Kostenmietrecht zulässig sei. Sobald die vertragliche in die gesetzliche Verpflichtungsmiete umgewandelt werde, werde die Kostenmiete abgelöst und eine Obergrenze entfalle. Auch wenn die Aufhebung der Kostenmiete nicht explizit genannt werde, bestehe fortan eine Konkurrenz zwischen zwei gesetzlich festgelegten Mietpreisen, und jeder Eigentümer würde vor Gericht gehen, um klären zu lassen, welches Gesetz für ihn gilt. Letztendlich würden die Entscheidungen Richter:innen nach aktueller Einschätzung der Situation treffen – unabhängig von der Intention der Gesetzgeber:innen. Dabei könne man der IBB das Instrumentarium, um eine Nichteinhaltung der Verpflichtungsmiete zu sanktionieren, ganz einfach verschaffen, indem man die 2. Berechnungsverordnung senkt, alles, was in den Verpflichtungsverträgen aufgeführt ist, gesetzlich aufschließt und festlegt, dass fiktive Kosten oder bereits getilgte Darlehen nicht zur Anrechnung gebracht werden dürfen. Damit erziele man eine gesetzliche Miete, die ungefähr auf dem Niveau der vertraglichen Verpflichtungsmiete liege, und allen wäre geholfen. Wenn man es geschickt anstelle, könne das über die Häuser mit Verpflichtungsmieten hinaus für alle Häuser des sozialen Wohnungsbaus gelten. Diese Diskussion führe zu der Feststellung, dass die gesetzliche Verpflichtungsmiete alle Reformmöglichkeiten ausschließe.
Mathias Schulz stellt fest, dass ein Risiko gesehen wird, das in dem Entwurf nicht formuliert ist, aber antizipiert werde. Weil sein Mikro ausfällt, ist sein weiterer Beitrag nicht zu verstehen.
Peter Ludolph (CDU), wissenschaftlicher Referent für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen, erklärt, dass die ortsüblichen Vergleichsmieten unterhalb der Kostenmieten im sozialen Wohnungsbau lägen. Dieser Umstand sollte allen bekannt sein und den müsse man sich wohl auch mal anschauen. Zu den geäußerten Ängsten wegen der Verpflichtungsmiete stellt er fest, dass es noch keine rechtliche Prüfung gebe, die erste Lesung finde am nächsten Tag statt und eine Vorentscheidung sei das auch nicht. Danach gehe der Entwurf in die Ausschüsse zur Beratung und danach noch mal ins Plenum – die Entscheidung liege somit bei den Abgeordneten. Er kann die Vorbehalte nicht nachvollziehen, es handele sich um eine Definition und nicht um eine gesetzlich angegebene Verpflichtungsmiete, er zitiert § 1 a (2), in dem die „bei Bewilligung der Anschlussförderung jeweils abgegebene Verpflichtungserklärung“ als Grundlage genannt werde, mithin eine vertragliche Vereinbarung. Das sei also keine gesetzlich festgelegte Miete. Er geht davon aus, dass die Verwaltung das auch gleich noch erklären werde. Zur Historie könne er nichts sagen, weder seine Fraktion noch seine Partei hätten die Anschlussförderung abgeschafft, sondern die SPD-PDS-Koalition 2003.
Franziska Schulte vermutet, dass die Initiative zu der Bemerkung „irgendwann mal anschauen“ etwas zu sagen haben.
Sebastian Jung kann nicht nachvollziehen, dass anderen nicht ersichtlich wird, dass das Kostenprinzip verdrängt wird. Er zitiert § 1 a (1), nach dem kein höheres Entgelt gefordert werden darf, als in der Verpflichtungsmiete vereinbart. Er sieht eine direkte Konkurrenz zur Kostenmiete. In der Regel verdränge das Neue das Alte und das Spezielle das Allgemeine, daher kann er das Unverständnis nicht nachvollziehen.
Stephan Machulik, Staatssekretär für Wohnen und Mieterschutz, bedankt sich bei den Initiativen für ihre Arbeit in den letzten zehn Jahren. Er sieht das nicht so kritisch, auch wenn sie vielleicht Enttäuschung verspürten, sei nicht alles umsonst gewesen. Es werde hier nur über einen Punkt gesprochen, der nicht alles bedeute in dem Gesetzentwurf. Es habe sich zudem um verschiedene Koalitionen gehandelt, die als Antwort von der angeblich so berüchtigten Abt. IV immer wieder den gleichen Gesetzentwurf bekommen haben. Da müsse man wohl mal etwas abrüsten in der Wortwahl. Die Verwaltung setze nur um, was die Politik auf die Reise schicke. Die Verwaltung komme nicht ohne die Politik aus, die Politik aber auch nicht ohne Verwaltung. Das werde deutlich in der aktuellen Diskussion, denn es seien sehr viele Widersprüche aufgebracht worden. Bevor er sich diesen widme, wolle er aber auch mal etwas Positives sagen: Aus ihrer Sicht müsse das 2. Gesetz zur Änderung des Wohnraumgesetzes Berlin nun kommen, ohne dass noch länger darüber geredet werde. Sie hätten zwei Regelungen in das Gesetz eingebracht: die Frage der Höhe und des Berechtigungskreises für diejenigen, die einen Mietzuschuss bekommen. Es habe im vergangenen Jahr eine Rentenerhöhung gegeben, durch die viele Altmieter den Anspruch auf Mietenzuschuss verloren hätten. Weil im Juli wieder eine Rentenerhöhung bevorstehe, mussten sie etwas tun. Von 140 % seien sie auf 155 % gegangen. Es sei ein Riesenmeilenstein, Kostenzuschüsse zu geben, und gut für die, die dann nicht ihre Wohnung verlassen müssten. Es handele sich um eine große Bürgerentlastung, die nicht nur Rentner:innen, sondern auch Erwerbstätige betreffe. Der andere Punkt sei die sogenannte Verpflichtungsmiete, um die es gerade gehe. Es sei von zwei Rednern behauptet worden, dass sie immer höher sei als die Kostenmiete. Sie wüssten aber, dass die Kostenmiete immer die höchste gewesen sei, sie führten die Verpflichtungsmiete auch nicht ein, sondern sie sei schon längst da. Sie hätten – im Unterschied zum bisherigen Gesetz – die Verpflichtung nur normiert, weil sie für die IBB nicht durchsetzbar gewesen sei. Bisher seien Verstöße zwar gemeldet worden – 2022 allein 49 Objekte mit 1.925 Wohnungen –, aber die IBB sei handlungsunfähig gewesen. Mit der Normierung des Gesetzes könne sie nun aber vor dem Verwaltungsgericht klagen, was nicht mehr der einzelne Bürger tun müsse, und das sei auch eine Entlastung für die Mieter:innen. Damit könnten günstigere Mieten durchgesetzt werden als durch Einzelklagen. Die Forderung, das Gesetz zu stoppen, kann er allein aufgrund dieser Punkte nicht nachvollziehen. Man könne immer noch darüber diskutieren, wie man das Bundesgesetz der Kostenmiete ändern wolle, das würde aktuell hier aber nicht helfen. Es habe jetzt etwas für die Bevölkerung unternommen werden müssen, auch wenn die Mietzuschüsse dem Haushalt wehtäten. Die Vergesellschaftung und das hochkomplexe Thema der alten Wohnungsbauförderung möchte er auseinanderhalten. Es sei ja auch schon einiges der alten Bestände zurückgeholt werden. Was den Rückgang der Sozialwohnungen betreffe, wolle er nicht so gehässig sein. Der sei auch dem Bedarf geschuldet: Aufgehört mit dem sozialen Wohnungsbau in Berlin habe man, als der Leerstand 20 % betragen habe. Nun, da es zu wenig Wohnungen und keine Fluktuation mehr in den Kiezen gebe, sei es leicht, eine alte Entscheidung als schlecht zu bewerten, aber es sei halt immer einfach, vom Istzustand auszugehen. Man könne nun allenfalls sagen, dass sie nicht den Atem hatten, 20 Jahre durchzuhalten, die Bestände zu halten und die Bindung fortzuführen, weil es keinen Bedarf gegeben habe. Über die Entscheidung könne man natürlich diskutieren, aber sie sollte historisch so eingeordnet werden. Das sei nun aus Perspektive der alten Westberliner Bezirke betrachtet. Mit den Beständen in Ostberlin sei man anders verfahren, da müsse man sehen, wer Fehler gemacht habe und wer nicht.
Dirk Böttcher, Referatsleiter Wohnungs- und Mietenpolitik, möchte einen Mythos ausräumen – keine fremde Macht namens Verwaltung denke sich etwas aus und versuche das durchzusetzen, sondern sie hätten nach Abschluss der Expert:innenkommission das getan, was nicht im Abschlussbericht der Expert:innenkommission, aber im Koalitionsvertrag 2016 festgehalten worden sei: eine einkommensorientierte Richtsatzmiete für den sozialen Wohnungsbau vorzulegen. Sie hätten sehr viel Arbeit in den Gesetzentwurf gesteckt, aber er sei nie verabschiedet worden. Es sei die Frage, was für die Mieter:innen gerechter sei: Miete nach ihrem Einkommen zu bezahlen oder – wie beim Kostenmietrecht – nach zufälligen Finanzierungsstrukturen ihrer Bauherren bzw. Eigentümer. Das sei eine grundsätzliche Frage. Nach Gerechtigkeitsaspekten fand er den damaligen Gesetzentwurf zur Richtsatzmiete sehr gut. Gleichwohl hätten sie sich damit abgefunden, dass der Entwurf versickert sei. Es sei umso wichtiger, dass die Abgeordneten den nun vorliegenden Gesetzentwurf beschließen, weil die Verpflichtungsmiete immer niedriger sei als die Kostenmiete. Die Verpflichtungsmiete habe schon bei der Bewilligung der Förderung vereinbart werden müssen, da seien Kapitalkosten etc. schon herausgerechnet worden, und sie erfülle genau die Forderung, fiktive Kosten herauszurechnen. Die Verpflichtungsmiete sei 4 € niedriger als die Kostenmiete. Er könne nichts Schlechtes darin erkennen, die IBB zu ermächtigen, vor dem Verwaltungsgericht die Einhaltung einzuklagen, anstatt dies den Mieter:innen zu überlassen, zumal es Kanzleien gebe, die bei Eigentümern damit werben, vor Gericht die Kostenmiete durchzusetzen. Er sieht in ihrem Entwurf eine schützende Maßnahme für die Mieter:innen. Zudem werde die Kostenmiete nicht abgeschafft, sondern ergänzt. Das Kostenmietrecht sei Bundesrecht, keine Berliner Besonderheit, das sei die Verpflichtungsmiete, daher müsse sie rechtlich sicher und vor Gericht durchsetzbar gemacht werden.
Zu unzulässigen Mieterhöhungen erklärt er: Weder die IBB noch der Senat könnten nun willkürliche Mieterhöhungen festsetzen. Wenn jemand ein Beispiel dafür kenne, dass die Miete wegen außergewöhnlicher Instandsetzungsmaßnahmen erhöht worden sei, soll er das bitte nennen – er kenne keines.
Sebastian Jung habe gesagt, dass jetzt auf einmal die Aufwendungsdarlehen frühzeitig abgelöst werden dürfen. Das sei aber genauso wenig etwas Neues wie die Verpflichtungsmiete, Darlehen dürften seit jeher frühzeitig abgelöst werden. Nach BGB dürfe dies niemandem verwehrt werden. In dem Fall gebe es eine 12-jährige Nachwirkungsfrist der Sozialbindung. Zum Zeitpunkt der Rückzahlung werde die Miete eingefroren. Er würde nun gern in den Austausch eintreten, dann könne das ein oder andere noch richtiggestellt bzw. erläutert werden.
Sebastian Jung will die Diskussion über die Richtsatzmiete im Gesetzentwurf, und ob sie gut oder schlecht ist, erst mal zurückstellen. Er sei falsch wiedergegeben worden oder habe sich falsch ausgedrückt. Dass die Eigentümer vorzeitig Darlehen ablösen könnten, sei nicht neu, aber der Zusatz in § 1 a (2): „Nach freiwilliger vorzeitiger vollständiger Rückzahlung der öffentlichen Aufwendungsdarlehen sind zusätzliche Ansatzverzichte auf Kapitalkosten für Fremdmittel nicht zu erbringen, soweit erst nach dem Zeitpunkt der Rückzahlung der Aufwendungsdarlehen die vollständige Tilgung der Fremdmittel, die Umfinanzierung oder Umstellung auf das Restkapital oder die Ersetzung der Fremdmittel durch Eigenmittel erfolgt.“ Wäre das nicht neu, hätte es ja nicht ergänzt werden müssen.
Er findet es schade, dass der Aspekt der Verdrängung der Kostenmiete durch die Verpflichtungsmiete nicht aufgegriffen wurde, sondern stattdessen behauptet werde, die Verpflichtungsmiete bleibe stets unter der Kostenmiete. Wo das konkret steht, wüsste er gern.
Es sei appelliert worden, nicht lang zu diskutieren, sondern die IBB in den Stand zu versetzen, mit Bußgeldern gegen Verstöße vorzugehen. Er vermisse ein Eingehen auf ihren Vorschlag. Warum werde der Umweg gewählt, dass der Eigentümer eine Verzichtserklärung abgeben muss, anstatt etwas von vornherein zu untersagen? Wie verhalte es sich mit den Entschuldungsgewinnen? Er wünscht sich auch, dass die Verwaltung noch etwas dazu sagt, dass dieser Entwurf nur Objekte mit Anschlussförderung betrifft.
Matthias Clausen findet, dass viele Aspekte genannt worden seien, die eher drum herumstehen würden. Er erklärt, er habe keine parteipolitischen Abhängigkeiten oder Zuneigungen. Die Koalition von SPD und PDS sei auf den Trümmern des Bankenskandals zustande gekommen. Was zum Ende des sozialen Wohnungsbaus geführt habe, sei nicht nur diesen zwei Parteien anzulasten, sondern seien die Zahlungsschwierigkeiten des Senats gewesen, die die frühere Regierung mit der Bankenkrise verursacht habe. Gleichwohl sei es ein wichtiger Hinweis gewesen, dass die Kostenmiete durchweg über der örtlichen Vergleichsmiete liege. Es sei nun darüber diskutiert worden, welche Miete trumpfe. Ihr Herz hänge allerdings nicht an der Kostenmiete, sondern daran, was angesetzt werden könne. Dass die Kostenmiete so weit über der Vergleichsmiete liege, zeige schon, dass sie auskömmlich sei, denn der Immobilienwirtschaft gehe es ja nicht schlecht.
Die Differenz von 4 € zwischen Kosten- und Verpflichtungsmiete findet er ebenso bemerkenswert. Sie gebe Aufschluss, wie hoch die Kostenmiete sei, und an die wollten sie auch heran. Hinsichtlich der Richtsatzmiete hätten sie 2017 lange über verschiedene Modelle diskutiert, es hätten Simulationen, Berechnungsvorschläge und dergleichen vorgelegen. Er wüsste gern, ob es so etwas nun auch für die Verpflichtungsmiete gebe und was diese für Sozialmieter:innen und die öffentliche Hand beispielsweise bedeute. Dass die WBS-Grenze hochgesetzt werde für Leute mit höherem Einkommen sei schön, belaste den Bestand aber noch mehr, wenn dann nicht noch ein dritter Förderweg für die Mittelschicht aufgelegt werde. Seiner Meinung nach werde sowieso zu stark davon ausgegangen, dass die Einkommen sich immer weiter nach oben entwickelten und Menschen nicht mehr auf Sozialwohnungen angewiesen seien, seine Beobachtung sei aber eine andere.
Die Moderatorin erinnert noch mal an die Fragen von Sebastian Jung, an welcher Stelle im Gesetzentwurf festgehalten sei, dass die zukünftige Verpflichtungsmiete immer unter der Kostenmiete bleibe, sowie nach den Entschuldungsgewinnen.
Thomas Thron, Gruppenleiter im Referat von Dirk Böttcher, erwidert auf Sebastian Jungs Frage, dass durch den Zusatz in § 1 a (2) keine Erhöhung ermöglicht, sondern klargestellt werden soll, dass die bei vorzeitiger Ablösung eingefrorene Miete auch nicht abgesenkt werden kann.
Er verweist auf die Erläuterung zu § 1 a, in der ziemlich deutlich ausgedrückt sei, dass das bestehende Kostenmietrecht weiterentwickelt werde und nach dem Wohnungsbindungsgesetz eine zusätzliche Vereinbarung geschaffen werden soll, um die bislang bestehende Regelungslücke zu schließen und eine Sanktionsmöglichkeit zu schaffen.
Hinsichtlich der Frage nach den Entschuldungsgewinnen erläutert er, dass getilgte Darlehen in der Kostenmiete nicht weiter angerechnet werden dürfen, wie Sebastian Jung eingangs schon sehr gut ausgeführt habe. Das sei eine wesentliche Aussage, die unter dem Begriff Entschuldungsgewinne gefasst werde. Den Vorschlag, die Ansetzung solcher Kosten gesetzlich oder per Verordnung zu unterbinden, sieht er rechtlich kaum umsetzbar. Dazu habe es schon zahlreiche Prüfungen gegeben. Insbesondere sei laut Jurist:innen die Wesentlichkeitstheorie ein Hindernis, eine Berliner Rechtsverordnung könne nicht das Kostenmietrecht ersetzen. Hinsichtlich einer Ausweitung auf die Wohnungen ohne Anschlussförderung bestehe das Problem, dass unterschiedliche Tatbestände, d. h. Objekte mit unterschiedlichen Förderungen bzw. Ausgangssachverhalten, nicht so einfach mit gleichen Einschränkungen belegt werden können. Das sei nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber verschiedene Prüfungen hätten große Risiken festgestellt. Mit der nun angestrebten Verpflichtungsmiete werde ein rechtlich unstreitiger Ansatz gewählt, um wenigstens bei den Wohnungen mit Anschlussförderung eine sichere Basis zu haben. Es gebe schon eine stark reduzierte Kostenmiete mit der Streichung eines Ansatzes, die für einen großen Teil der Sozialwohnungen gelte. Es werde aber auch rechtliches Neuland betreten, das sei verbunden mit entsprechenden Unsicherheiten. Es sei der einfache Weg gefordert worden – er müsse sagen, dass der nun eingeschlagen werde, um die Absicherung des Status quo zu erreichen und die abgesenkte Verpflichtungsmiete tatsächlich zur Anwendung kommen zu lassen.
Hinsichtlich der geforderten Folgenabschätzung erklärt Peter Ludolph, dass es um ca. 50 Objekte mit knapp 2.000 Wohnungen gehe, bei denen es laut IBB zur Überschreitung der Verpflichtungsmiete gekommen sei. Aufgrund der nicht vorhandenen gesetzlichen Regelung habe der IBB die Handlungsmöglichkeit gefehlt. Diesen Haushalten könne mit dem neuen Gesetz, d. h. der Möglichkeit, Ordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten, geholfen werden. Auch den 65.000 Wohnungen mit Anschlussförderung, bei denen keine Verstöße bekannt seien, käme das Gesetz zugute, da für sie damit die Miete in Höhe der Vergleichsmiete fixiert werden könne.
Er geht auf die Frage ein, ob die Verpflichtungsmiete die Kostenmiete verdränge. Er habe sich zwar auf den Termin nicht ausreichend vorbereiten können, aber aus zwei Gründen halte er das nicht für möglich. Zum einen aus Gründen der Systematik: im sozialen Wohnungsbau sei die Kostenmiete die gesetzlich festgelegte Obergrenze, die auch nicht durch vertragliche Vereinbarungen überschritten werden könne. Zum anderen aufgrund der Normhierarchie: ein Bundesgesetz – die Kostenmiete als Obergrenze – kann nicht durch ein Landesgesetz verdrängt werden. Das würde im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung gehen, wenn das Land Berlin abschließend eine Regelung schaffen würde, die das gesamte Wohnungsbindungsgesetz ersetzen würde. Das gehe aber nicht mit einer einzelnen Norm, denkt er nach seiner kurzfristigen pauschalen Einschätzung.
Horst Arenz möchte wissen, ob hinsichtlich der außergewöhnlichen Instandhaltungsmaßnahmen weiterhin Klagemöglichkeit für die Mieter:innen besteht? Oder ist der Klageweg, wie Sebastian Jung annimmt, abgeschafft? Was geschieht mit den Wohnungen ohne Anschlussförderung? Zentral ist für ihn aber die Stelle auf S. 12, die Sebastian Jung schon zitierte, dass der Vermieter einen Ansatzverzicht nicht erbringen müsse. Nach jeder Logik der doppelten Verneinung heiße das doch, dass er nicht auf den Kostenansatz verzichten muss, sondern die Kosten ansetzen kann. Wie wird das interpretiert? Er findet es lobenswert, dass der Missstand, dass die IBB keine Bußgelder verhängen lassen darf, abgeschafft werden soll. Stelle sich noch die Frage, warum das so lange gedauert habe. Der Senator selbst habe gesagt, das betreffe nur 2.000 Wohnungen. Was aber sei nun mit den anderen Wohnungen mit und ohne Anschlussförderung, die vom Risiko, dass der Kapitaleigentümer Kosten für nicht bestehende Darlehen ansetzen kann, betroffen sind? Er geht vom gemeinsamen politischen Interesse aller aus, dass es keine größere Mieterhöhungswelle gebe, auch hinsichtlich der AfD, die sich gerade das Thema „Wohnungen für Geflüchtete“ vorgenommen habe. Eine Mieterhöhung helfe nur der AfD.
Sebastian Jung äußert mehrere Einwände: Er versteht nicht, warum dann nicht in den Entwurf hineingeschrieben wird, dass alles im Rahmen des bestehenden Gesetzes bleiben soll. Auch den Einwand der Normhierarchie versteht er nicht. Er ist der Meinung, dass das Wohnungsbindungsgesetz wie Landesrecht behandelt werden kann, dazu gebe es auch eine Aussage von SenSW. Hinsichtlich einer Prüfung der Möglichkeiten für Objekte ohne Anschlussförderung wundert ihn, dass ihnen von Scheel vorgeschlagen worden sei, die Entschuldungsgewinne nur für die Objekte ohne Anschlussförderung abzuschaffen. Wieso soll das einfacher sein bei Eigentümern, die weniger Förderung bekommen haben?
Die Wesentlichkeitstheorie kann ihn nicht überzeugen. Landesregierungen seien imstande, Regelungen zu ändern. Er sieht auch nicht, warum eine Berechnungsverordnung nicht durch eine andere ersetzt werden können sollte. Am Punkt der ortsüblichen Vergleichsmieten würde er gern einhaken, denn der Vorschlag, dass die Kostenmiete die ortsübliche Vergleichsmiete nicht übersteigen darf, sei schon 2016 gemacht worden und zwar für Sozialwohnungen ohne Anschlussförderung. Warum sei das nicht umgesetzt worden und warum sollte das nicht grundsätzlich möglich sein? Eigentümer auf dem frei finanzierten Wohnungsmarkt müssten sich auch daran halten. Wenn sie in Konkurs gingen, gelte das als selbst verschuldet, bei den anderen als unverschuldet. Das könne so nicht sein.
Dirk Böttcher will keine Gegenrede halten, sondern die Fragen beantworten:
Die Regelungen zur Verpflichtungsmiete beträfen natürlich nicht nur die genannten 2.000 Wohnungen, die gerade aktuell betroffen seien, helfen würde das auch allen anderen Wohnungen mit Anschlussförderung.
Fälle von außergewöhnlicher Instandhaltung, die in den dreißig Jahre alten Richtlinien genannt werden, sind ihm, wie gesagt, nicht bekannt: Wenn jemand einen solchen Fall kennt, soll er ihn bitte mitteilen. Die theoretische Möglichkeit bestehe zwar, die Verpflichtungsmiete dürfe trotzdem nicht überstiegen werden.
Thomas Thron ergänzt, dass es für Wohnungen mit Anschlussförderung die Möglichkeit für bestimmte außergewöhnliche Instandhaltungsmaßnahmen gebe. Für die sei allerdings ein mehrstufiges Genehmigungsverfahren vorgesehen, an dessen Ende die Einwilligungen der Mieter:innen und der zuständigen Senatsverwaltung stehen. Die Ansetzung außergewöhnlicher Instandhaltungsmaßnahmen basiere auf dem Abbau des Verzichts auf den Verzicht. Im absoluten Extremfall stoße man dann auf den maximalen Verbrauch der abgeforderten Verzichte. Ein solcher Fall sei aus der Praxis aber nicht bekannt. Kurz: es gebe eine Regelung, die zulasten der Verzichtserklärung gehen könnte, aber die Kostenmiete nicht übersteigen dürfe.
Dirk Böttcher fährt fort, dass Haushalte selbstverständlich weiterhin den Klageweg beschreiten könnten, aber ihm sei nicht klar, welchen Vorteil das für einzelne Mietparteien haben sollte. Es sei doch viel einfacher, sich an die IBB zu wenden, die berechne, wie hoch die Verpflichtungsmiete in der jeweiligen Wohnung maximal sein dürfe, und diese ggfs. beim Vermieter durchsetze. Thomas Thron ergänzt, dass zudem für die Mieter:innen die Beweislastpflicht schwierig sei, denn die Miete für eine einzelne Wohnung dürfe durchaus über der Durchschnittsmiete eines Objekts liegen, wenn dafür andere Wohnungen im selben Haus darunter lägen. Die Überprüfung des gesamten Objekts und die Beweisführung könne tatsächlich nur die IBB vornehmen. Diese Sachlage sei zwar selten, aber möglich.
Dirk Böttcher bringt noch mal die S. 12 zur Sprache: Die Betonung liege auf zusätzlich. Wenn die Förderung zurückgezahlt werde, werde die Miete für zwölf Jahre eingefroren. Eine geringfügige Erhöhung der Miete könne allenfalls aus der Anpassung der Instandhaltungspauschale resultieren.
Auf Horst Arenz‘ erneute Frage, warum der Satz dort stehe, erklärt Thomas Thron: In der Nachwirkungsfrist, nach der Rückzahlung der Förderung, müsse kein zusätzlicher Verzicht erbracht werden, d. h. finde keine weitere Reduzierung statt. Wenn wieder neue Kapitalkosten zustande kämen, seien diese über den festgelegten Satz hinaus nicht zusätzlich zu erbringen.
Dirk Böttcher geht noch mal darauf ein, was Peter Ludolph schon ausführte: Manche Bundesländer hätten das Bundesrecht durch ein eigenes Landesrecht komplett ersetzt. In Berlin sei das Bundesrecht allerdings beibehalten worden, und nur in Spezialfällen, wie etwa dem Mietzuschuss oder jetzt aktuell der Verpflichtungsmiete, würden Regelungen auf Landesebene getroffen. Das Bundesrecht, das auch die Kostenmiete beinhalte, werde nur in wenigen Punkten abgeändert, aber beibehalten.
Hinsichtlich des Sabotagevorwurfs, den Sebastian Jung erhoben habe, könne er nur sagen, dass Kosten- und Vergleichsmieten auf zwei grundsätzlich verschiedenen Mietensysteme beruhten, deshalb gingen die Mieten für Sozialwohnungen auch nicht in den Mietspiegel ein. Die Mieten im sozialen Wohnungsbau sind gesetzlich festgelegt. Wenn ein Reformvorschlag für die Kostenmiete die Vergleichsmiete als Obergrenze heranziehen würde, würde die Vergleichsmiete zu einer Art Richtsatzmiete. Zwei unterschiedliche Rechtssysteme – die Kostenmiete und das BGB – würden vermischt, und das sei aus ihrer Sicht nicht möglich. Der Reformvorschlag sei daher nicht sabotiert worden, sondern er sei nicht umsetzbar.
Andrej Holm kommt noch mal auf die zusätzlichen Ansatzverzichte zu sprechen. Er findet das gut erklärt: Für diejenigen, die aus der sozialen Bindung früher aussteigen wollen, gebe es keine zusätzlichen Einschränkungen. Wenn man diesen Satz wegließe oder andersherum formulieren würde, dass gerade bei denen, die vorzeitig aussteigen, ein zusätzlicher Ansatzverzicht erwirkt werde, würde das die Gesamtbindung verlängern. Nun sei es ein Freibrief für all diejenigen, deren Praxis sie seit Jahren kritisierten.
Was die außergewöhnlichen Instandsetzungsmaßnahme betreffe, fragt er sich, warum der Satz überhaupt ins Gesetz findet, wenn diese de facto nicht vorkämen. Wenn die Senatsverwaltung in dreißig Jahren keine derartigen Fälle beobachtet habe, könnte man in dem Gesetzentwurf ebenso gut den Satz streichen und zu erklären, es gebe keine Mieterhöhung durch außergewöhnliche Instandsetzung. Dann wären alle beruhigt. Das ließe sich in der Koalition auch so begründen.
Wenn es so klar zu sein scheint, dass es sich nicht um eine konkurrierende Gesetzgebung handelt, könne ja hineingeschrieben werden, dass die Verpflichtungsmiete in den betreffenden Häusern die Kostenmiete nicht übersteigen darf. Es gehe ja nicht zum ersten Mal darum, seit 2020 werde das diskutiert. Ihn mache misstrauisch, dass keiner der Punkte, die wiederholt u. a. mit der Senatsverwaltung diskutiert wurden, Eingang in die Vorlage gefunden habe. Stattdessen heiße es immer nur: Macht euch keine Sorgen. Warum werde das nicht aktiv aufgenommen?
Sebastian Jung sieht hier keine Vermischung von zwei Mietsystemen und findet es schade, dass das nicht früher diskutiert wurde. Es liege doch auf der Hand, dass die ortsübliche Vergleichsmiete auskömmlich ist. Wieso könne man keine Kappung festlegen? Die Regelung könne lauten, dass die Miete nicht höher als die Kostendeckung sein dürfe, höchstens aber so hoch wie die Miete für ein nicht subventioniertes Objekt. Es könne doch nicht sein, dass die Empfänger von Subventionen mehr Miete verlangen können als diejenigen, die keine Subventionen erhalten haben. Zudem möchte er von der Senatsverwaltung wissen, wie sie zu dem potenziellen Interessenkonflikt der IBB stehe, die zum einen den Geschäftsinteressen ihrer Kunden dienen muss, zum anderen aber Aufsichtsbehörde ist. Zu der Zeit, als Katrin Lompscher noch Senatorin gewesen ist, habe es geheißen, die IBB sei gegen die Bereinigung der Kostenmieten, weil sie um ihre Reputation fürchte. Ihm sei keine Aufsichtsbehörde bekannt, die Angst um ihre Reputation habe. Wenn alles in die Hände von Senatsverwaltung und IBB gelegt werde, werde ihm schlecht.
Jan Kuhnert zitiert Dirk Böttcher: „Verpflichtungsmiete ist immer niedriger als Kostenmiete“ und er „kenne kein Beispiel für besondere Instandsetzungsforderungen“. Auch ihn mache es nervös, wenn eine Selbstverständlichkeit, die ja hier genannt worden sei, nicht ordentlich erklärt in der Erläuterung eines Gesetzentwurfs stehe. Daraus sei auch die Unzufriedenheit mit dem Gesetzentwurf zu erklären.
Mathias Schulz versteht die Kritik nicht, denn das Ganze stehe doch im Kontext des Wohnbindungsgesetzes. Es würden doch eher strengere und keine neuen Vorgaben gemacht.
Horst Arenz versteht die Passage auf S. 12 weiterhin als Freifahrtschein für Entschuldungsgewinne. Warum gehe nicht daraus hervor, dass nur noch bereinigte Kosten enthalten sein sollen und Entschuldungsgewinne in Berlin definitiv verboten sein sollen? Wenn seitens der Verwaltung gesagt werde, das sei doch alles völlig klar, dann sei das für ihn nur ein Beispiel der Verselbständigung von Politik, der man zurzeit beiwohnen könne. Die Verwaltung sei verpflichtet, für alle verständliche Aussagen zu treffen. Diese Passage rufe aber eher Beunruhigung und Verunsicherung hervor.
Andrej Holm glaubt, dass sich hier mehrere Diskussionen überlagern. Zur Reform des sozialen Wohnungsbaus möchte er zwei Elemente herausheben: In den letzten Jahren, in denen die große Reform verpasst worden sei, seien kleine Schritte unternommen worden, die hoffen ließen, dass weitere folgen. Eine Befürchtung, die mit dem Entwurf zur Verankerung der Verpflichtungsmieten verbunden ist, besteht darin, dass bestimmte Bereiche damit abschließend geregelt, aber weitergehende Reformmöglichkeiten verbaut würden. Dass er mit solcher Eile durchgesetzt werden soll, mindere diese Befürchtung nicht. Nachdem schon seit drei Jahren darüber diskutiert werde, möchte er wissen, ob es dazu mal eine rechtliche Prüfung gegeben habe? Gibt es eine Abschätzung, welche Wege verbaut werden könnten? Wenn das geklärt sei, könne man über Kappungsgrenzen und dergleichen sprechen.
Die zweite Verunsicherung entstehe durch die Black Box der außergewöhnlichen Instandsetzungsmaßnahmen. Warum gebe es dafür keine klare Regelung, keine klare Aussage im Gesetz? Warum stehe nicht im Gesetz, dass die Verpflichtungsmiete die Kostenmiete nicht übersteigen darf, das alles würde viel Spannung aus der Diskussion nehmen und Sicherheit geben. Warum nutzt man das Gesetz nicht, um für den vorzeitigen Ausstieg aus dem sozialen Wohnungsbau eine zusätzliche Hürde einzubauen? Um klarzumachen, dass niemand einen Vorteil davon hat, vorzeitig auszulösen? So könnte dem ohnehin rasant schrumpfenden Bestand an Sozialwohnungen aus seiner Sicht etwas entgegengesetzt werden.
Angesichts der langjährigen Entwicklungen sei die aktuelle Zusammenkunft lange überfällig gewesen, es habe Zeiten gegeben, in denen solche Gesetzentwürfe stärker mit Initiativen und Aktivist:innen diskutiert wurden und nicht nur in so ritualisierten Formaten wie dem Hearing.
Franziska Schulte sieht bei den Initiativen die Erwartung, stärker in die Auseinandersetzung zu gehen, mehr gehört zu werden. Abschließend stellt sie die Frage, was die Politik mitnehme, um etwa im Weiteren das Gesetzgebungsverfahren zu diskutieren.
Mathias Schulz bedankt sich für die Informationen und den Input. Er nehme gern mit, was mit dieser Regelung erreicht und präzisiert werden sollte.
Er könne sich dem vollumfänglich anschließen, erklärt Peter Ludolph. Er sei das erste Mal in dieser Runde und nehme das alles mit, auch das, was bei Juristen vielleicht öfter außer Acht gelassen werde: dass Erläuterungen und Begründungen von Gesetzen etwas verständlicher formuliert werden sollten, damit auch Nichtjuristen sie verstehen. Es käme allerdings zu ziemlichen Auswüchsen, wenn man in jedes Gesetz reinschreiben würde, was es nicht berührt. Es sollte dabei bleiben, dass die Gesetze genannt werden, welche direkt betroffen sind. Zusagen könne er nicht machen, er sei kein Abgeordneter, aber er könne mit ihnen oder den Fachsprechern diskutieren wie er sich auch mit Mathias Schulz bespricht.
Fabian Steinecke bedankt sich bei allen Beteiligten des Abends und ihr reges Mitdiskutieren. Wie Andrej Holm es gesagt habe: Die Hearings sind wichtig und vor allem auch produktiv, sie sollen aber auch nur ein Ausgangspunkt sein. Es sei deutlich geworden, welche Expertise hier versammelt ist. Alle, auch das Initiativenforum, sind ansprechbar, um zwischen Initiativen und Politik und Verwaltung zu vermitteln.