Eine Zusammenfassung des 10. Hearings vom 28. Juni 2023
Beim zehnten Hearing des IniForums wurde lebhaft diskutiert, ob die sogenannte Verpflichtungsmiete im alten sozialen Wohnungsbau eine Verbesserung oder Verschlechterung darstellt. Die Veranstaltung war ein Fall für Spezialist*innen. Hier die Zusammenfassung in fünf Sprachen.
Anlass für das Hearing war die anstehende Reform des Wohnraumgesetzes, das den sogenannten alten sozialen Wohnungsbau reguliert.
„Nichts läuft hier richtig“ lautete der Titel einer Konferenz im Jahr 2012 über Miethöhen im sozialen Wohnungsbau. Seither kämpfen Initiativen wie „Kotti & Co.“ und Mieterstadt.de dafür, Sozialmieten zu deckeln – diese sind teilweise höher als die Mieten frei finanzierter Wohnungen, obwohl der alte soziale Wohnungsbau mit hohen Summen gefördert wurde.
Streitpunkt war und ist die Kostenmiete, die nun durch eine gesetzliche Verpflichtungsmiete ersetzt werden soll.
Sebastian Jung von Mieterstadt.de erklärte, durch die neue Regelung könnten Vermieter*innen gegenüber Mieter*innen Kosten geltend machen, auf die sie zuvor vertraglich verzichtet haben, ohne dass die IBB als Aufsichtsstelle sie sanktionieren könne. Durch vorzeitige freiwillige Rückzahlung der Darlehen würden außerdem Vermieter*innen belohnt: „So wird das Ende der Sozialbindung beschleunigt.“ Sorgen mache ihm außerdem die Möglichkeit, dass Vermieter*innen sogenannte außergewöhnliche Instandsetzungsmaßnahmen geltend machen könnten.
Andrej Holm führte aus, wie lange bereits über eine Reform des sozialen Wohnungsbaus diskutiert wurde und kritisierte die Verwaltung: Sie habe über zwei Legislaturperioden hinweg die Agenda der jeweiligen Koalition – die umfassende Reform der Sozialmieten und die Streichung der fiktiven Kosten – sowie die Präferenz der Expert:innen, die Kostenmiete beizubehalten, unterlaufen. Sie habe die Aufgabe des Kostenmietrechts zur Grundlage gemacht und immer wieder das „2. Gesetz zur Änderung des Wohnraumgesetzes Berlin“ vorgelegt. Inzwischen habe sich der politische Wille der Verwaltung angepasst – und das das Gesetz werde vermutlich geräuschlos beschlossen.
Dem widersprach Stephan Machulik, Staatssekretär für Wohnen und Mieterschutz: „Die Verwaltung setzt nur um, was die Politik auf die Reise schickt“, sagte er. Es sei notwendig, das Gesetz jetzt zu verabschieden, weil es auch den Anstieg der Mietzuschüsse regele. Durch die Rentenerhöhung im vergangenen Jahr hätten viele Altmieter ihren Anspruch auf diese Zuschüsse verloren; im Juli stünde wieder eine Rentenerhöhung an. Im Übrigen werde die Verpflichtungsmiete nicht neu eingeführt – sie sei längst da –, sondern nur normiert, weil sie für die IBB nicht durchsetzbar gewesen sei. 2022 seinen für 49 Objekte mit 1.925 Wohnungen Verstöße gemeldet worden, aber die IBB sei handlungsunfähig gewesen. Mit der Normierung des Gesetzes könne sie nun vor dem Verwaltungsgericht klagen.
Auch Dirk Böttcher, Referatsleiter Wohnungs- und Mietenpolitik, wies Holms’ Vorwurf zurück. Keine fremde Macht namens Verwaltung denke sich etwas aus und versuche das durchzusetzen. Nach Abschluss der Expert:innenkommission habe die Verwaltung das getan, was nicht in deren Abschlussbericht, aber im Koalitionsvertrag 2016 festgehalten worden sei: eine einkommensorientierte Richtsatzmiete für den sozialen Wohnungsbau vorzulegen. „Wir haben sehr viel Arbeit in den Gesetzentwurf gesteckt, aber er ist nie verabschiedet worden.“ Es sei eine grundsätzliche Frage, was für die Mieter:innen gerechter sei: Miete nach ihrem Einkommen zu bezahlen oder – wie beim Kostenmietrecht – nach zufälligen Finanzierungsstrukturen ihrer Bauherren beziehungsweise Eigentümer. Unter Gerechtigkeitsaspekten habe er den damaligen Gesetzentwurf zur Richtsatzmiete sehr gut gefunden. Gleichwohl hätten sie sich damit abgefunden, dass der Entwurf versickert sei. Es sei umso wichtiger, dass die Abgeordneten den nun vorliegenden Gesetzentwurf beschließen, weil die Verpflichtungsmiete immer niedriger sei als die Kostenmiete. Die Verpflichtungsmiete habe schon bei der Bewilligung der Förderung vereinbart werden müssen, Kapitalkosten etc. seien da schon herausgerechnet worden. Die Verpflichtungsmiete erfülle also genau die Forderung, fiktive Kosten herauszurechnen. Sie sei vier Euro niedriger als die Kostenmiete. „Ich kann nichts Schlechtes darin erkennen, die IBB zu ermächtigen, vor dem Verwaltungsgericht die Einhaltung einzuklagen, anstatt dies den Mieter:innen zu überlassen“, sagte er. Das Kostenmietrecht sei Bundesrecht und die Verpflichtungsmiete eine Berliner Besonderheit, die rechtlich sicher und vor Gericht durchsetzbar gemacht werden müsse.
Zu unzulässigen Mieterhöhungen erklärte er: Weder die IBB noch der Senat könnten nun willkürliche Mieterhöhungen festsetzen. Wenn jemand ein Beispiel dafür kenne, dass die Miete wegen außergewöhnlicher Instandsetzungsmaßnahmen erhöht worden sei, soll er das bitte nennen – er kenne keines. Würden Aufwendungsdarlehen frühzeitig abgelöst, was rechtmäßig sei, gebe es eine zwölfjährige Nachwirkungsfrist der Sozialbindung und die Miete werde eingefroren.
In der weiteren Diskussion kamen viele Nachfragen auf: Wo festgehalten sei, dass die zukünftige Verpflichtungsmiete immer unter der Kostenmiete bleibe, sowie nach den Entschuldungsgewinnen. Liegen Simulationen, und Berechnungsvorschläge für die Verpflichtungsmiete vor? Wie können Mieter:innen vor Mieterhöhungen durch außergewöhnliche Instandhaltungsmaßnahmen geschützt werden?
Thomas Thron, Gruppenleiter im Referat von Dirk Böttcher, erklärte, der Gesetzentwurf sehe vor, dass die bei vorzeitiger Ablösung eingefrorene Miete nicht abgesenkt werden kann. Nach dem Wohnungsbindungsgesetz solle eine zusätzliche Vereinbarung geschaffen werden, um die bislang bestehende Regelungslücke zu schließen und eine Sanktionsmöglichkeit zu schaffen. Getilgte Darlehen dürften in der Kostenmiete nicht weiter angerechnet werden. Der Vorschlag, die Ansetzung solcher Kosten gesetzlich oder per Verordnung zu unterbinden, sei rechtlich kaum umsetzbar. Dazu habe es schon zahlreiche Prüfungen gegeben. Eine Berliner Rechtsverordnung könne nicht das Kostenmietrecht ersetzen.
Eine Ausweitung auf die Wohnungen ohne Anschlussförderung sei problematisch: „Objekte mit unterschiedlichen Förderungen beziehungsweise Ausgangssachverhalten können nicht so einfach mit gleichen Einschränkungen belegt werden.“ Es sei nicht grundsätzlich ausgeschlossen, aber verschiedene Prüfungen hätten große Risiken festgestellt.
Zur Frage der Folgenabschätzung erläuterte Peter Ludolph, es gehe um zirka 50 Objekte mit knapp 2.000 Wohnungen, bei denen es laut der IBB zur Überschreitung der Verpflichtungsmiete gekommen sei. Diesen Haushalten könne mit der Möglichkeit, Ordnungswidrigkeitsverfahren einzuleiten, geholfen werden. Auch den 65.000 Wohnungen mit Anschlussförderung, bei denen keine Verstöße bekannt seien, käme das Gesetz zugute, da für sie damit die Miete in Höhe der Vergleichsmiete fixiert werden könne.
Thomas Thron ergänzte, dass es für Wohnungen mit Anschlussförderung die Möglichkeit für bestimmte außergewöhnliche Instandhaltungsmaßnahmen gebe. Für die sei allerdings ein mehrstufiges Genehmigungsverfahren vorgesehen, an dessen Ende die Einwilligungen der Mieter:innen und der zuständigen Senatsverwaltung stehen.
In einer abschließenden Bemerkung fasste Andrej Holm zusammen, welche Schwierigkeiten die Initiativen weiterhin sehen: Es sei zu befürchten, dass bestimmte Bereiche durch das Gesetz abschließend geregelt, weitergehende Reformmöglichkeiten aber verbaut würden. Verunsicherung entstehe auch durch die Black Box der außergewöhnlichen Instandsetzungsmaßnahmen. Stünde im Gesetz, dass die Verpflichtungsmiete die Kostenmiete nicht übersteigen darf, würde das viel Spannung aus der Diskussion nehmen und Sicherheit geben. „Warum nutzt man das Gesetz nicht, um für den vorzeitigen Ausstieg aus dem sozialen Wohnungsbau eine zusätzliche Hürde einzubauen?“, fragte er. So könnte dem ohnehin rasant schrumpfenden Bestand an Sozialwohnungen etwas entgegengesetzt werden.
Angesichts der langjährigen Entwicklungen sei die aktuelle Zusammenkunft lange überfällig gewesen, es habe Zeiten gegeben, in denen solche Gesetzentwürfe stärker mit Initiativen und Aktivist:innen diskutiert wurden – und nicht nur in so ritualisierten Formaten wie dem Hearing.