27. Mai 2021 19:00 – 21:00
Während sich Menschenrechtsinitiativen seit Jahrzehnten für die Unterzeichnung des UN-Sozialpaktes engagieren, indem das Recht auf angemessenen Wohnraum zu erschwinglichen Preisen für Alle verbindlich festgeschrieben wird, werden in Berlin selbst in Pandemie-Zeiten weiterhin Menschen zwangsgeräumt. Rücksichtslos durchgesetzte private Profitinteressen treiben die Menschen auf die Straße. Der rot-rot-grüne Senat streitet derweilen jegliche politische Handhabe u.a. gegen die Machenschaften ominöser Immobilienfirmen ab. Auch Versuche seitens der Landesregierung, eine Marktregulierung durch sozial verträglichere Gesetze zu schaffen, scheitern, wie uns das Debakel um den sogenannten Berliner Mietendeckel zuletzt vor Augen führte.
Umso mehr Hoffnung weckt deshalb die aktuelle Kampagne „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“ (DWE). Um als Volksentscheid zu den Wahlen im Herbst zugelassen zu werden, müssten bis Ende Juni 175.000 Unterschriften gesammelt werden. Das Volksbegehren verspricht, bezahlbaren Wohnraum für Alle zu schaffen, indem es Immobilienunternehmen mit mehr als 3000 Wohneinheiten in Bezugnahme auf Art. 15 GG enteignen, entschädigen und dann vergesellschaften will.
Nach Art. 15 GG können „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel […] zum Zwecke der Vergesellschaftung […] in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.“
Mit den Eigentums- und Verteilungsfragen rückt auch die Systemfrage in den Fokus: Enteignung und Vergesellschaftung ohne Revolution, mit Berufung auf das Grundgesetz – Kann das möglich sein?
Während derart werbewirksame Begriffe vielen Berliner*innen die Verbesserung ihrer prekären Situation in Aussicht stellen, müssen sich die Kampagnen-Macher*innen auch der Kritik von links stellen. Anstatt zu Enteignung und Vergesellschaftung führe die Kampagne zu einem Rückkauf in Milliardenhöhe als fettes Geldgeschenk an die Immobilienbranche sowie der Verstaatlichung der Unternehmen. Denn wie die Umsetzung der Vergesellschaftung ablaufen soll, bleibt vage und am Ende dem Gestaltungswillen der Parteipolitik unterworfen. Wie soll eine durch den Senat entworfene Mieter*innenvertretung aussehen und funktionieren?
Wie realistisch ist eine gemeinwohlorientierte Wohnraumversorgung jenseits von markt- und profitorientiertem Wirtschaften überhaupt im Rahmen des deutschen Rechts?
Ist der große Fokus auf das Sammeln von Unterschriften nicht bloße Scheinpartizipation? Wäre die Energie nicht nachhaltiger in die Vernetzung basisdemokratisch entstandener Strukturen und den Aufbau selbstverwalteter Kieze investiert, die direkt als Mieter*innenräte auftreten könnten? Werden die Menschen mit der Kampagne nicht einmal mehr an die Spielregeln gebunden, anstatt dazu zu ermutigen, den herrschenden Rahmen zu verlassen und in Selbstermächtigungsprozessen eigene Akzente zu setzen? Wie kann eine Enteignungskampagne aussehen, die keine Appelle formuliert, sondern Forderungen von der Basis her durchsetzt?
Darüber wollen wir mit Expert*innen, Aktivist*innen und ihren Organisationen diskutieren – Bisher haben zugesagt:
- Ingrid Hoffmann (Aktivistin, Initiative Deutsche Wohnen & Co Enteignen)
- Dr. Andrej Holm (Stadtsoziologe, Humboldt-Universität Berlin, Experte für Stadterneuerung, Gentrifizierung und Wohnungspolitik
- Dr. Joanna Kusiak (Stadtsoziologin, King’s College London, Thema: Gestaltung des urbanen Raums durch Recht und legale Techniken)
- Samira van Zeer (Aktivistin, Karla Pappel – Initiative gegen Mietpreiserhöhungen & Verdrängung in Berlin und Alt-Treptow)
- Sandrine Woinzeck (Aktivistin #Mietenwahnsinn-Bündnis sowie der Mieter*innengewerkschaft und AmMa65 e.V.)
Zugang: https://vk1.minuskel.de/b/axe-mef-mub-bis (Online-Veranstaltung)
Mit dieser Vesper-Veranstaltung wird die traditionelle monatliche Veranstaltungsreihe im Haus der Demokratie und Menschenrechte wieder aufgenommen, auch wenn sie zur Zeit nur virtuell stattfinden kann.
Die Vesper-Reihe wird veranstaltet von der Stiftung Haus der Demokratie und Menschenrechte, der Humanistischen Union, der Internationalen Liga für Menschenrechte und der Eberhard-Schultz-Stiftung.
Eberhard-Schultz-Stiftung für soziale Menschenrechte und Partizipation
030 245 33 798
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