„Welche stadt- und mietenpolitischen Folgen hat die Pandemie?“
Hearing der wohnungspolitischen Initiativen am 26. August 2020 als Online-Konferenz, 18 bis 21 Uhr
Begrüßung
Fabian Steinecke und Rouzbeh Taheri begrüßen die Anwesenden. Das Hearing soll eine kleine Bestandsaufnahme in der Corona-Situation ermöglichen, in der viele Veranstaltungen nicht stattfinden konnten und ein Austausch nur eingeschränkt möglich war.
Rouzbeh Taheri übernimmt die Moderation, gibt technische Erläuterungen und stellt die Teilnehmenden vor:
Henrik Solf, Anwalt mit dem Schwerpunkt Mietrecht, hat in den letzten Jahren viele Mieter*innen vertreten und meldet sich über den Republikanischen Anwaltsverein immer wieder mit Beiträgen zum Mietrecht zu Wort. Er wird seine Eindrücke der gegenwärtigen Situation von Mieter*innen in Hinblick auf Corona und den Mietendeckel darstellen. Stefan Klein, der sich u. a. bei KiGE für Gewerbemieter*innen engagiert, schildert deren aktuelle Situation. Elisa Lindemann und Judith Lahme von der Koepjohann’schen Stiftung sind auch aktiv im Arbeitskreis Wohnungslose, zudem nehmen die Fachpolitiker*innen Katrin Schmidberger (Grüne), Gaby Gottwald (Die Linke), Michail Nelken (Die Linke) und Ülker Radziwill (SPD) teil sowie Dr. Sandra Obermeyer, Abteilungsleiterin der Senatsverwaltung Stadtentwicklung und Wohnen.
Schattenmiete weit verbreitet
Rouzbeh Taheri fragt Henrik Solf nach der aktuellen Situation: Welche drängenden Probleme werden derzeit in Beratungsgesprächen thematisiert? Haben Mieter*innen spezielle Probleme wegen Corona? Oder wegen des Mietendeckels?
Henrik Solf kann nur von seinen persönlichen Eindrücken und dem, was er von Kolleg*innen hört, ausgehen, und da sieht er – entgegen allen Erwartungen – bislang wenig Corona-bedingte Mietausfälle im Wohnungsbereich. Gleichwohl sei unklar, wie die Entwicklung in nächster Zukunft verlaufe. Im Gewerbebereich sei die Situation deutlich anders. Es gebe sehr viele Zahlungsausfälle. Allerdings drohten die Vermieter*innen nicht immer sofort mit der Kündigung, sondern verhielten sich häufiger kooperativ. Dabei spiele sicherlich eine Rolle, dass lukrative Neuvermietungen in nächster Zeit nicht in Sicht seien.
Probleme sieht er eher im Zusammenhang mit dem Mietendeckel, auch wegen der zahlreichen Unklarheiten, die in der Beratung immer wieder Thema seien und vor November wohl kaum geklärt würden. Was fast alle in diesem Zusammenhang beschäftige, seien die sogenannten Schattenmieten: Eine Vertragsklausel setzt eine höhere Miete für den Fall fest, dass der Mietendeckel gekippt wird. Diese Praxis finde in der Breite Anwendung: bei Großvermieter*innen genauso wie bei Genossenschaften. Eine Rechtsprechung dazu gebe es bislang nicht, nur verschiedene Urteile: Die 65. Zivilkammer des Landgerichts habe dafür entschieden, die 66. Kammer dagegen. Die 67. lässt er außen vor, da nach deren Meinung der Mietendeckel sowieso nicht verfassungskonform sei. Die beiden anderen Kammern seien diesbezüglich zum gegenteiligen Befund gekommen. Berufungskammern und Amtsgerichte hätten sich nach seiner Kenntnis noch nicht positioniert. Zudem bemängelt er Fehler im Mietendeckelgesetz, die ausgebügelt werden müssten, aber das nehme offenbar niemand in Angriff. Auch zur Lage der Kompetenzrechte der Länder und wie damit weiter zu verfahren sei, höre er nichts. Zur Eigenbedarfskündigung gebe es bislang nur zaghafte Diskussionen, die intensiviert werden sollten.
Umzüge und Neuverträge hätten jüngst deutlich abgenommen, stellt Rouzbeh Taheri fest. Sei die Corona-Situation die Ursache oder der Umstand, dass Berlin im ersten Quartal 2020 erstmals seit 2003 Einwohner*innen verloren habe und die Zahl der Zuzüge deutlich nachgelassen habe? Führe die Schattenmiete dazu, dass Leute von neuen Mietverträgen Abstand nehmen, oder gehen sie das Risiko ein?
Das kann Henrik Solf mangels empirischer Daten nicht genau beantworten. Er geht allerdings davon aus, dass die Schattenmiete abschreckend wirkt. In anderen Großstädten hätten die Umzüge allerdings auch deutlich abgenommen, sodass der Mietendeckel nicht der einzige Grund sein könne.
Dann sorge der Mietendeckel aber auch nicht für den massenhaften Zustrom, den seine Gegner immer an die Wand malten, stellt Rouzbeh Taheri fest.
Gewerbemieter*innen unter Druck
Stefan Klein vom KiGE, einer gemeinwohlorientierten Beratungsgesellschaft, die ihren Ursprung in Initiativen wie Bizim Kiez, GloReiche und Ora nostra hat, ist in Kreuzberg sehr aktiv, da gebe es in der Vertretung gefährdeter Gewerbemieter*innen viel zu tun. Erfreulicherweise würden nun auch Ehrenamtliche von der Wirtschaftsförderung unterstützt, damit sie Gewerbetreibende adäquat beraten können.
Er stimmt Henrik Solf zu, dass der Mietendeckel für Probleme sorge. Auch in seinem Haus seien gerade am Vortag Mieterhöhungen eingetroffen – angesichts der Rechtslage ein interessantes Anliegen. Nicht ganz zustimmen könne er ihm, was die Kulanz der Vermieter*innen von Gewerberäumen betreffe oder ihr Bemühen, langjährige Mieter*innen zu halten. Sein Eindruck möge daran liegen, dass zu ihnen nur Menschen mit Problemen kämen wie Mieterhöhung, Kündigung und Verdrängung. Da werde jede Möglichkeit genutzt, um alte Mieter*innen loszuwerden, damit ein vermeintlich oder tatsächlich lukrativerer Vertrag abgeschlossen werden kann, auch jetzt zu Corona-Zeiten. Allgemein sehe die Situation der Gewerbetreibenden so aus, dass die stets befristeten Verträge in der Regel nicht fortgesetzt würden oder sich die Miete um das Doppelte und noch mehr erhöhe. Mieten von 38 €, wie sie eine Luxemburger Firma gerade in der Oranienstraße fordere, seien von Gewerbetreibenden nicht mehr zu erwirtschaften. Seit März gebe es unter den Gewerbetreibenden, zu denen sie Kontakt haben, nur zwei ohne Ausfälle und sogar mit einem Umsatzzuwachs: einen Whiskey- und einen Weinladen. 90 Prozent der Gewerbetreibenden hätten Hilfen beantragt, teilweise versehentlich doppelt. Sie hätten bei Rückzahlungen geholfen. Ein anderer habe aufgrund eines Tippfehlers nur 150 Euro erhalten, aber keinen zweiten Antrag stellen dürfen, um den Fehler zu korrigieren. Insbesondere Gewerbetreibende mit Migrationshintergrund hätten die verschiedenen Förderbedingungen nicht immer im Detail erfasst. Er befürchtet Rückforderungen von denjenigen, die die Hilfe auch für die Deckung ihrer Lebenshaltungskosten verwendet haben. Da die Rücklagen aufgezehrt seien, könnten sich Rückzahlungsforderungen existenzbedrohend auswirken. Viele Mandant*innen hätten auch berichtet, dass die Vermieter*innen sich besorgt nach ihrer Lage erkundigt hätten und befriedigt gewesen seien, als sie von der Unterstützung hörten. Dass Vermieter*innen die Miete reduziert hätten, habe er nicht gehört – im Gegenteil: Einige hätten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zum Anlass genommen, den Vertrag nicht zu verlängern. Manche hätten sogar angekündigt, eingerichtete Betriebe, die sich dank Rücklagen hätten retten können, nach dem Auslaufen des Mietvertrags selbst zu übernehmen.
Vermieter*innen kommen unbeschadet durch die Pandemie
Die Vermieter*innen seien die Einzigen, die bislang unbeschadet durch die Pandemie gekommen sind. Sie rechnen mit einer Welle von Kündigungen und Geschäftsaufgaben. Vermieter*innen seien nicht bereit, eine geringere Miete zu akzeptieren, auch nicht von neuen Mieter*innen. Sie seien nicht bereit, die aktuelle Situation zu akzeptieren, sondern ließen lieber Räume leer stehen – das sehe man mancherorts schon seit zwei Jahren –, sodass die Verödung ganzer Straßenzüge zu befürchten sei. Bislang wisse er nur von einem Unternehmen, das direkt wegen Corona zum Jahresende schließen werde – eine Sportschule –, aber es würden auch noch einige Veranstaltungs- und Kulturbetriebe dazukommen. Sie halten einen rechtlichen Schutz für Gewerbemieter*innen durch ein entsprechendes Gesetz für dringend notwendig. Nach all den schlechten Nachrichten will er jetzt aber noch einen Erfolg vermelden: Aroundtown habe die Nettoeinnahmen im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem Vorjahr um 50 Prozent erhöhen können, die Aktie sei um 4,6 Prozent gestiegen.
Die Lage der Wohnungslosen
Elisa Lindemann und Judith Lahme von der Koepjohann’schen Stiftung vertreten auch den Arbeitskreis Wohnungsnot. Elisa Lindemann gibt einen Einblick in die Wohnungslosenhilfe, wo Corona wie überall für Unsicherheit gesorgt habe und viele Fragen nach wie vor ungeklärt seien, nicht zuletzt wegen der schwierigen Kommunikation mit den Ämtern.
Die Wohnungslosenhilfe sei immer ein prekäres Arbeitsfeld, doch nun komme hinzu, dass die Einrichtungen mit Gemeinschaftsküchen und Mehrbettzimmern nicht pandemiegeeignet seien. Die Kapazitäten seien begrenzt und spätestens im Herbst werde die Situation noch problematischer. Für die Menschen müsse bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden. Nach dem Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz müssten leistungsberechtigte Personen in Mehrbettzimmern untergebracht werden, aber gerade Menschen ohne Leistungsberechtigung seien besonders gefährdet und ihre Lage noch prekärer. Aufgrund von Vorerkrankungen, psychischer Verfassung oder Alter könnten besonders Gefährdete mit den bestehenden Kapazitäten nicht geschützt werden. Hygiene habe im Lockdown nicht sichergestellt werden können. Die Schwierigkeiten, tagsüber auf eine Toilette zu gehen oder sich die Hände waschen zu können, seien derzeit groß. Für Mitarbeiter*innen, die sich ansteckten, gebe es keine Lohnersatzleistungen, was für die vielen prekär Beschäftigten besonders problematisch sei, aber auch die vielen Ehrenamtlichen betreffe. Zudem verfügten sie kaum über Schutzmaterialien, und es sei ungeklärt, wer Anspruch darauf habe.
Judith Lahme ergänzt, dass die Gesundheitsämter kaum erreichbar gewesen seien, etwa um die geforderten Hygienekonzepte abzustimmen. Sie fühlten sich allein gelassen und stellten sich immer wieder die Frage, ob sie Einrichtungen schließen sollten, aber damit würde auch die letzte Anlaufstelle für Frauen geschlossen. Wegen der Hygienerichtlinien stünden aktuell von den 60 Plätzen für Frauen nur 34 bereit. Es wurden während des Lockdowns zwar zusätzliche Einrichtungen geschaffen, aber nur gemischtgeschlechtliche. Eine Unterbringung dort sei aber kein adäquater Ersatz für Frauen, von denen einige aufgrund von Gewalterfahrungen in die Wohnungslosigkeit gerieten.
Mehrkosten für die Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe
Der Lockdown habe Wohnungs- und Obdachlosen noch zusätzliche Erschwernisse gebracht: Bei der Parole „Bleibt zu Hause“ hätten sie sich oft nicht gesehen gefühlt. Sie seien noch häufiger vertrieben worden als sonst; es habe mehr Krisen, Zusammenbrüche und Suizidversuche gegeben. Noch dazu seien auch die geringsten Einkünfte der Menschen weggefallen: Es gab viel weniger Flaschen zu sammeln und keine Zeitungen zu verkaufen.
Die Einrichtungen für Wohnungslose hätten im Fall der Quarantäne Mehrkosten für Essen aufbringen müssen. Zudem habe sich die Suchtproblematik als kostentreibend erwiesen, denn Alkohol decke das Amt nicht mit den üblichen Kostensätzen, den hätten die Einrichtungen selbst finanzieren müssen.
Der AK Wohnungsnot plädiere dafür, leer stehende Hotels und Ferienwohnungen bereitzustellen, besonders für Frauen, eine diskriminierungsfreie Nutzung unabhängig von Transferleistungen zu ermöglichen und ein mobiles Unterstützungsteam aufzubauen, auch weil viele Einrichtungen immer noch nicht wieder vollständig geöffnet seien. Sie sprechen sich für die Einrichtung einer Task Force beim Gesundheitsamt bzw. beim Senat aus, die zu jedem Zeitpunkt aktiv und ansprechbar sei, um zu klären, wie mit Corona-Verdachtsfällen umzugehen sei etc. Auf den Vorschlag, während des Lockdowns wenigstens die Bäderbetriebe zu öffnen, habe es beispielsweise keine Reaktion gegeben.
Kurzfristig sei mehr Schutzausrüstung erforderlich, verbunden mit der Information, was dazugehöre, mittelfristig ein besser geschütztes Tagessegment und langfristig mehr Wohnraum ohne gesellschaftliche Hürden. Auch gelte es, öffentliche Räume nutzbar zu machen.
Antworten der Fachpolitikerinnen
Nach den Situationsberichten und Eindrücken, wo es läuft und wo was fehlt, kommen die Fachpolitikerinnen zu Wort. Gleichwohl sind auch die Bereiche Wirtschaftsförderung (Gewerbe) und Soziales (Wohnungslose) tangiert.
Katrin Schmidberger (Grüne) blickt hier auf einen größeren Teppich von Problemen, hat aber den Eindruck, dass im Bereich Wohnen erst mal vieles gelungen ist. Doch wie sei das auf längere Sicht? Wie soll es weitergehen? Sie hätten über die Regelungen der Bundespolitik hinaus dazu beigetragen, dass Mieten gestundet und Kündigungen sowie Zwangsräumungen ausgesetzt würden. Die Landesbetriebe seien unterschiedlich betroffen, gerade finde ein interner Klärungsprozess statt, wie mit den Rückständen von Gewerbetreibenden zu verfahren sei. Einer der Akteure sei etwa der Berliner Großmarkt. Sie lasse sich immer wieder über den Stand der Dinge berichten. Es gebe unterschiedliche Ansichten über die Möglichkeiten des Landes, Mieter*innen und Landesbetriebe zu unterstützen. Im NKZ beispielsweise würden die Mieten verringert oder unter bestimmten Bedingungen ausgesetzt. Sie wollen einen Antrag für den Schutz von Gewerbemieter*innen ins Parlament bringen. Die AöR der Wohnraumverwertung soll einbezogen werden. Sie möchten diesen Komplex auch in den Bundesrat bringen, doch da sei ihnen schon zu verstehen gegeben worden, dass bei anderen Ländern kein Regelungsbedarf bestehe. Ihre Sorge ist, dass die Folgen der Krise nicht gerecht getragen werden. Unklar sei, ob in der Koalition Einigkeit über die sozialpolitischen Forderungen besteht. Sie möchte den Abend auch als Möglichkeit sehen, ressortübergreifend zu sprechen, auch in Hinblick auf Ausschüsse und die parlamentarische Arbeit.
Die Debatte, das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten abzuschaffen, findet sie falsch, besser wäre es zudem, ein Landesamt für Unterbringung einzurichten, weil Wohnungs- und Obdachlose aktuell am meisten betroffen sind. Die Unterbringung von Obdachlosen in Hotels und Ferienwohnungen wird in der Koalition unterschiedlich bewertet: nicht nur finanzpolitisch, sondern ob das überhaupt eine Option wäre.
An Henrik Solf gewandt, erklärt sie zum Thema Mietendeckel und Schattenmieten, dass sie gespannt sei, ob sein Wunsch nach Klarstellung vor dem Gerichtsurteil erfüllt werde und ob sie das Ausbügeln von Fehler gemeinsam hinbekämen, denn schon das Gesetz zu verabschieden sei ein einziger Krampf gewesen, da sollte sich niemand etwas vormachen. In der Koalition hätten sie zudem noch viele andere Gesetze, die sie anpacken wollen. Auch der Vorschlag, Eigenbedarfskündigungen auf Landesebene stärker einzuschränken, werde diskutiert, ebenfalls das Thema Umwandlung. Sie sei gern bereit mitzuarbeiten, das sei aber auch eine Frage von Kapazitäten. Zudem hätten sie sich vorgenommen, das sogenannte Mietwohnungskataster einzuführen, um Transparenz auf dem Wohnungsmarkt zu schaffen, und die Grundlage für eine Erweiterung des Mietendeckels zu schaffen. All das sei runtergefallen, sie könnten es gern wieder aufnehmen, aber allein schafften sie das nicht. Für konkrete Vorschläge seien sie immer dankbar. Und um ehrlich zu sein in dieser Runde: Sie hätten nicht mehr viel Zeit, in einem Jahr sei Wahl. Deshalb müssten sie sich auf die allerwichtigsten Maßnahmen konzentrieren. Eine senatsübergreifende Task Force zu bilden sei auch nicht gelungen, sie mache sich Sorgen, ob alles noch hinzubekommen sei.
Gewerbetreibende: Zahllose Anträge auf Stundung und Mietverzicht
Gaby Gottwald (Die Linke) möchte nicht wiederholen, was Katrin Schmidberger schon gesagt hat, sondern ergänzen und beim Stichwort Mietendeckel anknüpfen. Das Thema sei Corona-unabhängig, deshalb wolle sie jetzt nur kurz darauf eingehen. Sie habe bislang nichts davon gehört, dass jemand das Gesetz zum Mietendeckel aufmachen wolle, bevor vom Verfassungsgericht ein Go gekommen sei, das heißt, die Landeskompetenz festgestellt worden sei. Es müsse dann wahrscheinlich sowieso noch was geändert werden. Dass jemand vor dieser Grundsatzentscheidung das Gesetz anfassen werde, hält sie für unrealistisch. Das Wichtigste sei aktuell die Frage, ob es durchkomme oder nicht.
Die Eigenbedarfskündigung gehöre zu den Themen, die in die nächste Koalitionsverhandlung eingebracht würden. Es sollte aber schon vorbereitet werden, was das Gesetz, sollte es das geben, beinhalten soll. So würde zumindest sie persönlich das planen.
Was Verstöße gegen den Mietendeckel betreffe, sollen sich Betroffene unbedingt an das Bezirksamt oder ans Wohnungsamt wenden. Sobald die Stellen besetzt seien, was sich wegen Corona verzögert habe, würden die Ämter Unterlassungsverfügungen erwirken. Schattenmieten seien illegal. Dazu gebe es bereits Präzedenzfälle, weil der Mieterverein geklagt habe. Und es sei nicht nur illegal, einen höheren Betrag zu nehmen, sondern auch diesen für einen späteren Zeitpunkt zu vereinbaren.
Ein großes Feld seien die Gewerbemieten. Eine Handhabung könne im Grundsatz nur auf Bundesebene festgelegt werden. Dafür sei jetzt ein guter Zeitpunkt, denn allein bei den Landesunternehmen gebe es zahllose Anträge auf Stundung und Mietverzicht. Auch sie hat den Eindruck, dass nicht mit den Wohnungen, sondern mit den Gewerberäumlichkeiten gerade die meisten Schwierigkeiten verbunden sind. Das Schlimmste, befürchtet sie, werde wohl noch kommen. Zu den Folgen würde auch eine hohe Arbeitslosigkeit zählen. Es sollte daher Druck auf Bundesebene ausgeübt werden. Preisregelungen, Mietspiegel und Ähnliches wären mögliche Instrumente. Eine Vereinbarung über die Gewerbemieten hinzubekommen sollte möglich sein.
Ein Antrag, die Landesunternehmen zu veranlassen, nicht nur zu stunden, sondern auch auf Mieten zu verzichten – was in Einzelfällen schon geschehe –, um ein Zeichen zu setzen, wurde schon eingebracht, allerdings vom Finanzsenator blockiert. Um ein Konzept „Wie kommen wir zu Mietverzicht?“ gebe es gleichwohl viele interne Diskussionen. Gerade für Gastronomiebetriebe seien die Mieten auch schon reduziert worden. Sogar ein Vorschlag des ZIA liege vor, auf einen Teil der Miete – etwa 25 Pozent – zu verzichten und einen Teil durch Zuschüsse decken zu lassen. Sie habe sich gewundert, dass so große Verbände so weit gehen. Umso bedauerlicher, dass der Bund nicht weiterverhandelt und das Thema habe fallen lassen. Es sei die Sorge aufgekommen, dass durch Mietzuschüsse die Immobilienwirtschaft gefördert werde. Das wollten sie selbstverständlich auch nicht, daher würden sie in einer AG ein Konzept entwickeln, wie bei Mietverzicht gefördert werden könne, ohne einfach nur die andere Seite zu füttern. Sie hätten noch nicht geprüft, ob ihre Überlegungen für dieses Dreiecksverhältnis rechtlich umsetzbar seien. Mieter*innen und Vermieter*innen hätten einen rechtlich bindenden Vertrag, den der Staat nicht übernehmen könne. Wenn sie sagen, der Vermieter soll das Geld nicht nehmen, sei immer noch die Frage, wie dem Mieter aus der misslichen Lage zu helfen ist. Sie seien weiterhin sehr engagiert, eine Lösung des Problems zu finden. Sicher sei, dass mit einem Mietverzicht kalkuliert werden müsse, um nicht die Immobilienwirtschaft zu fördern. Nach der jüngsten Statistik, die die Situation Ende Juni abbilde, wurden bei den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften 1470 Anträge auf Mietstundungen im Volumen von 1,7 Mio. Euro gestellt. Im Gewerbebereich seien 831 Anträge im Volumen von 7 Mio. Euro eingegangen. Die Anträge auf Mietverzicht seien im Wohnungsbereich sehr klein.
Sie wolle sich nicht näher zur Sozialthematik äußern – dazu könne Ülker Radziwill mehr sagen –, doch es gebe eine Debatte in der Sozialbehörde, den Spielraum des ASOG bis hin zu Beschlagnahmungen besser auszunutzen, um Wohnraum in Notsituationen bereitstellen zu können. Doch wo da die rechtlichen Möglichkeiten bzw. Grenzen liegen, kann sie ad hoc nicht sagen und möchte sich da nicht verrennen.
Nutzung der Soforthilfe des Bundes überarbeiten
Rouzbeh Taheri verliest eine Nachricht von Iris Spranger. Sie schickt Grüße und entschuldigt sich, dass sie erst ein technisches Problem mit der Einwahl hatte und nun einen anderen Termin wahrnehmen muss. Sie habe sich zwar nicht selbst zu Wort melden, aber alles hören können, daher hat sie ihre Stellungnahme schriftlich formuliert: Sie und die Berliner SPD setzen sich dafür ein, dass die Nutzung der Soforthilfe des Bundes noch mal überarbeitet wird und sie auch für andere dringliche Angelegenheiten genutzt werden kann, analog zur Berliner Soforthilfe. Zum Thema Gewerbemieten gibt es eine Bundesratsinitiative, einen Gewerbemietendeckel einzusetzen, bis jetzt leider nicht erfolgreich. Sie setzt sich dafür ein, dass der Kündigungsschutz verlängert wird.
Wohnungslosenhilfe in den Nachtragshaushalt
Auch Ülker Radziwill, Vorsitzende des Ausschusses für Stadtentwicklung und sozialpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, sieht die Lösung eines Großteils der aktuellen Probleme abhängig von der Bundespolitik. Sie wünscht sich von Herzen, dass die SPD nicht weiter mit den Schwarzen koaliert, denn in vielen Bereichen müssten sie leider mit einem Koalitionspartner agieren, der nicht so sozial eingestellt sei. Für sie könne es gern Rot-Rot-Grün geben, denn dann könne ganz anders angesetzt werden. Sie habe sich schon 2009 für eine Mietpreisbremse eingesetzt.
Jedes der angesprochenen Themen sei abendfüllend. Ein roter Faden ziehe sich allerdings hindurch: Was macht Corona mit uns dort, wo wir wohnen, wo wir Geld verdienen, und wie können wir das alles sichern? Es gehe im Kern darum, die Daseinsvorsorge zu stärken. Die, die es schon vorher schwer hatten, habe Corona noch stärker getroffen als andere. Dadurch würden enorm viele Hilfspakete auf Bundes- und auf Landesebene notwendig, da sei längst noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht. Das Land Berlin habe schon beschlossen, in die Neuverschuldung zu gehen, um in der Krise die Menschen nicht allein zu lassen und weil auch nicht der Gürtel enger geschnallt werden soll. Und ganz klar: Nach der Corona-Krise werde sich die Frage stellen, ob die bisherige Art des Wirtschaftens noch sinnvoll sei.
Zu den mietpolitischen Themen habe sich Frau Spranger schon knackig geäußert. Sie ergänzt, dass es auch gelte, die Gewerbemieten sicherer zu machen. Die Finanzkrise seinerzeit sei gut überwunden worden, weil Berlin eine kleinteilige Gewerbestruktur habe. Diese zu sichern sei notwendig, denn die Gewerbe machten die Vielfalt einer Stadt aus, und es müssten auch die Arbeitsplätze erhalten werden. Deren Verlust könne sozialpolitisch sowieso nicht aufgefangen werden. Sie begrüßt daher auch die Verlängerung des Kurzarbeitsgeldes.
Beim Thema Mieten sei generell eine Verbesserung auf Bundesebene notwendig, auch in Hinblick auf städtische Unternehmen und ihre Möglichkeiten, unter individueller Betrachtung Stundungen über längere Zeiträume zu vereinbaren. Da müssten aber ganz klar auch die privaten Vermieter*innen in die Pflicht genommen werden – unter Verweis aufs Grundgesetz: Eigentum verpflichtet. Es könne nicht nur kurzfristig auf Gewinn geschaut werden, sondern es bestehe auch eine Verpflichtung zur sozialen Mitgestaltung.
Im Bereich der Sozialpolitik sei die Koalition sehr bemüht um Unterbringungsmöglichkeiten für Menschen ohne Obdach in Hotels und Ferienwohnungen, damit sie in Zeiten der Pandemie eine adäquate Unterkunft haben. Am nächsten Tag finde im Ausschuss Arbeit und Soziales im Abgeordnetenhaus online ab 9 Uhr eine Diskussion zur Unterbringung von Wohnungslosen statt. Dabei gehe es um ein Tool, das einen Überblick verschaffen soll, welche Arten von Unterbringungsmöglichkeiten vorhanden sind. Wie können diese den Menschen angeboten werden? Wie finden die Bezirksämter die Räumlichkeiten? Zudem sei die bedarfsgerechte Unterbringung von Frauen ein Thema. Die werde wohl noch etwas auf sich warten lassen, aber wenigstens ein Anfang sei gemacht. Sie könne die Forderungen der taffen Vertreterinnen der Koepjohann’schen Stiftung nur unterstützen, in dem Bereich brauche es mehr Plätze und Ressourcen. Diese Notwendigkeiten sollten auch in den Nachtragshaushalt einfließen, daher hätte sie von den beiden gern etwas schriftlich. Hier handele es sich um sinnvolle Investitionen, denn bald stelle sich wieder die Frage, wie die Leute in der Kälte unterzubringen seien. Sie habe sich schon dafür eingesetzt, die Kältehilfe einen Monat früher starten und einen Monat länger laufen zu lassen. Aber auch ganzjährig seien mehr Angebote dringend erforderlich. Die Forderungen im Zusammenhang mit dem ASOG unterstreicht sie auch. Es gebe sehr viele ASOG-Unterbringungen, aber die staatlichen und gesetzlichen Aufgaben würden längst nicht erfüllt. Das müsse sozialpolitisch korrigiert werden.
Info-Blatt für Wohnungsmietende
Dr. Sandra Obermeyer, Abteilungsleiterin der Senatsverwaltung Stadtentwicklung und Wohnen, sieht sich als Mitarbeiterin der Verwaltung ganz am Ende für die Umsetzung zuständig. Für heute Abend sei sie eher auf die Folgen der Pandemie eingestellt als auf den Mietendeckel. Henrik Solf habe aber schon auf die Probleme hingewiesen, die im Augenblick im Zusammenhang mit der Umsetzung des Mietendeckels auftreten, etwa die Schattenmiete, dem habe sie nichts hinzuzufügen. Wie Gaby Gottwald sieht sie nicht, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt Verbesserungen des Mietendeckels in Angriff genommen werden. Sie seien gerade mit mehreren Verfassungsbeschwerden und Normenkontrollen beim Bundes- und beim Landesverfassungsgericht beschäftigt. Ihre Schriftsätze seien fertig, und sie hoffe sogar, dass das Gesetz kommt, gerade weil sie die Kompetenz haben, als Land etwas zu regeln. Im Vorfeld der Diskussion zum Gesetzgebungsverfahren sei das Thema Eigenbedarfskündigung herausgelassen worden, da es auf der Kompetenzgrundlage, von der sie ausgegangen seien, rechtlich weniger gut abgedeckt sei als preisrechtliche Regelungen.
Sie stünden im engen Austausch mit den Bezirken, haben die Ausführungsvorschriften erstellt sowie die IT-unterstützte Anwendung, damit die Neueingestellten ohne viel Einarbeitung in die Umsetzung gehen können. Verstöße könnten beim Bezirksamt und bei der Senatsverwaltung selbst gemeldet werden.
Zum Thema Pandemie erklärt sie, dass sich in der Verwaltung eher die Fragen stellten, welche Auswirkungen es gebe und wo Steuerung notwendig sei. Ihr Gesamteindruck decke sich mit Henrik Solfs Beobachtungen: Die Ausfälle im Wohnbereich seien geringer als im Gewerbesegment. Die Unterstützungen für die Mietenden hätten gefruchtet. Sie hätten sich für die Verlängerung des Schutzes über den Juli hinaus eingesetzt und sich auch im entsprechenden Bundesministerium eingebracht, doch ohne Erfolg. Die Zahlen, die Gaby Gottwald genannt hat, kann sie bestätigen, aktuelle Zahlen lägen ihr erst wieder im September vor. Dann sei auch erst abzusehen, ob das dicke Ende noch komme. Die Wohnungsunternehmen hätten aber schon Vereinbarungen zu Ratenzahlungen mit Gewerbetreibenden sowie mit Wohnungsmietenden geschlossen.
In Absprache mit Verbänden wie dem BBU und Haus und Grund hätten sie ein Infoblatt für Wohnungsmietende erstellt, um auf Unterstützungsmöglichkeiten wie Wohngeld hinzuweisen. Das sei auch für Gewerbemietende geplant. Manche Gewerbetreibende seien womöglich überfordert, wie auch anfangs vom Vertreter des KiGE geäußert worden sei. Dazu gebe es eine Absprache mit der Wirtschaftsverwaltung. Städtische Unternehmen seien bis Ende September an die Berliner Schutzfrist gebunden. Corona habe zwar bestehende Probleme verschärft, sie sehe da aber eher Einzelfälle.
Zum Thema Wohnungslosigkeit könne sie für die Senatsverwaltung Wohnen und Stadtentwicklung nur begrenzt Stellung nehmen, möchte aber darauf hinweisen, dass die LWUs sich daran beteiligten, ein geschütztes Segment des Marktes zu stärken. Dazu würden auch private Vermieter*innen beitragen, allerdings auf sehr niedrigem Niveau. Nach der Kooperationsvereinbarung sollten bei Neuvermietungen, für die zu 60 Prozent Menschen mit WBS berücksichtigt werden sollen, von Obdachlosigkeit Bedrohte vorgezogen werden. Die LWUs übererfüllten ihre Quote sogar eher.
Nachfragen und zusätzliche Bemerkungen in der Diskussion
Katrin Schmidberger hat noch ein Detail vergessen und ergänzt, dass schon beim ersten Nachtragshaushalt aufgrund von Corona Unterstützungsmöglichkeiten für Gewerbetreibende diskutiert worden seien. Bei den Überlegungen zur Umsetzung sei darauf hingewiesen worden, dass die LWUs aus juristischen Gründen gar keine Möglichkeit hätten, Mieten zu erlassen. Das wundere sie, und wer darüber noch mal diskutieren wolle, könne sich gern melden.
Die folgenden Äußerungen beziehen sich auf verschiedene Punkte, die von den Fachpolitikerinnen angesprochen wurden.
Stefan Klein beobachtet, dass allgemein die rechtliche Kenntnis zum Mietendeckel fehle, so sei zum Beispiel ein Mieterhöhungsverlangen im üblichen Stil mit Kappungsgrenze usw. von Mieter*innen für rechtens gehalten worden. Das werde noch verschärft durch Amtsrichter wie jenen in Tiergarten, der einer Mieterhöhung in der Karenzzeit stattgegeben habe. Das andere sei, dass rund 50 Prozent der Fördermittel des Senats für die Miete aufgewendet würden, deshalb hätten die Gewerbe gehalten werden können, doch seien die Mittel und die Reserven aufgebraucht. Er fürchtet, dass der Herbst für die Gewerbetreibenden hart wird. Und: Angesichts der heute formulierten Unterstützungen seitens der SPD habe er den Eindruck, es gebe zwei SPDen.
Nicole Lindner berichtet, dass es wieder Zwangsräumungen gebe, obwohl die Pandemie andauere und es auch keine Unterkünfte mehr gebe. Es sei sehr wichtig, dieses Problem wieder anzusprechen und Zwangsräumungen abzuschaffen bzw. zu verhindern.
Steffen Doebert weist auf den aktuellen Leerstand von vielen bezugsfertigen Häusern hin. Die bekanntesten seien die Häuser in der Habersaathstraße mit 85 bezugsfähigen Wohnungen. Das Haus habe der Charité gehört und sei nun im Besitz eines privaten Investors. Dort hätten zuvor Frauen vor Missbrauch und Gewalt Zuflucht gefunden. Da hätte man doch die Möglichkeit von Beschlagnahmung und Zwangsverwaltung. Es sei diesbezüglich auch schon einiges in Bewegung, und er wüsste gern, wie der aktuelle Stand ist. Eine andere Sache sei die Eigenbedarfskündigung, die sehr häufig missbraucht würde. Wie werde hinterher kontrolliert, ob sie tatsächlich berechtigt war?
Auch Rouzbeh Taheri erlebt Unsicherheiten in Hinblick auf den Mietendeckel und möchte wissen, wie die Senatsverwaltung aufgestellt ist, wenn im November Verstöße beim Senat gemeldet werden können. Kann sie das bewältigen oder wird sie in der Flut von Anträgen untergehen?
Antwort aus der Verwaltung
Dr. Sandra Obermeyer erklärt, dass sie noch im Aufbau der Verwaltungseinheit seien. Wegen Corona konnten sie mehrere Monate lang keine Auswahlverfahren durchführen, aber auch nicht nach Aktenlage einstellen, denn die neuen Mitarbeiter*innen müssten ein neues komplexes und anspruchsvolles Gesetz umsetzen, das medial unter Beschuss stehe und vors Bundesverfassungsgericht komme. Die Arbeitsprozesse inklusive IT seien definiert, auch mit den notwendigen Dienstleistern, und die Räumlichkeiten vorbereitet. Sie sind optimistisch, dass sie die Aufgaben bewältigen können. Als Verwaltung sind sie in der Pflicht, das Gesetz umzusetzen. Obwohl es ein Verbot ist und man daher annehmen sollte, dass sich damit alles von selbst regelt, hätten sie es mieterfreundlich gestaltet.
In Bezug auf die beobachtete Unkenntnis, erklärt sie, dass die Informationen auf der Website der Senatsverwaltung übersichtlich seien, man könne bei der Beratung anrufen, sich an die Bezirke und bezirkliche Beratungsstellen wenden, es habe Fortbildungen und Ähnliches gegeben.
Was die Zweckentfremdung durch Leerstand in der Habersaathstraße betreffe, sei der Bezirk Mitte schon länger damit beschäftigt. Auch ihre Senatsverwaltung hätte das Problem erreicht. Der Bezirk und die zuständige Stadträtin könnten dazu Auskunft geben.
Judith Lahme von der Koepjohann’schen Stiftung informiert, dass sie die Mail an Ülker Radziwill schon verschickt hätten, und umreißt noch grob die wichtigsten Erfordernisse: Schon kurzfristig müsse in den ASOG-Einrichtungen was passieren und eine gesamtstädtische Steuerung sowie eine Entwicklung von Standards seien vonnöten. Langfristig aber – das zu sagen sei ihnen wichtig – müssten sie rauskommen aus dem ASOG-System und aus der Kältehilfe. Und beim Leerstand müsse dringend etwas passieren.
Steffen Doebert möchte wissen, warum der Zwangsräumungsschutz nicht verlängert werde, während Corona weiterhin da sei.
Katrin Schmidberger bedauert es sehr, dass Zwangsräumungen Anfang Juli wieder möglich geworden seien. Sie habe damals nachgefragt, warum die Frist nicht verlängert werde, und als Antwort bekommen, dass seitens der Gerichtsvollzieher und der Amtsgerichte eine Abfrage bei den Sozialämtern stattgefunden habe, ob sie Zwangsgeräumte unterbringen könnten. Bei einem Ja des jeweiligen Bezirksamts würden die Zwangsräumungen wieder aufgenommen. Sie wundere es auch, dass in dieser Ausnahmesituation keine politische Entscheidung für ein Verbot von Zwangsräumungen erlassen werden könne.
Henrik Solf kann Katrin Schmidberger leider nur zustimmen und erklärt, dass es sich dabei um eine Grauzone handele. Zu Beginn der Pandemie seien alle von der Gesamtsituation sehr beeindruckt gewesen, aber dann hätten einige Jurist*innen mal genauer geschaut und festgestellt, dass auf Landesebene oder von einzelnen Gerichten über eine Angelegenheit wie Zwangsräumung nicht entschieden werden könne, das sei nur auf Bundesebene möglich.
Zu den zwei SPDen erklärt Ülker Radziwill, dass es natürlich nur eine gebe – seit mehr als 150 Jahren –, diese habe aber Flügelchen, und nur wenn die gut miteinander arbeiteten, könne man gut fliegen. Deshalb sei es wichtig, eine starke linke SPD zu haben, um etwas ändern zu können. Zum Mietendeckel erklärt sie, dass es ein Erfolg für die Stadt sei, wenn er Bestand habe, Schattenmieten dagegen seien eine große Dreistigkeit wie auch die Menschen in eine solche Situation zu drängen. Die Kernfrage sei, ob Bundesländer weitreichende Regelungen im Mietrecht erlassen dürfen. Wenn diese Kernfrage gelöst werden könnte, stünden viele Möglichkeiten offen. Deshalb sei der Mietendeckel auch so spannend, er habe weit reichende Chancen, wenn er klappen sollte. Die Diskussion würden sie alle sicher noch fortsetzen.
Zu Zwangsräumungen ergänzt Dr. Sandra Obermeyer, dass deren Aussetzung für senatseigene bewohnte Wohnungen noch gelte.
Auch Gaby Gottwald hat die Schattenmiete als gängige Praxis und Gesamtstrategie der Immobilienwirtschaft festgestellt. Sie habe sie von teuren Anwälten ausarbeiten lassen, und sie habe sich in allen Mietverträgen gefunden, die sie bislang gesehen habe. Der Mieterverein bestätige das. Sie ist der Meinung, dass die Schattenmiete illegal ist, denn das Gesetz sagt, dass es keine zweite Vereinbarung geben darf – was die Immobilienlobby ganz anders sehe –, und eine rückwirkend höhere Miete für den Fall, dass der Mietendeckel gekippt wird, sei wohl auch kaum möglich. In dieser Frage gebe es viele verschiedene Meinungen, letztlich zähle dann die Mietpreisbremse. Es gebe lauter Wenns und Abers und ein widersprüchliches Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Trotz aller Unklarheiten gelte es aber, in die Offensive und in die Breite zu gehen und das Thema neu aufzulegen. Auf den Websites des Senats, des Mietervereins und von vielen Inis seien Informationen zu finden. Die Mieter*innen müssten dazu gebracht werden, zum Senat und zum Bezirksamt zu gehen, damit die Menschen auf den eigens geschaffenen Stellen in Aktion treten könnten. Es müsse ein Bedrohungspotenzial gegen die Vermieter*innen aufgebaut werden, das habe wegen Corona bisher leider nicht stattgefunden. Man dürfe aber nicht die Geduld verlieren. Der Mieterverein habe sehr schön gesagt, dass der Mietendeckel nur ein Gesetz sei, Wirklichkeit werde er erst, wenn die Mieter*innen sich aktiv dafür einsetzten.
Rouzbeh Taheri fasst zusammen, dass anders als bei den anderen Hearings, auf denen Diskussionen zu einem bestimmten Thema in die Tiefe gingen, diesmal ganz unterschiedliche Bereiche zur Sprache gekommen seien, um einen Gesamteindruck der Situation in Corona-Zeiten zu bekommen. Einige direkte Kontakte hätten sich auch schon daraus ergeben.
Zu den Themen Gewerbemieten, Wohnungs- und Obdachlosigkeit und weiteren einzelnen Aspekten sollen in den kommenden Monaten Diskussionsveranstaltungen stattfinden. Dazu bringen die Initiativen des Forums ausgearbeitete Konzepte ein.
Wenn die Kompetenz der Länder zur Gesetzgebung in Mietrechtsfragen vom Bundesverfassungsgericht bestätigt würde, gäbe es viele Möglichkeiten, wie sich Regelungen weiter ausgestalten lassen.
Die Probleme im Zusammenhang mit Obdachlosigkeit gehen noch viel tiefer als gemeinhin gedacht, etwa bei Menschen, die keinen Zugang zu Sozialleistungen haben. Wegen der Situation in Süd- und Osteuropa werde sich die Lage womöglich verschärfen.
Er dankt allen für die Teilnahme und kündigt das nächste Hearing für November an.