„Zur Notwendigkeit der Schärfung des mietenpolitischen Instruments“

Hearing der wohnungspolitischen Initiativen am 25. November 2020 als Online-Konferenz, 18 bis 21 Uhr

Begrüßung

Fabian Steinecke und Rouzbeh Taheri begrüßen die Anwesenden. Rouzbeh Taheri übernimmt die Moderation, gibt technische Erläuterungen und informiert, dass die Veranstaltung aufgezeichnet wird. Wer nicht im Bild sein möchte, soll bitte seine Kamera ausschalten und den Namen löschen. 

Er stellt die Teilnehmenden vor: Vonseiten der Initiativen sprechen Alban Becker von der MieterWerkStadt Charlottenburg, Oleg Myrzak, Nils Werner und Lothar Gröschel vom Mieterforum Pankow sowie Lorena Jonas von „23 Häuser sagen nein“, vonseiten der Politik Wenke Christoph, Staatssekretärin für Wohnen, Katrin Schmidberger (Bündnis 90/Die Grünen), Gaby Gottwald (Die Linke) und Ülker Radziwill (SPD).

Charlottenburg: Milieuschutzgebiet erst nach Einwohnereintrag

Alban Becker stellt die MieterWerkStadt Charlottenburg vor, die sich 2013 gegründet hat, um der fortschreitenden Verdrängung etwas entgegenzusetzen, etwa durch die Ausweisung eines Milieuschutzgebiets. Im Herbst 2016 habe die Initiative einen Einwohnerantrag eingereicht, um bald darauf mit der Sammlung der erforderlichen Unterschriften für ein Erhaltungsgebiet im Bereich Klausener Platz/Schlossstraße/Amtsgerichtsplatz zu beginnen. Im Mai 2017 hätten sie der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf 1. 500 Stimmen übergeben. Die Verordneten nahmen den Antrag vollständig an und überwiesen ihn an den Stadtplanungsausschuss, der mehrheitlich dafür stimmte. Doch erst anderthalb Jahre später sei die Meldung im Amtsblatt erschienen. Ein weiteres halbes Jahr später sei eine Haushaltsbefragung durchgeführt worden, um schließlich unter fadenscheinigen Gründen nur ein Viertel der geforderten Fläche als Milieuschutzgebiet auszuweisen. Eine Akteneinsicht habe nicht viele Antworten gebracht, denn die entscheidenden Gespräche seien nicht oder nur unvollständig protokolliert worden. 

Trotz beschleunigter Verdrängung und all der Spekulation habe sich das Bezirksamt jahrelang davor gedrückt, Milieuschutzgebiete auszuweisen. Bis 2019 seien in Charlottenburg-Wilmersdorf nur zwei Erhaltungsgebiete festgelegt worden; von einem Versuch, das Vorkaufsrecht in Anspruch zu nehmen, sei bis heute nichts bekannt. Obwohl der Milieuschutz kein Allheilmittel gegen Verdrängung ist, sei er bei Spekulanten und ihren politischen Kreisen unbeliebt, weil er Sand ins Getriebe streue. Die zur Verfügung stehenden Instrumente des Mieter*innenschutzes – Erhaltungsgebiete und das Vorkaufsrecht bzw. die Abwendungsvereinbarung –, müsste der Bezirk viel stärker nutzen. Doch das setze den politischen Willen und das Wollen der BVV voraus. Allerdings sei die Verwaltung sehr schlecht aufgestellt: Mehr als 380 Vollzeitstellen von 1 .840 ausfinanzierten Stellen sind nicht besetzt. Alban Becker vermutet, dass alles vermieden wird, was zusätzliche Arbeit bedeutet, wie Milieuschutz und die Wahrnehmung des Vorkaufsrechts. 

Nach einer Demo im vergangenen Sommer kam es zu einem Antrag in der BVV, nun doch das gesamte Gebiet zwischen Klausener und Amtsgerichtsplatz, wie im Einwohnerantrag gefordert, als Milieuschutzgebiet festzulegen. Das Bezirksamt wurde zur Umsetzung aufgefordert. 

Ständig werden Häuser in Eigentumswohnungen umgewandelt

Der Mieterwerkstadt ist bekannt, dass die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung Milieuschutzgebiete für ein wirksames Instrument hält und deren Umsetzung in den Bezirken auch unterstützen möchte. Daraus könnten sich konkrete Schritte, finanzielle Unterstützung und Hilfe bei der Personalbeschaffung ableiten. Zudem gelte es, sich auf Bundesebene für ein Gesetz starkzumachen, das die Ausübung des Vorkaufsrechts oder eine Abwendungsvereinbarung auch außerhalb von Erhaltungsgebieten ermöglicht. In ihrer Nachbarschaft würden unablässig Hauskomplexe entkernt, modernisiert und in Eigentumswohnungen umgewandelt oder nach jahrelanger vorsätzlicher Vernachlässigung gleich ganz abgerissen, damit ihre Eigentümer sie profitabler nutzen könnten, beispielsweise durch den Bau von Eigentumswohnungen. Wann begreife die Politik in Land und Bund endlich, dass Wohnungen keine Gebrauchsgegenstände sind und dass Mieter*innen mehr Schutz brauchen? Wem gehöre die Stadt, wer bestimme, wer hier wohnen darf, wer verantworte ihren Ausverkauf? Es sei ihnen bewusst, dass eine ganze Reihe von Bundesgesetzen geändert werden müsste, um den Mieter*innenschutz zu verbessern. Doch sobald der Mietendeckel auslaufe, würden die Modernisierungsumlagen des modernen Raubrittertums wieder in die Höhe schnellen.

Auch das Geldwäschegesetz gehöre dringend reformiert, um zu vermeiden, dass Schwarzgeld weiterhin ungehindert in Immobilien fließe, und es müsse eine Offenlegung der Besitzverhältnisse erzwungen werden. In keinem anderen Land sei es Hauseigentümer*innen möglich, vor Mieter*innen und Liegenschaftsamt ihre Identität zu verbergen. 

Der erste und nächste Schritt sei aber in jedem Fall, mehr soziale Erhaltungsgebiete einzurichten.

Pankow prüft das Vorkaufsrecht, übt es aber kaum aus

Für das Mieterforum Pankow spricht Oleg Myrzak: Pankow hat 13 Milieuschutzgebiete und liegt damit berlinweit an der Spitze, gefolgt von Mitte mit zwölf Erhaltungsgebieten. Das Vorkaufsrecht werde hingegen nur zögerlich ausgeübt: Die Auswertung der getätigten Vorkaufsrechte ist erst seit 2019 möglich und zeigt folgendes Ergebnis für die laufende Legislaturperiode: 2016 passierte nichts; 2017 wurden drei Abwendungsvereinbarungen geschlossen; 2018 ein Vorkaufsrecht für die Gleimstr. 56 ausgeübt und neun Abwendungsvereinbarungen getroffen; 2019 wurde zwei Häuser durch das Vorkaufsrecht kommunalisiert und zehn Abwendungsvereinbarungen geschlossen; 2020 wurden vier Vorkäufe getätigt. Die Zahl der Abwendungsvereinbarungen wird erst 2021 bekanntgegeben. Bei der Prüfung der Vorkaufsrechte war Pankow 2018 mit 51 Fällen wiederum berlinweit auf Platz eins. 2019 wurde 18-mal geprüft. Insgesamt wurden in Pankow 140 Wohn- und fünfzehn Gewerbeeinheiten kommunalisiert.

Zum Vergleich: 2018 kommunalisierte Friedrichshain-Kreuzberg 242 Wohneinheiten, 2019 waren es 197.

Das Mieterforum Pankow zeigt ein Video, das in Kooperation mit der Hausgemeinschaft Gleimstr. 56 entstand und den Milieuschutz und das Vorkaufsrecht erklärt. Es gebe rund 60 Milieuschutzgebiete in Berlin, teils schon seit den 90ern. Pankow agiere beim Vorkauf jedoch sehr zurückhaltend und agiere intransparent. Die Bilanz mit fünf Häusern sei dementsprechend schlecht. Ein erfolgreiches Beispiel sei die Gleimstraße 56 mit 30 Wohneinheiten, die nun in kommunalem Besitz sei. Der Weg dahin sei extrem anstrengend gewesen und nur dem unermüdlichen Einsatz der Mieter*innen zu verdanken. Einige erzählen in dem Video von ihren Aktionen und den Verhandlungen. Nun gehöre das Haus der Gesobau, und die Lage sei deutlich besser als zuvor und als alles, was sie zu erwarten hatten. Sie hätten in ihrem Zuhause eine Zukunft und gute Ansprechpartner*innen, auch während der Corona-Krise, und könnten sich an der Gestaltung der Grünflächen beteiligen. Zudem seien sie zu einer guten Hausgemeinschaft zusammengewachsen. 

Zum Vorkauf kommt es nach nach sechs Demonstrationen

Lothar Gröschel, ein Bewohner der Gleimstraße 56, ergänzt, dass sie eine außerordentlich starke Öffentlichkeitsarbeit und sechs Demos auf die Beine gestellt hätten, denen sie viel Medienpräsenz verdankten. Zudem hätten sie einen Verein gegründet. Sie seien heute sehr froh, dass sie zu akzeptablen Preisen in ihrem Haus bleiben konnten, und würden alle ermutigen, es ihnen gleichzutun. 

Nils Werner erzählt von seinen Erfahrungen in seinem Haus, für das 2018 eine Abwendungsvereinbarung unterzeichnet wurde. Was außer dem Umwandlungsverbot noch ausgehandelt worden sei, hätten die Mieter*innen nicht erfahren. Nach langem Drängen hätten sie im Bezirksamt unter Aufsicht die Unterlagen einsehen, aber nicht fotografieren dürfen, weil Geheimhaltung vereinbart worden sei. Erst als sie sich Unterstützung von „Frag den Staat“ geholt hätten, sei die Vereinbarung veröffentlicht worden. Er setzt sich für mehr Transparenz ein, die Mieter*innen müssten wissen, was ausgehandelt wurde, denn sie seien diejenigen, die Verstöße feststellten, auch viele Jahre später noch. Aus rechtlichen Gründen dürften sie bei den Verhandlungen nicht dabei sein, daher sei es umso wichtiger, die unterzeichnete Vereinbarung zu erhalten.

Bezirksübergreifend: Wem gehört was?

Lorena Jonas von „23 Häuser sagen nein“ bestätigt die Erfahrungen ihrer Vorredner. Sie haben sich im Mai 2020 gegründet, als das Kaufvorhaben der Deutsche Wohnen bekannt wurde. Für insgesamt 16 Häuser in Erhaltungsgebieten seien Abwendungsvereinbarungen unterzeichnet worden. Sie hätten in dem Prozess viel gelernt, seien aber auch an Grenzen gestoßen: ihre eigenen und die der Gesetzgebung. Zwar ist das Vorkaufsrecht ein Bundesgesetz, trotzdem möchte sie über dessen Umsetzung auf Landesebene sprechen und über die Bereiche mit dem – ihrer Erfahrung nach – dringendsten Handlungsbedarf: die Transparenz der Eigentumsverhältnisse, das Geld, den Prozess der Ausübung des Vorkaufsrechts, das große Konfliktfeld der Abwendungsvereinbarungen und darüber, was das Land Berlin tun könnte, damit die Kommunalisierung wirklich gelingt.

Die Intransparenz der Eigentumsverhältnisse soll durch ein Immobilien- und Mietenkataster beendet werden. Das würde auch die Ausübung des Vorkaufsrechts erleichtern, umso mehr als die Ingangsetzung des Prozesses dahin immer noch entscheidend von der Organisierung der Mieter*innenschaft abhänge. Die Politik könne erst agieren, wenn sie Basisinformationen hat, wenn sie weiß, wem was gehört, wer verkauft und kauft, wer davon betroffen ist. Diese Kenntnisse seien bei den großen Playern wichtig, deren Käufe ein Politikum sind, aber auch bei den vermeintlich kleinen Unternehmen, die in Berlin vielleicht noch nicht vorbelastet sind, aber trotzdem umwandeln wollen. Doch in diesem Segment gäbe es keine besonderen Ambitionen, das Vorkaufsrecht geltend zu machen. Sogar innerhalb der Marktlogik sei es ein Gebot der Fairness, dass die Marktteilnehmer*innen bekannt sind. Für die landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) gelte das schon längst, aber die privaten müssten genauso sichtbar sein. Es könne nicht sein, dass es dazu nur eine sehr gute Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung gebe, denn das sei eine Aufgabe der Politik.

Zum Thema Finanzen erklärt sie, dass die Rekommunalisierung Grundvoraussetzung für Berlin sei, um wieder Souveränität über die Stadtentwicklung zu erlangen. Je kleiner der Einfluss des freien Marktes auf Immobilien und je weiter die Kommunalisierung, desto stärker werde der Einfluss auf die Preisgestaltung und desto wirksamer könne der Gier Einhalt geboten werden. Für den Vorkauf aller 23 Häuser seien ca. 50 Mio. Euro notwendig gewesen, aber nur 20 Mio. Euro waren im Fonds für kommunalen Einkauf. Das reichte natürlich nicht, sie hätten aber festgestellt, dass die LWU trotzdem bevorzugt worden seien. Genossenschaften würden noch nicht als unerlässliche Partner der Kommunalisierung betrachtet. Dabei sollten sie dringend mehr gefördert werden und leichter Landeskredite erhalten. 

Nicht alle Mieter*innen können sich lautstark wehren

Während des Prozesses zur Ausübung des Vorkaufsrechts seien ihnen erhebliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bezirksämtern aufgefallen. Manche seien sehr engagiert gewesen, andere Bezirksstadträte hätten sich nur nach massivem Drängen der Mieter*innen in Bewegung gesetzt. Als problematisch hätten sie es empfunden, dass alle um die Gelder konkurriert hätten. Ihrer Erfahrung nach würde sich insbesondere für bezirksübergreifende Paketkäufe wie von Deutsche Wohnen und Heimstaden eine zentrale Koordinierung für das Land Berlin bezahlt machen. Für ihre 23 Häuser hätten sie eine Koordinierung eingefordert, deshalb saßen die Mieter*innen mit Bezirksbaustadträten und Senatsvertreter*innen an einem Tisch. Institutionell vorgesehen sei das jedoch nicht und deshalb möchte sie die Einrichtung einer solchen Stelle dringend anregen: um die Vorkaufsmöglichkeiten zentral zu prüfen, Prozesse zu beschleunigen, landesweite Lösungen zu finden, Transparenz gegenüber den Mieter*innen zu schaffen und die potenziellen gemeinwohlorientierten Dritten mit ins Boot zu holen. Die Landesstelle sollte jeden Verkauf generell prüfen, nicht nur dann, wenn Mieter*innen sich wehrten, denn jene, die keine Kapazitäten oder Sprachbarrieren haben, werden derzeit nicht bemerkt. 

Eine Utopie sei eine landesweite Ankaufsanstalt, die die Konkurrenz der Bezirke unterbinde, geeignete Käufer*innen finden und innerhalb der kurzen Frist optimal agieren könnte. 

Abwendungsvereinbarungen veröffentlichen

Als ein großes Konfliktfeld stellen sich die Abwendungsvereinbarungen dar. Den Mieter*innen würden sie nur unwillig und nach mehrmaligen Aufforderungen ausgehändigt. In der Regel würden aber die Mieter*innen Vertragsverletzungen feststellen, nicht das Bezirksamt. Die Abwendungsvereinbarung müsse daher den Mieter*innen und ggfs. auch den Nachmieter*innen ausgehändigt werden. Ebenfalls müssten Zuständigkeiten geklärt werden. Wer kontrolliert die Einhaltung der Vereinbarungen? Warum überhaupt so ein Geheimnis aus den Abwendungsvereinbarungen gemacht werde, erschließe sich ihr nicht. Es hieß, das schwäche die Verhandlungsposition. Sie hätten erst durch Pressemitteilungen des Senats vom Abschluss der Vereinbarungen erfahren, die deren Dauer von 20 Jahren auch noch als Erfolg und Ziel ausgegeben hätten. Dabei sei das Ziel die Kommunalisierung gewesen. Allerdings hätten sie auch das zähe Ringen der Bezirksstadträte miterlebt und dass die Deutsche Wohnen erst kurz vor Ablauf der Frist die Geltungsdauer von 20 Jahren akzeptierte; das sei tatsächlich nicht selbstverständlich, sie hätten zuvor auf maximal zwölf Jahre bestanden. Daher lautet ihre Forderung, dass Abwendungsvereinbarungen eine Mindestlaufzeit von 20 Jahren haben müssten. Die zähen Verhandlungen, ob zum Beispiel mit energetischer Modernisierung nicht doch noch was herauszuschlagen ist, könnte man sich durch eine standardisierte Abwendungsvereinbarung für Berlin mit einer Laufzeit von 20 Jahren ersparen. Sie könnte im Netz öffentlich zugänglich sein. Jede*r, der in einem Milieuschutzgebiet ein Haus kaufen wolle, müsse sie unterzeichnen.

Mieter*innen außerhalb von Milieuschutzgebieten schützen

Gerade in Hinblick auf Heimstaden werfe das aber auch die Frage auf, welchen Schutz es für Häuser geben kann, die nicht in Erhaltungsgebieten stehen. Welche städtebaulichen Möglichkeiten gibt es, auch für diese Gebiete Abwendungsvereinbarungen einzufordern? Sie hätten das damals auch gefordert, aber gemerkt, dass sie als Mieter*innen nichts bewirken konnten. Wie könnten die Bezirke eine starke Verhandlungsposition erlangen, um Käufer*innen zur Einhaltung städtebaulicher Verpflichtungen unabhängig vom Milieuschutz zu bringen? In den Heimstaden-Verhandlungen habe es Bemühungen um einen analogen städtebaulichen Vertrag gegeben. Sie möchte gern wissen, wie das gehen könnte. 

Gerade sei eine Gesetzesnovelle der Baugesetzgebung des Bundes in Vorbereitung. Darin gebe es zum Vorkaufsrecht zwei Punkte: eine Fristverlängerung von zwei auf drei Monate und das Vorkaufsrecht soll auch auf ungenutzte Flächen angewendet werden. Sie möchte nun wissen, was das Land Berlin aus den Änderungen machen werde, wenn sie kommen. Wie sei der Senat für die Prüfung ungenutzter Flächen vorbereitet. Ließe sich Leerstand auch als ungenutzte Fläche deklarieren? Wie könnte die Fristverlängerung um einen Monat sinnvoll genutzt werden? Ihr Vorschlag lautet, Verkehrswertgutachten anfertigen zu lassen, da viele Häuser viel zu hoch bewertet seien. Auch wenn das noch dauern könne, ließe sich schon mal Personal dafür einsetzen.

Sie fasst zusammen, was ihr Bündnis für erforderlich hält: 

  • Immobilien- und Mietenkataster
  • mehr Geld bzw. günstige Kredite für Genossenschaften
  • eine landesweite Koordinierungsstelle für die Ausübung des Vorkaufsrechts und ggfs. für die Verkehrswertprüfung
  • eine standardisierte Abwendungsvereinbarung.

Antworten der Politiker*innen: Wenke Christoph (Linke)

Wenke Christoph, Staatssekretärin für Wohnen, bedankt sich für die Vorschläge, die sie in die Verwaltung mitnehmen wird. Sie möchte vorab kurz einige Grundsätze darstellen, unter denen ihre Verwaltung das Vorkaufsrecht betrachtet: Das sei einmal die städtebauliche Perspektive, die ihnen überhaupt die Möglichkeit gebe, das Vorkaufsrecht auszuüben, das zwingend mit dem Angebot einer Abwendungserklärung verbunden ist. Deren Unterzeichnung werde von der Kommune als ausreichend betrachtet und umgekehrt könne der Käufer das Vorkaufsrecht damit aushebeln.

Die Enttäuschung, die eine Abwendungsvereinbarung hervorrufe, sei nachvollziehbar: Die Rekommunalisierung ist für Mieter*innen natürlich besser, als von einem Investor übernommen zu werden, den nicht der Bestand interessiert, sondern nur die Rendite oder der Weiterverkauf. Rein rechtlich setze eine Abwendungsvereinbarung dort aber Grenzen. 

Gleichwohl seien sie handlungsfähig, auch jetzt gegenüber Heimstaden. 830 Mio. Euro könnten sie aber nicht mal eben so auf den Tisch legen. Die Preisspirale begrenze die Möglichkeiten, das Vorkaufsrecht auszuüben. Der Preis dürfe maximal 25 Prozent über dem Verkehrswert liegen. Das grenze für sie schon an Wucher. Gerade gebe es daher an verschiedenen Stellen Überlegungen, in Verkehrswertgutachten die gemeinwohlorientierte Nutzung einfließen zu lassen, etwa durch kommunale Wohnungsbaugesellschaften oder Genossenschaften, sodass der Verkehrswert geringer ausfalle. Damit könnten sie vermeiden, an der Preisspirale mitzudrehen.

Sie unterstütze auf jeden Fall Transparenz und ein Wohnungskataster; die Arbeit daran habe schon begonnen. Sie prüften gerade, welche Möglichkeiten es gebe, wie man an die Daten komme und welche rechtlichen Grundlagen berücksichtigt werden müssen. Dieses wichtige Projekt werde sicherlich mehrere Jahre in Anspruch nehmen. 

Die Forderung nach Transparenz der Abwendungsvereinbarungen gegenüber den Mieter*innen kann sie nur unterstützen. Die Mustervereinbarung, die der Senat den Bezirken zur Verfügung gestellt hat, enthalte deshalb den Passus, alle geschlossenen Vereinbarungen den aktuellen und künftigen Mieter*innen zur Kenntnis zu geben. Sie müssten informiert sein. In die Heimstaden-Vereinbarung sei dieser Passus auch aufgenommen. Ebenso befürworte sie, hart zu bleiben und in Berlin eine Geltungsdauer von 20 Jahren als Standard für die Abwendungsvereinbarung zu setzen, gerade auch wegen des Umwandlungsverbots. 

Kapazitäten der Bezirke stärken

Zur Baugesetzbuchnovelle erklärt sie, dass sie immer wieder Anträge zur Stärkung und Ausweitung des Vorkaufsrechts in den Bundesrat geben würden, die auch die Lücke für Sharedeals schließen sollten, aber sie bekämen nicht genug Unterstützung von den anderen Bundesländern. Sie wollen das nun mit Hamburg zusammen noch mal wiederholen. Es soll zudem geprüft werden, ob auch für schon geteilte Wohnungen das Vorkaufsrecht geltend gemacht werden könne. Dafür rechneten sie aktuell zwar nicht mit einer Mehrheit, aber es sei ihnen wichtig, die Vorschläge immer wieder zu adressieren.

Die Zeitspanne von zwei Monaten hält sie für sehr knapp, um Kontakt zu potenziellen Käufer*innen aufzunehmen sowie Verkehrswertgutachten zu erstellen. Sie würden ohnehin schon einige Koordinierungsaufgaben übernehmen. 

Als Käuferinnen seien Genossenschaften durchaus vorgesehen. Sie könnten auch Fördermittel und Darlehen beantragen und hätten dadurch einen Vorteil gegenüber den LWU, die nur Eigenkapitalzuschüsse bekommen. Die Töpfe seien in den letzten Monaten auch gut ausgeschöpft worden.

Abschließend fasst sie zusammen, dass sie das Vorkaufsrecht stärken, indem sie auf die Preise achten und in Hinblick auf Preislimitierung intervenieren sowie Transparenz, die Koordination und die Kapazitäten der Bezirke stärken. Bei Heimstaden wären sie mit Abwendungsvereinbarungen für etwas über 2.000 Wohnungen erfolgreich gewesen, weil Senat und Bezirke kooperiert hätten. 

Beitrag von Ülker Radziwill (SPD)

Ülker Radziwill (SPD) misst der Mietenpolitik extrem große Bedeutung zu in einer Mieter*innenstadt wie Berlin, in der 85 Prozent der Menschen zur Miete wohnen. Das sei auch Haltung der SPD. In ihrem Wahlkreis rund um den Stuttgarter Platz habe sie schon 2003/04 spekulativen Leerstand thematisiert. Sie habe sich für die Mietpreisbremse stark gemacht und auch für einen Wucherparagrafen im Bundesmietengesetz. Eine neuerliche Bundesratsinitiative sei dafür notwendig. Sie ist sehr froh über den Mietendeckel und hält auch Milieuschutz und Vorkaufsrecht für wichtige Instrumente. Letzteres werde bislang zwar noch etwas zaghaft ausgeübt, es fehle wohl Erfahrung. Inzwischen zeige sich aber, dass das klappt, und sie wünscht sich, dass viele Bezirke von der Möglichkeit Gebrauch machen. Alle Instrumente müssten genutzt werden.

Das Geld kommt über die Miete wieder herein

Der Markt sei hart umkämpft, die Preise stiegen täglich. Da müsse eine Kommune überlegen, was wofür wie gezahlt werden könne, und es müssten finanzielle Mittel aufgebracht werden. Diese seien allerdings gut eingesetzt. Es würden Ressourcen geschaffen, die den Menschen, den Kiezen und schließlich auch den Kommunen helfen. Zudem komme das Geld durch die Miete wieder herein.

Lorena Jonas‘ Anregung einer zentralen Prüfstelle des Landes findet sie sehr interessant, auch ein Wohnungskataster hält sie für notwendig, das wollten sie sowieso mit Rot-Rot-Grün voranbringen.

Stellungnahme von Katrin Schmidberger (Grüne)

Katrin Schmidberger (Bündnis 90/Die Grünen) fand die Beiträge der Initiativen sehr gut, sie hätten die Problematik auf den Punkt gebracht. Das Vorkaufsrecht gebe es seit 2015. Erstmals sei es in der Wrangelstraße ausgeübt worden, daran sei sie auch beteiligt gewesen. Seitdem habe sich schon einiges verändert, neben viel Licht sieht sie aber auch viel Schatten. Das habe unterschiedliche Gründe, die ja auch schon angesprochen wurden. Ein Problem in den Bezirken sei das Personal: Da müsse man sich aber eingestehen, dass die Mitarbeiter*innen dort schlechter bezahlt werden als Landesmitarbeiter*innen, daher wechselten viele vom Bezirk zum Land. Weder die Räumlichkeiten stünden zur Verfügung, um den Personalmangel in den Griff zu bekommen, noch gebe es genug Nachwuchskräfte. Das Einkommensgefälle müsse beseitigt werden.

Für die Mieter*innen sei der ganze Prozess ein Psychothriller, für sie selbst gelte: nach dem Kampf ist vor dem Kampf. Sie bestätigt, dass sich die einzelnen Bezirke in der Wahrnehmung des Vorkaufsrechts stark unterscheiden. Dabei brauche es einheitliche Vorgehensweisen. Auch die Kooperation der einzelnen LWU sei sehr unterschiedlich, da mangele es ebenfalls an Transparenz. Baustadträte würden beispielsweise gar nicht erfahren, wie hoch der Zuschussbedarf ist oder warum ein LWU ein Haus nicht kaufen will. Sie bekämen zudem nicht immer alle notwendigen Antworten vom Senat für Finanzen. Kurz: Die Zusammenarbeit zwischen LWU, Senat und Bezirken sei verbesserungswürdig. 

Faire Verteilung zwischen LWU und Genossenschaften gefragt

Sie hätten 2019 die Diese e. G. gegründet, weil die LWU nicht mehr bereit waren, Häuser zu kaufen. Das Vorkaufsrecht wäre dann nicht mehr umsetzbar gewesen und das Instrument schnell ins Leere gelaufen. Den öffentlichen Umgang mit der Genossenschaft findet sie nicht gut. Sie hätte sich mehr Unterstützung gewünscht, auch wenn es Fehler gegeben hätte. Sie findet, dass Genossenschaften noch immer stiefmütterlich behandelt würden. Beispielsweise wurden Darlehenszusagen von der IBB kurzfristig zurückgezogen und plötzlich andere Bedingungen gestellt. Es würden keine Kosten erstattet, wenn eine Genossenschaft mit einem Klageverfahren ins Risiko gehe. Bei den 23 Häusern sei seitens der LWU ein Run auf die günstigsten Häuser und ein Verteilungskampf zu beobachten gewesen. Es brauche da eine faire Verteilung und Regelungen. Gerade junge Genossenschaften hätten nicht den Background, schwierigere Häuser zu übernehmen. Sie sei insbesondere der Ostseegenossenschaft sehr dankbar, die sich engagiere.

Es ist ihr neu, dass es wieder ein Darlehen für den Bestandserwerb von Genossenschaften gibt, aber sie freue sich, wenn in Zukunft wieder eine Kombination von Zuschuss und Darlehen möglich sei. Kürzlich habe es in der Koalition noch geheißen, dass es dafür keine politische Mehrheit gebe. Dass der Topf nun wieder mit 100 Mio. Euro gefüllt werde, hätten sie sich gemeinsam erkämpft.

Mit der Abwendungsvereinbarung auch Gewerbe schützen

Es macht ihr Sorgen, dass es im Jahr 2019 weniger Prüffälle gab sowie einige Fälle, in denen kaum etwas passiert ist. Sie hofft auf 2021. Sie kann die Mieter*innen verstehen, die sich Transparenz und Unterstützung wünschen, denn das Engagement sei sehr zeitaufwendig. Sie hätten zwar eine kostenfreie Mieter*innenberatung eingeführt, sie sehe aber auch, dass das nicht ausreiche. Zudem hält sie es für wichtig, auch die Mieter*innen im Blick zu behalten, für deren Haus eine Abwendungsvereinbarung unterzeichnet wurde, sowie das dort ansässige Gewerbe. Das werde nicht geschützt durch die Abwendungsvereinbarung. Da wünscht sie sich auch einen Ausbau der Möglichkeiten.

Die Idee einer landesweiten Koordinierungsstelle findet sie sehr gut, allerdings sei für die Bezirke eine Diskussion auf Augenhöhe wichtig. Man müsse aber sehen, wie die Weitergabe eines Hauses praktisch umsetzbar wäre, in Hinblick auf die Grunderwerbssteuer beispielsweise. Die Transparenz der Abwendungsvereinbarung findet sie auch wichtig, da sollte überlegt werden, wie sie umgesetzt werden kann. Das gelte genauso für den Kaufpreis und potenzielle Käufer. Sie weist darauf hin, dass die Veröffentlichung auch Probleme aufwerfen kann und viele vor eine Veröffentlichung zurückschreckten, weil sie Sorge haben, Investoren könnten auf die gleichen Bedingungen bestehen wie andere Käufer in anderen Bezirken, was die Verhandlungen nicht erleichtere. Es habe in den letzten Jahren durchaus Abwendungsvereinbarungen mit Abstrichen gegeben. 

Für ein Wohnungskataster spricht sie sich unbedingt aus, das hoffen sie in dieser Legislaturperiode noch auf den Weg zu bringen. Sie haben einen Gesetzesentwurf dazu gemacht. Ein Wohnungskataster sei neben dem Mietendeckel ein zentrales Element, um die Black Box des Wohnungsmarkts endlich mal durchzulüften.

Einschätzung von Gaby Gottwald (Linke)

Für Gaby Gottwald (Die Linke) besteht bei den Themen Transparenz und Einrichtung eines Immobilienkatasters Konsens mit ihren Vorrednerinnen. Darüber hätten sie sich auch schon miteinander verständigt. Sie hofft, dass es gelingt, auch jeweils die wirtschaftlich Berechtigten zu ermitteln und aufzuführen: diejenigen, um die es Lorena Jonas ging, als sie vom Gegenüber sprach. Aufgrund der Zusammenarbeit mit Christoph Trautvetter weiß sie, wie viel Arbeit das sei, ist aber guter Hoffnung, dass sie erleichtert werden kann.

In den Chat hat sie das Muster der Abwendungsvereinbarung gestellt, das der Senat den Bezirken zur Verfügung gestellt hatte. Eine Abwendungsvereinbarung sollte nicht unter 20 Jahren abgeschlossen werden dürfen. Eine längere Zeitspanne werde von juristischer Seite als Eingriff in die Eigentumsverhältnisse hingegen kritisch betrachtet. Dass den Mieter*innen die Abwendungsvereinbarung ausgehändigt werden muss, findet sie notwendig, denn sie hätten mit dem Eigentümer zu tun. Es käme nicht irgendwann jemand vom Bezirksamt vorbei, um die Einhaltung zu kontrollieren. Dass während der Verhandlungen die Inhalte nicht öffentlich gemacht werden, sei einleuchtend, aber warum sie die unterzeichnete Vereinbarung nicht ausgehändigt bekommen, versteht sie nicht.

Was die aktuellen finanziellen Mittel betreffe, sei es gut, dass der Topf laut Katrin Schmidberger wieder gefüllt sei. Die Linke sei jedenfalls immer für Vorkauf, die Grünen auch, aber das sei kein Konsens in der Koalition.

Doppelstrukturen vermeiden, fachliche Koordinierung schaffen

Was die zentrale Ankaufstelle betrifft, sieht sie ein formales Problem: Das Vorkaufsrecht werde von den Bezirken ausgeübt, auf Landesebene könne daher der Spielraum für die Steuerung begrenzt sein. Auch ist sie sich nicht sicher, ob da eine Doppel- oder Dreifachstruktur geschaffen werde. Für notwendig hält sie aber eine fachliche Koordinierung, die bei der Stadtentwicklung liegen könnte, einen Informationsfluss zwischen allen Beteiligten und eine bessere Vernetzung. 

Auch sie ist der Meinung, dass der Staat keinesfalls die Preise noch weiter hochtreiben soll, daher hätten sie nun in den Verhandlungen mit Heimstaden ein preislimitiertes Verfahren propagiert. Dabei spiele natürlich eine Rolle, wie der Verkehrswert berechnet werde. Es gebe die bundesweit geltende Immobilienwertverordnung. Wie groß die Spielräume sind, sei ihr nicht ganz klar. Der Verkehrswert werde aber zu hoch geschätzt, schon weil der Bodenrichtwert so hoch sei. Die Verordnung werde allerdings gerade überarbeitet. Ob das Anlass zu Hoffnung gebe, wisse sie noch nicht. Das wäre aber ein Ansatz, zu einer anderen Verkehrswertberechnung zu kommen und damit zu mehr Möglichkeiten beim preislimitierten Verfahren und im Umgang mit dem Eigentümer. 

Das Personalproblem sieht sie ähnlich wie Katrin Schmidberger, das nehme aber nicht unbedingt Einfluss auf das Engagement beim Vorkaufsrecht oder bei der Ausweisung von Milieuschutzgebieten. Spandau habe gerade erst entdeckt, dass es so was überhaupt gibt. 

Diskussion mit den Teilnehmer*innen

Die Diskussion ist eröffnet. In Bezug auf Abwendungsvereinbarungen verweist Horst Arenz auf das Beispiel München. Dort sei sie viel schärfer gestaltet: keine Eigenbedarfskündigung, Festlegung der Höchstmiete auf die ortsübliche Vergleichsmiete und die Bindung an die Erhaltungssatzung. Dazu habe es eine schriftliche Anfrage an den Senat gegeben, und er wüsste gern, wie die Fraktionen dazu stehen oder Frau Christoph, und was seitdem passiert sei. Dass man nicht sagen könne, mit solchen Regelungen keine Interessenten mehr zu finden, zeige sich in München. 

Rouzbeh Taheri weiß, dass in München gerade ein Prozess gegen diese Regelungen laufe, die Stadt wende sie aber trotzdem weiter an.

Magnus Hengge fand Wenke Christophs Überlegung, eine Absenkung des Verkehrswertes über die Nutzung zu erzielen, sehr interessant. Wenn Genossenschaften oder LWU beispielsweise ein Haus kauften, sei das gemeinwohlorientiert. Wenn also jemand mit unbegrenzter gemeinwohlorientierter Nutzung ein Haus kaufen wolle, könne man mit anderen Preisen agieren als bei einem Käufer, der ausschließlich an der Rendite interessiert sei. Er fände es höchstinteressant, wenn bei einem solchen Fall Senat und Bezirk gemeinsam versuchen würden, mit dieser Begründung den Preis abzusenken. Auch wenn der Versuch wahrscheinlich vor Gericht landen werde. 

Vorkauf heißt derzeit auch, die Preisspirale zu bedienen

Wenke Christoph erklärt, dass sich alle die Preislimitierung wünschen, aber bislang alle Anläufe vor Gericht gelandet sind. Es seien viele bereit, das immer wieder auszuprobieren, und denken auch darüber nach, wie man das begründen kann, etwa mit Sozialbindung wie bei den LWU. Das Ganze werde sicherlich ein längerer Kampf, der aber geführt werden müsse, wenn die Vorkäufe nicht die Preisspirale weitertreiben sollen. 

Zu Horst Arenz und dem Beispiel der Münchner Handhabung von Abwendungsvereinbarungen erklärt Gaby Gottwald, dass ihre diesbezügliche Anfrage 2018 geprüft und das Muster der Abwendungserklärung vom Senat dahingehend 2019 geändert wurde. Es wird im Chat eingestellt: Link. Die offensiven Punkte zur Miethöhe seien ein Problem, weil die Abwendungsvereinbarung eine Regelung aus dem Baugesetz ist, in dem Miethöhen nicht geregelt werden dürfen. Daher sei nun eine allgemeine Klausel zur Miethöhe enthalten. Das Gleiche betreffe die Regelung zur Eigenbedarfskündigung, man habe damit keine Schleusen öffnen wollte. Ohnehin werde in München das Vorkaufsrecht kaum noch genutzt, weil kein Geld mehr da sei.

Die Idee der Preislimitierung sollte unbedingt geprüft und vorangetrieben werden. Es sei ein Problem, dass es keine abgeschlossene Rechtsprechung zu diesen Fragen gebe. Der erste Fall, in dem entsprechend verhandelt wurde, die Großgörschenstraße, sei in der Sache nicht geklärt worden, sondern wurde aus anderen Gründen niedergeschlagen. Ein Richter habe aber geäußert, Preislimitierungen kämen erst über 25 % des Verkehrswerts infrage. Auch wenn das sehr hoch sei, müsse der Versuch immer wieder gestartet werden. 

Rouzbeh Taheri weist darauf hin, dass in der Münchner Abwendungsvereinbarung die Bindung an den Erhaltungszeitraum geknüpft sei, sodass sich damit die Verhandlungen über die Geltungsdauer erübrigen könnten. 

Die Bergmannstraße kann entscheidend sein

Katrin Schmidberger erklärt, dass auch in ihrer Abwendungsvereinbarung die Gültigkeit an den Milieuschutz gekoppelt ist, aber längstens 20 Jahre läuft. Ob eine Abwendungsvereinbarung, die ausschließlich an die Dauer des Milieuschutzes gebunden ist, realisierbar ist, weiß sie nicht. Wenn es gelänge, über 20 Jahre hinauszukommen, würden sich vielleicht Mieter*innen, die enttäuscht sind, weil die Kommunalisierung ihres Hauses nicht geklappt hat, arrangieren können. Zur Höchstmiete bei Modernisierung gibt es eine Tabelle. Schon öfter wären Möglichkeiten der Limitierung erörtert worden. Doch auch das sei schwierig in einem städtebaulichen Instrument, dafür gebe es aber auch die Mietpreisbremse. Das Verbot der Eigenbedarfskündigung sei eigentlich überflüssig, wenn es keine Teilung gebe. 

Es werde schon länger in verschiedenen Kreisen diskutiert, welche Auswirkungen der Mietendeckel auf den Verkehrswert habe und ob man ihn bei der Preislimitierung einbeziehen könnte. Beim preislimitierten Verfahren kann der Verkäufer auch zurücktreten. Deswegen ist es spannend, was in der Bergmannstraße passiere: ob der Verkäufer bereit ist, auf Einnahmen zu verzichten. Die juristischen Schwierigkeiten sind klar, aber in der Großgörschenstraße ging es nicht um die Rechtmäßigkeit eines preislimitierten Verfahrens, sondern ob der Vorkauf überhaupt rechtens war. Damals gab es im Bezirk noch eine andere Konstellation, und es war das erste Mal, dass das Vorkaufsrecht angewandt werden sollte. Es sei einfach versäumt worden, dem Käufer eine Abwendungsvereinbarung anzubieten, und deshalb war rechtlich alles hinfällig. Sie findet es aber super, dass nun alle an einem Strang ziehen und es in der Bergmannstraße versuchen.

Für die ganze Stadt mitdenken

Weil zur landesweiten Koordinierungsstelle immer der Hinweis auf die bezirkliche Verantwortung beim Vorkaufsrecht komme, erklärt Lorena Jonas, dass unabhängig davon eine Koordination gut wäre. Paketkäufe müssten ohnehin koordiniert werden. Es entstehe weniger Konkurrenz um Landesmittel, auf die Bezirksräte Druck auszuüben sei einfacher, es gebe einen besseren Überblick, in welchem Bezirk welche Häuser betroffen seien. Zudem könnten so die Bezirke mitgezogen werden, in denen aufgrund personeller Kapazitäten oder aus ideologischen Gründen Zurückhaltung geübt werde. Zudem werde angesichts der lauten und starken Mieter*innenproteste in Berlin ein wichtiger Punkt vergessen: Das Vorkaufsrecht werde immer für Häuser mit gut organisierten Mieter*innen ausgeübt. Es könne aber nicht sein, dass Leute ohne Kapazitäten sich zu organisieren oder ohne sprachliche Möglichkeiten unbeachtet blieben. Es müsse für alle und die ganze Stadt mitgedacht werden, daher sollte immer jemand zur Stelle sein, Amtshilfe leisten, eine Verkehrswertprüfung veranlassen usw.

Wortmeldung Michail Nelken (Linke)

Dr. Michail Nelken möchte klarstellen, was teilweise missverständlich aufgenommen wurde: Es gehe nicht um eine zentrale Ankaufstelle, sondern um die Koordinierung von Informationen und dergleichen, insbesondere bei Paketverkäufen. Man werde allerdings die Bezirke nicht zur Mitarbeit zwingen können. Er weist darauf hin, dass Milieuschutzgebiete nicht dauerhaft sind, sondern alle fünf Jahre wieder geprüft wird, ob die Voraussetzungen noch gegeben sind. Daher sei eine Bindung der Abwendungsvereinbarung an den Milieuschutz nicht zwingend vorteilhaft. Aus demselben Grund sei allerdings das Verbot einer Eigenbedarfskündigung über einen möglichst hohen Zeitraum sinnvoll. Beim Umwandlungsverbot bestehe nämlich schon das nächste Problem: Es werde in zahllosen Fällen mit der gegenwärtigen Sieben-Jahre-Regelung im Baugesetzbuch ausgehebelt. Umwandlungen fänden ununterbrochen statt. In den Milieuschutzgebieten sei trotz des Verbots von 2019 zu 2020 eine Steigerung um 100 Prozent zu beobachten gewesen. Eine Änderung des Baugesetzbuches sei mit allen Mitteln anzugehen, insbesondere was die sogenannten Mieterkäufe betreffe. Da müsse festgeschrieben werden, welche Mieter*innen überhaupt berechtigt seien bzw. der entsprechende Satz gestrichen werden. Die Streichung sei aktuell nicht vorgesehen, aber schon mal in der Diskussion gewesen.

Im Entwurf sei allerdings wohl enthalten, auf angespannten Wohnungsmärkten das Vorkaufsrecht über die Milieuschutzgebiete hinaus in der gesamten Gemeinde anzuwenden. Die Verabschiedung dieser Änderung wäre eine wichtige Stärkung. 

Zudem findet er wichtig, dass die Mieter*innen umgehend informiert werden, wenn ihr Haus betroffen ist. Sie können dann sofort aktiv werden und nicht erst, wenn das Bezirksamt keinen potenziellen Käufer findet. Es zeige sich immer wieder, dass die Mieter*innen sich selbst Genossenschaften suchen. Dabei verstoße auch niemand gegen ein Gesetz, sondern setze sich allenfalls selbst unter Druck. Auch er ist der Meinung, dass den Mieter*innen die unterzeichneten Abwendungsvereinbarungen ausgehändigt werden sollen. Nach Abschluss der Verhandlungen sei rechtlich auch nichts dagegen einzuwenden. Die Übergabe sollte als Standard durchgesetzt werden. Die Inhalte der Abwendungsvereinbarungen müssten ja nicht in der Zeitung stehen. 

Wortmeldung vom Mietshäusersyndikat und Florian Schmidt

Renee Somnitz berät viele Mieter*innen fürs Mietshäusersyndikat. Auch sie betont die Wichtigkeit der Informationen für die Mieter*innen. Eine Stelle, an die sie sich wenden könnten, sei sehr hilfreich. Es könne nicht sein, dass die Möglichkeiten nur vom Bezirk abhingen. Alle sollten die gleiche Chance haben, rechtzeitig reagieren zu können.

Florian Schmidt findet es richtig, dass man Bezirken, die nicht aktiv werden, auf den Pelz rückt. In Friedrichshain-Kreuzberg haben die Mieter auch in der letzten Legislaturperiode schon viel mitgestaltet und Druck gemacht. Das sollte richtungweisend auch für andere Bezirke sein. Sie hätten in Friedrichshain-Kreuzberg einen umfassenden Apparat für Beratung und zivilgesellschaftliche Beteiligung aufgebaut. Sie arbeiteten in Kooperation von Verwaltung und zivilgesellschaftlichen Partner*innen auch schon am Thema präventiver Ankauf, d. h. sie wollen schon vor dem Verkauf aktiv sein, um frühzeitig zu gemeinwohlorientierten Immobilienakteuren vernetzen zu können. Da fließen alle bisherigen Erfahrungen ein. Auch er fände eine landesweite Koordinierungsstelle gut, die vermitteln könnte und Wissen bündeln würde. Es gebe auch schon Initiativen und Versuche, im Vorfeld Mieter*innen zu aktivieren. Die aktuell gültige Frist von zwei Monaten sei ein Höllenritt, auch für die Verwaltungen – spätestens sobald etwas nicht perfekt laufe. Zudem würden sie zeitweilig acht bis sechzehn Projekte gleichzeitig prüfen. 

Konflikte mit der Senatsverwaltung für Finanzen

Ein ganz anderes Problem, das bislang noch nicht zur Sprache gekommen sei, sieht er beim Senat für Finanzen. Der müsse natürlich auf den Haushalt achten. Im Hintergrund sei aber auch eine andere politische Vorstellung aktiv. Die zeige sich beispielsweise darin, dass Vereinbarungen, die mit Katrin Lompscher getroffen wurden, nicht umgesetzt werden. Informationen über den Zuschussbedarf der LWU u. Ä. würden sie grundsätzlich nicht herausgeben. Er bittet Wenke Christoph, gegenüber SenFin durchzusetzen, was Katrin Lompscher vorgeschlagen und schon eingeleitet hat.

Wichtig findet er auch die Koordinierung und Vernetzung der Bezirke untereinander. Mit einigen Bezirken gäbe es schon eine Arbeitsgruppe, die sehr gut funktioniere. Er lädt Lorena Jonas und andere ein, dazuzukommen und gemeinsam zu schauen, was sich optimieren ließe. 

Weiterer Verlauf der Diskussion

Rouzbeh Taheri liest eine Anregung aus dem Chat vor, eine landesweite Anlaufstelle einzurichten, die auch jenseits von Vorkäufen bei akuten Problemen mit Häusern und Grundstücken ansprechbar wäre, weil es immer wieder Termin- und Abstimmungsschwierigkeiten unter den verschiedenen Senatsstellen, den Bezirken und Mieter*innen gebe.

Voraussichtlich im Januar soll das nächste Forum zu diesem Thema stattfinden. Beispielsweise könne darüber gesprochen werden, wie eine solche Stelle an die Verwaltung angegliedert sein sollte, um die notwendigen institutionellen Zugänge zu haben. Er betont auch noch mal, dass die Bezirke Unterstützung brauchen, nicht nur personell, manche brauchten auch etwas Druck. Es gebe allerdings auch Bezirke, die aus politischen Gründen nicht aktiv werden. Zehlendorf habe sich jahrelang mit sehr kreativen Begründungen gegen Milieuschutz gesperrt und manche wollen auch keinen besseren Mieter*innenschutz.

Horst Arenz möchte noch mal auf die Mustervereinbarung eingehen, die er inzwischen durchgesehen habe. Neben zwei Verbesserungen – die Bindung an die Dauer der Erhaltungssatzung und die Forderung nach Transparenz – sieht er drei zentrale Mängel: Es fehlten das Verbot der Eigenbedarfskündigung sowie die WBS-Bindung und nur jede dritte Wohnung soll an den Mietspiegel gebunden werden.

Wenke Christoph entgegnet, mit Letzterem sei gemeint, dass jede dritte Wohnung zur örtlichen Vergleichsmiete an WBS-Berechtigte vermietet werden soll; das seien schon Anpassungen an die Vorlage der Münchner Abwendungsvereinbarung, aber im Vergleich gäbe es noch Entwicklungsmöglichkeiten nach oben. Gaby Gottwald habe allerdings auch schon die Bedenken wegen zivilrechtlicher Einsprüche angesprochen, die es immer wieder gab, wenn mietrechtliche Details in die Abwendungsvereinbarung aufgenommen wurden. Daher würden sich manche Bezirke v. a. aufs Städtebaurecht konzentrieren und vom Münchner Muster abweichen. Über die Sinnhaftigkeit vom Verbot der Eigenbedarfskündigung, wenn eine Umwandlung nicht erfolgen darf, sei gerade schon im Chat diskutiert worden.

Sie freut sich über die vielen Anregungen und ist dankbar, dass das Initiativenforum alles aufbereiten wird für weitere Debatten um das Vorkaufsrecht auf Landes- und auf Bundesebene.

Gaby Gottwald möchte klarstellen, dass es sich um rechtliche Bedenken handelt, Inhalte, die sich nicht aus dem Baurecht ableiten lassen, in die Abwendungsvereinbarung aufzunehmen. Die ließen sich auch heute Abend nicht klären. Das sei eine grundsätzliche Frage, die geklärt werden müsse. Es sei nicht vergessen worden, etwas hineinzuschreiben, sondern die Punkte seien aus grundsätzlichen Erwägungen nicht aufgenommen worden. Als Problem könnte sich auch eine krasse Abwendungsvereinbarung erweisen, die vom Käufer nicht unterzeichnet werde und dann an eine Genossenschaft übergehe, die dem vielleicht nicht gerecht werden könnte. Die Möglichkeit müsse auch bedacht werden.

Melanie Dyck sieht zwei Richtungen, die es einzuschlagen gilt: Das anzuschauen, was schon bestehe und was man ändern könne, das andere sind neue Ideen und Beispiele aus anderen Städten. Wie können wir Erfahrungen und Wissen bündeln, eine Anlaufstelle schaffen, Mieter*innen, die sich nicht organisieren können, helfen? Es gelte, Wege zu finden, wie Mieter*innenmitbestimmung in die Prozesse einfließen könnte, und eventuell könne über eine Ankaufstelle nachgedacht werden. Preislimitierung, Transparenz und Koordinierung sind wichtige Eckpunkte, über die weiter gesprochen werden sollte.

Zurück zum Ausgang: Die Bezirke müssen liefern

Fabian Steinecke bezieht sich auf den Anfangsbeitrag der Mieterwerkstatt Charlottenburg. Nun sei die ganze Zeit über den Vorkauf gesprochen worden, aber dazu müsse es erst mal die Milieuschutzgebiete geben, ohne die ein Vorkauf nicht möglich sei. Er fragt Politik und Verwaltung, was Mieter*innen tun können, wenn das Bezirksamt sich der Einrichtung von Erhaltungsgebieten versperrt? Welche Handlungsoptionen gebe es?

Katrin Schmidberger kann den Frust in vielen Bezirken gut verstehen, in Spandau habe es zweieinhalb Jahre gedauert. Sie sei aber auch stolz, dass die Zahl der Milieuschutzgebiete seit 2016 verdoppelt werden konnte, das sei nicht einfach gewesen. Von Landesseite hätten sie auch versucht, die Bezirke mit Personal zu versorgen. Mit SenFin sei schon vor zweieinhalb Jahren vereinbart worden, pro Gebiet eine halbe Stelle einzurichten. Die Umsetzung dieser Regelung sei schon wieder eine neue Schwierigkeit. Ganz Berlin flächendeckend zum Milieuschutzgebiet zu machen hält sie nicht für realisierbar, denn es müsse jedes einzelne Gebiet begründet werden. Dabei spielten Gewerbeeinheiten ebenso eine Rolle wie die Präsenz der LWU. Frank Schulz hatte sich damit auch schon ausgiebig beschäftigt. Sie hofft, dass erst einmal die Lücken in den innerstädtischen Bezirken geschlossen werden. Es tue ihr leid, dass das immer wieder erkämpft werden muss, aber allmählich mache sich ein Umdenken bemerkbar. Daran müsse noch weitergearbeitet werden. 

Ausklang

Rouzbeh Taheri bedankt sich bei allen und namentlich bei Florian Schmidt. Das nächste Mal sollen auch Vertreter*innen der Bezirke eingeladen werden. Damit es nicht bei einer guten Diskussion bleibt, wird das Initiativenforum bei den einzelnen Forderungen noch mal nachhaken. Die einzelnen Punkte sollen auch in kleineren Fachgruppen diskutiert werden.