Die Hausgemeinschaft will bleiben

Die Bewohner*innen des Hauses am Maybachufer 17 in Neukölln befürchten, durch den Verkauf der Immobilie verdrängt zu werden. Wir dokumentieren hier unverändert ihre Forderungen.

„Als Hausgemeinschaft Maybachufer 17 verfolgen wir entschlossen das Ziel, unseren langjährigen Wohnraum und die soziale Durchmischung in unserem Kiez, dem Milieuschutzgebiet Reuterplatz, gegen Anleger und Spekulanten zu verteidigen.

Unser Haus wurde verkauft. Gentrifizierung stoppen!

Immer mehr Berliner*innen sehen sich der Gefahr durch die fortschreitende Gentrifizierung bedroht. Sie durchdringt alle Wohnbezirke der Stadt und wird vorangetrieben durch internationale Kapitalanleger, Immobilienhaie und Spekulanten. Nach vielen Jahren des solidarischen Zusammenlebens wurde nun auch unser Haus verkauft. Dagegen wehren wir uns entschieden!
Unser Wohnhaus am Maybachufer 17 wurde Ende Juni 2020 an die Dahme GmbH & Co. KG verkauft. Es gibt Verbindungen der Firma zur EB Group – zum Beispiel haben sie denselben Geschäftsführer. Die Dahme GmbH & Co. KG hat auch die Wiener Straße 22/Ohlauer Straße 2 erworben (mehr zur „Wohli“ hier). Vom Mietendeckel und Milieuschutz unbeeindruckt, verspricht sich dieser Investor offenbar satte Profite.

Protestkundgebung vor dem Maybachufer 17
Protestkundgebung am Maybachufer 17
Foto: IniForum

Vorkaufsrecht ausüben. Jetzt! 

Hier kommt das bezirkliche Vorkaufsrecht ins Spiel, um genau solche Spekulanten vom Wohnmarkt fernzuhalten und Verdrängung entgegenzuwirken. Leider haben die Spekulanten längst erkannt, dass die überteuerten Kaufpreise es dem jeweiligen Bezirksamt meist unmöglich machen, alternative (am Gemeinwohl orientierte) Käufer zu finden. Dafür gibt es SIWANA – das Sondervermögen Infrastruktur der Wachsenden Stadt und Nachhaltigkeitsfonds. Wir fordern den Berliner Senat auf, wie gesetzlich vorgesehen, die Zuschüsse freizugeben, um das Milieuschutzgebiet Reuterplatz aktiv zu schützen!

Alternative, sozialverträgliche Käufer finden. Keine Rendite mit der Miete! 

Der Senat kann die Diskrepanz zwischen Verkehrswert und Kaufpreis des Hauses durch einen Zuschuss schließen und in besonders dreisten Fällen sogar zum Verkehrswert kaufen. Damit bleibt das Objekt auch für Käufer bezahlbar, die am Gemeinwohl orientiert und interessiert sind. Das schützt nicht nur die jeweiligen Mieter, sondern trägt auch nachhaltig zu einer Korrektur des Mietenspiegels bei. Deshalb fordern wir jetzt: 

VORKAUFSRECHT AUSÜBEN!
SPEKULANTEN STOPPEN!
SIWANA ZUSCHÜSSE FREIGEBEN, UM DAS MILIEU REUTERPLATZ ZU SCHÜTZEN!

Wir fordern das Bezirksamt Neukölln dazu auf, die bezirklichen Instrumente des Milieuschutzes effektiv einzusetzen, um die bunte Bevölkerungsstruktur in unserem Kiez zu schützen. Treten Sie für Berliner Wohnungsbaugesellschaften oder sozialverträgliche Genossenschaften als Käufer ein. Üben Sie das Vorkaufsrecht für das Maybachufer 17 aus!

Wer wir sind

31 Mietparteien

59 Bewohner

Elf Familien, davon vier Alleinerziehende

16 Kinder

Alter: <1 bis 80 Jahre

Wir sind Familien und Studierende, jüngere und ältere Paare und alleinstehende Senior*innen. Wir arbeiten unter anderem als Dolmetscherin, als Kinderbuchautorin, in einem Familienzentrum und in NGOs, auf dem Neuköllner Wochenmarkt und in Geschäften hier im Kiez. Manche von uns sind in Rente, andere sind durch die COVID19-Pandemie in Kurzarbeit oder wissen nicht, wie es beruflich weitergeht. Teilweise wohnen wir seit Jahrzehnten im Maybachufer 17, teilweise erst seit kurzem. Der älteste Mietvertrag wurde 1938 unterschrieben. 

Wir alle sind auf unsere gute Hausgemeinschaft angewiesen und wollen bleiben – ohne Sorge vor Verdrängung oder explosionsartigen Mietsteigerungen. Deshalb arbeiten wir als Hausgemeinschaft noch enger zusammen und gründen den Verein Hausgemeinschaft Maybachufer 17.

Unsere Hausgemeinschaft

Durch das langjährige Zusammenleben und den guten Zusammenhalt untereinander, erfüllt unsere Hausgemeinschaft wichtige soziale und gesellschaftliche Funktionen füreinander und für den Kiez. Wir setzen uns für andere Menschen ein und gestalten das Leben im Kiez mit, einige von uns sind beispielsweise als Lesepatinnen in einer Brennpunktschule aktiv. Wir engagieren uns für Geflüchtete, setzen uns für Umweltschutz ein und machen uns für Geschlechtergerechtigkeit stark. 

Als Hausgemeinschaft sind wir immer füreinander da. Seit Jahren unterstützen wir uns gegenseitig, zum Beispiel in Form von Nachhilfe oder Babysitting. Das schweißt zusammen und bringt uns auch durch Krisenzeiten, wie zuletzt den Lockdown – da stand manchmal ein Topf Suppe vor der Wohnungstür. Besonders für die alleinerziehenden Mütter ist die Hausgemeinschaft quasi zur Ersatzfamilie geworden. Für ihre Kinder, deren Väter fußläufig entfernt wohnen, bedeutet „Zuhause“ mehr als nur das Maybachufer 17, es ist der gesamte Kiez. Neben Schule, Freunden und Vereinen haben sie hier noch eine zusätzliche familiäre Verankerung. 

Unser Treffpunkt im Hofgarten

Dreh- und Angelpunkt unseres Zusammenlebens ist der wunderschöne Hofgarten im Haus, der liebevoll von einigen Bewohnerinnen gepflegt und gestaltet wird. Ein Sandkasten und Sitzgelegenheiten machen den Hof automatisch zu einem Ort, an dem wir uns gerne aufhalten und austauschen. Auch Materielles wird getauscht, verliehen oder verschenkt: Ob Lastenrad, Bücher, Kinderkleidung, Spielzeug, selbstgemachte Marmeladen oder Möbel.

Unser Kiez

Unser Kiez hat sich in den letzten Jahren zu einer beliebten Wohngegend entwickelt – seit 2010 wird hier ein erhöhtes Bevölkerungswachstum verzeichnet. Der steigende Nachfragedruck nach Wohnraum, die Entwicklung der Mietpreise und die häufige Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen, machen im Quartier Reuterplatz den Wandel hin zu sozialer Verdrängung deutlich spürbar. Besonders davon betroffen sind kleine und einkommensschwache Haushalte. Seit 2015 steht unser Kiez, das Gebiet Reuterplatz, sogar unter Milieuschutz. 

Trotzdem beobachten wir, wie die Aufwertung und Gentrifizierung in unserem Kiez durch Kapitalanleger vorangetrieben wird. In unserer Nachbarschaft gehen Immobiliengesellschaften auf Shoppingtour und lassen die Mieten mit sanierten Luxuswohnungen explosionsartig steigen. Nur weil einige Häuser noch unsaniert sind, können sich Menschen mit niedrigeren Einkommen das Leben in der zunehmend teureren Gegend überhaupt leisten. Immer mehr AirBnB-Wohnungen lassen zudem den Mietmarkt in unserer, bei Touristen beliebten, Gegend schrumpfen. Wenn der Wohnungsmarkt kippt, sind einkommensschwächere Haushalte akut von der Verdrängung bedroht. Die soziale Durchmischung in unserem Kiez ist in Gefahr!

Der Käufer unseres Hauses, die Dahme GmbH & Co. KG, hat bereits zwei Häuser im Kiez gekauft und war in beiden Fällen nicht bereit, eine Abwendungsvereinbarung zu unterzeichnen.

Wir verfolgen als Hausgemeinschaft entschlossen das Ziel, die soziale Durchmischung im Kiez und unseren langjährigen Wohnraum im Milieuschutzgebiet Reuterplatz in Berlin-Neukölln vor Anlegern und Spekulanten zu verteidigen.“