Ein Erfolg der Initiativen: Mehr Zusammenarbeit und mehr Transparenz beim Vorkaufsrecht
Unser Hearing zeigte: Den Milieuschutz und das Vorkaufsrecht behandeln die Bezirke sehr unterschiedlich. Mieter*innen werden mal genau, mal gar nicht informiert. Was in Abwendungsvereinbarungen steht, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Jetzt will die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen ihre Handlungsempfehlungen für die Bezirke ändern und den Informationsaustausch verbessern.
Immer wieder kämpfen Mieter*innen in Milieuschutzgebieten dafür, dass der Bezirk für ihre Häuser das Vorkaufsrecht ausübt. Dabei stellen sie fest, wie unterschiedlich die Bezirke mit dem Thema Milieuschutz und dem mietenpolitischen Instrument des Vorkaufs umgehen. Das verdeutlichten die Referent*innen vom Mieterforum Pankow, der MieterWerkStadt Charlottenburg und der Initiative „23 Häuser sagen Nein“ beim letzten Hearing des IniForums mit dem Titel „Wie weiter mit dem Vorkaufsrecht? – Zur Notwendigkeit der Schärfung des mietenpolitischen Instruments„. Auch der berlinweite, bezirksübergreifende Protest der StopHeimstaden-Vernetzung zeigte dies auf.
Das Vorkaufsrecht ist ein Instrument der Bezirke – und daraus ergibt sich ein Problem. Zwar tauschen sich Vertreter*innen einzelner Stadtteile untereinander aus, doch gibt es keine Ebene, auf der sich alle Bezirke gemeinsam absprechen. Stattdessen handeln sie losgelöst voneinander. Während zum Beispiel die Bezirke Friedrichshain-Kreuzberg oder Neukölln Mieter*innen möglichst frühzeitig über einen Verkauf ihrer Häuser informieren, lassen andere Bezirke die Bewohner*innen in Milieuschutzgebieten im Dunklen. Gerade durch die knappe Frist von zwei Monaten, das Vorkaufsrecht anzudrohen, wenigstens eine Abwendungsvereinbarung zu erzielen oder bestenfalls das Vorkaufsrecht auszuüben, müssten Mieter*innen erfahren, in welcher Lage sie sind.
Ein weiteres Problem: Vorkauf und Rekommunalisierung sind das Ziel der Mieter*innen, nicht aber aller Bezirke. Das Vorkaufsrecht ist ein Druckmittel gegenüber den Käufer*innen, um diese zur Unterzeichnung von sogenannten Abwendungsvereinbarungen zu bewegen. Darin verpflichten sich die Käufer*innen üblicherweise, auf den Abriss des Hauses, Luxusmodernisierungen und vor allem auf die Umwandlung der Wohnungen in Eigentumswohnungen zu verzichten – längstens 20 Jahre. Was genau in den Abwendungsvereinbarungen steht, bleibt meist ein Geheimnis zwischen den Bezirken und den Käufer*innen. Die Mieter*innen können nur über komplizierte Wege herausfinden, was in den Abwendungsvereinbarungen steht und was das für sie und ihre Häuser bedeutet.
Diese Themen wurden auch im Hearing an die Vertreter*innen des Abgeordnetenhauses und an die Staatssekretärin für Wohnen, Wenke Christoph, herangetragen. Jetzt hat uns Gaby Gottwald, Mitglied des Abgeordnetenhauses für Die Linke, informiert, dass in Gesprächen mit Initiativen erste Schritte festgehalten wurden, um den Status Quo zu verändern.
So unterstützt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen (SenSW) die Forderungen von Mieter*innen, sie zu informieren, wenn ihr Haus verkauft wird und der Bezirk sein Vorkaufsrecht ausüben kann. SenSW erstellt die Handlungsempfehlungen zur Ausübung des Vorkaufsrechts, die als allgemeine Leitlinie einen Orientierungsrahmen für ein möglichst einheitliches Vorgehen der Bezirke vorgeben.
Diese Handlungsempfehlungen sollen nun (voraussichtlich im März 2021) mit folgenden Ergänzungen überarbeitet werden:
1. Die gemeinsame Koordinierung zwischen Bezirken, Wohnungsbaugesellschaften und den Senatsverwaltungen beim Vorkaufsrecht soll verbessert und standardisiert werden. „Bei bezirksübergreifenden Ankäufen oder gar größeren Paketen (wie z.B. bei der Deutsche Wohnen und Heimstanden) wird eine Gesamtkoordination der Ausübung des Vorkaufsrechts durch SenSW als sinnvoll angesehen und dürfte zukünftig ebenfalls Standard werden.“
2. „Wenn Bezirke die Ausübung des Vorkaufsrechts in Erwägung ziehen, sollten Mieter*innen regelhaft zeitnah (vor der Beauftragung eines Verkehrswertgutachtens) informiert werden, dass der Bezirk die Machbarkeit der Ausübung überprüft.“ Ob und in wie weit die Bezirke Dienstleister zur Information und Beratung der Mieter*innen einsetzen, wie es etwa in Friedrichshain-Kreuzberg mit der AKS und asum der Fall ist, bleibe ihnen überlassen.
3. Mieter*innen sollen grundsätzlich über die Inhalte von Abwendungsvereinbarungen informiert werden. Dafür will SenSW die Mustervorlage für die Abwendungsvereinbarung anpassen.
Die Bezirke können nicht angewiesen werden, die Leitlinien im Detail umzusetzen, so Gottwald. „Aber es ist weitgehend politischer Konsens, ein möglichst einheitliches Verfahren zu praktizieren.“ Mehr Transparenz für betroffene Mieter*innen werde sicherlich auch jeweils vor Ort zu einer standardisierten Umsetzung des Vorkaufsrechts beitragen.
Auch, wenn dies nur kleine Änderungen sind – sie sind ein erster Schritt in die richtige Richtung. Mehr Transparenz und bessere Information für die Mieter*innen sind essentiell, und diese Maßnahme wäre nicht möglich gewesen ohne das bisherige Engagement und den Kampf aller Mieter*innen und Initiativen.
Doch die Realität und unser Hearing zeigen: Es gibt noch viel mehr Baustellen und Kritikpunkte. Diese wollen wir noch weiter aufarbeiten und in zukünftigen Veranstaltungen ergebnisorientiert besprechen. Und natürlich werden wir nachhaken, ob die versprochenen Änderungen wirklich umgesetzt werden. Wir bleiben an dem Thema dran – genau wie viele Initiativen und Aktivist*innen.