Aufbauen statt draufzahlen – Bodenwerte in Berlin sozial gestalten

Am 1. September von 18.00 – 21.00 Uhr lädt das IniForum zum nächsten öffentlichen Hearing ein. Diesmal geht es um die Berliner Bodenpolitik und den notwendigen Wandel hin zu einer gemeinwohlorientierten Stadtentwicklung. Die Forderungen der Berliner Initiativen für eine soziale Bodenpolitik werden dabei mit Vertreter:innen der Senatsverwaltungen und den Koalitionsfraktionen diskutiert.

Jede Nutzung von Immobilien ist zu einem großen Teil von den Kosten abhängig, die für die Nutzung des Bodens bezahlt werden müssen. Dieser Preis ist kein Naturgesetz – vielmehr ist der Bodenrichtwert ein politisch gemachter Preis, der viel zu hoch ist, um die Stadt bedarfsgerecht zu gestalten. 

Darf Boden weiterhin vorrangig als werthaltiges Vermögen angesehen werden oder sind Grundstücke viel eher Chancen, um die Stadt in Richtung des tatsächlichen Bedarfs ihrer Bewohner:innen zu entwickeln? Der Wert eines Grundstücks für die Stadtgesellschaft entsteht doch eindeutig durch eine mögliche bedarfsgerechte Nutzung und nicht dadurch, dass das Grundstück in einer finanziellen Bilanz hohe Erträge erbringt, aber letztlich zur allgemeinen Verteuerung der Stadt beiträgt. Die bisher vorherrschende Ausrichtung auf den Marktwert des Bodens führt zum Gegenteil einer gemeinwohlorientierten und sozial ausgerichteten Bodenpolitik. Dass es anders geht, zeigen uns Projekte in anderen deutschen Städten.

Beispiele aus Hamburg (Gängeviertel) und München (SoBoN Soziale Bodennutzung Prinz Eugen Park) zeigen rechtssichere Ansätze, um zumindest auf Grundstücken in der öffentlichen Hand andere Wege zu gehen. Das klappt bisher in Berlin nicht, weil immer wieder zwei geltende Prinzipien den den progressiven Überlegungen im Weg stehen: 

  1. Das EU-Wettbewerbsrecht stellt die Frage: Warum sollte ein lokaler Akteur ein Grundstück vergünstigt bekommen, um darauf eine gewünschte soziale Nutzung zu schaffen (oder zu erhalten), obwohl für das Grundstück auf dem Markt viel mehr geboten wird? Die Angst besteht, dass eine solche Vergabe an einen lokalen Akteur als unzulässiger Wettbewerbsvorteil angesehen wird.
  2. Die Berliner Haushaltsordnung sieht vor, dass alle Grundstücke einen am Verkehrswert orientierten Ertrag erwirtschaften müssen, wobei dieser Ertrag direkt finanziell gemeint ist und nicht im Sinne einer „Stadtrendite“ gedacht wird.

Abhilfe kann ein anderes anerkanntes Verfahren zur Bodenwertermittlung und damit zur Berechnung des Verkehrswertes bringen: das Ertragswertverfahren (auch „residuales Wertermittlungsverfahren“). Es berechnet den Wert eines Grundstücks nicht anhand der von der Spekulation hochgetriebenen Verkaufspreise im Umfeld, sondern anhand dessen, was von den Betreiber:innen für den Boden gezahlt werden kann, nachdem sie eine sozial gewünschte Nutzung des Bodens umgesetzt haben und nachhaltig betreiben. Es wird also von hinten nach vorne gerechnet. Die Frage ist: Wie viel kann am Ende auch noch für den Boden gezahlt werden, wenn eine ideale Nutzung entsteht, in der z.B. Sozialwohnungen, Werkstätten für Handwerk und ein soziokulturelles Zentrum Platz finden und all das auch noch weitgehend klimaneutral betrieben wird? Da ein solches Projekt genau das erbringt, was die Stadt braucht, kann eine „Unterwertvergabe“ begründet werden. Sie wird dann an Auflagen und Nutzungsbindungen geknüpft, wodurch gerechtfertigt wird, dass viel weniger für den Boden bezahlt werden muss als im Umfeld. 

Ein Beispiel in Berlin selbst, bei dem im Bereich Boden bereits neue Wege beschritten wurden, ist das Dragonerareal in Friedrichshain-Kreuzberg. In einer Kooperationsvereinbarung zwischen den verschiedenen beteiligten Akteur:innen – Bezirk, Senatsverwaltung, BIM, Wohnungsbaugesellschaft und zivilgesellschaftlichen Gruppen – wurden nach der Übertragung des Areals an das Land Berlin klarer Richtlinien für den Umgang mit dem Grundstück festgelegt. Dabei ist die Mitbestimmung der zivilgesellschaftlichen Gruppen und auch der zukünftigen Bewohner:innen auf dem Areal ab einem frühestmöglichen Zeitpunkt der Planungsphase klar festgeschrieben.  Dadurch haben die Initiativen und Vertreter:innen der organisierten Zivilgesellschaft rund um das Areal eine festgeschrieben Grundlage zur Mitsprache und Kooperation mit anderen beteiligten Akteur:innen. Darüber hinaus enthält die Vereinbarung auch die Festlegung, dass alle Grundstücke des landeseigenen Bodens auf dem Dragonerareal im Erbbaurecht an verschiedene Träger:innen (Landeseigene Wohnungsunternehmen, Hausprojekte, Genossenschaften…) vergeben werden – mit klaren Vorgaben zu Transparenz und Inklusion. Die Inhalte und Umsetzung der Kooperationsvereinbarung am Dragonerareal sollte Grundlage für den Umgang mit landeseigenen Grundstücken werden. Wie kann so ein Modellprojekt der demokratischen Vergabe von Grundstücken im Erbbaurecht und der Einbeziehung der Zivilgesellschaft zum Standard in Berlin werden?

Die zentralen Fragen des Hearings sind daher: Wie können solche Methoden in Berlin erstritten und angewandt und schon bestehende Modellprojekte ausgeweitet und öfter umgesetzt werden? Dafür werden die Initiativen entsprechende Konzepte vorlegen und mit Vertreter:innen aus Politik und Verwaltung diskutieren.

Tagesordnung des Hearings

  1. Begrüßung
  2. Input von Expert:innen und Initiativen
    1. Dr. Ulrich Kriese (Stiftung Edith Maryon)
    2. Initiative Haus der Statistik / ZUsammenKUNFT Berlin
    3. Netzwerk Gemeinwohlorientierte Immobilienakteur:innen (Netzwerk GI)
    4. Stadt von Unten
  3. Stellungnahmen der Abgeordneten der Regierungskoalition und der Senatsverwaltung
  4. Offene Diskussion

Die Veranstaltung ist kostenlos und wird öffentlich per Online-Call stattfinden. Für die Teilnahme ist nur eine Anmeldung per E-Mail nötig. Wir senden den Interessierten dann den Link zur Teilnahme zu. 


Weiterführende Informationen

  1. Netzwerk Gemeinwohlrientierte Immobilienakteur:innen (Netzwerk GI): Berlin braucht die Gemeinwohlorientierung des Berliner Bodenfonds
  2. Stadt von Unten: Bodenmodell
  3. Wahlprüfsteine der Dossiergruppe des mietenpolitischen Dossiers 2021: #WPS1; #WPS3