Beitrag #14 aus dem mietenpolitischen Dossier 2021
Wir veröffentlichen hier den 14. Beitrag aus dem mietenpolitischen Dossier vom Bündnis digitale Stadt Berlin
Die digitale Transformation hat in den letzten zehn Jahren auch den Wohnungsmarkt nachhaltig verändert. Starke Treiber sind dabei private Plattformen wie ImmobilienScout24, Booking oder Airbnb. In ihrer Funktion als „Gatekeeper“ (in etwa: Türsteher) verfügen sie auf dem Wohnungsmarkt über ein Quasimonopol. Durch diese Marktstruktur wird es geradezu verunmöglicht, eine Wohnung zu finden, ohne dabei auf die Dienste einer der Plattformen zurückgreifen zu müssen. Auch andere Bereiche der Wohnungswirtschaft werden digitalisiert und plattformisiert. Unter dem Begriff „Proptech“ (Property Technology, oder Immobilientechnologie) sammeln sich weltweit Start-ups, die digitale Lösungen für den gesamten Lebenszyklus von Immobilien anbieten. Unternehmen wie die Berliner 21st Real Estate bieten etwa Immobilienbewertungen und Objektanalysen auf Grundlage eines nicht frei zugänglichen Algorithmus an. Mit Parametern wie der aktuellen Mieter:innenliste und der örtlichen Mietpreisentwicklung und -regulierung werden Mietpotenzial, Umsatzrendite und Objektwert berechnet.
Auf dem regulären Mietmarkt haben Immobilienplattformen eine Monopolstellung. In vielen Städten wie Berlin lässt sich ohne teure Premium-Mitgliedschaften kaum noch eine Wohnung finden. Zudem nutzen die Unternehmen die Notsituation vieler Mieter:innen aus und extrahieren Unmengen persönlicher Daten. Mit den Daten wird ein Wissensmonopol beansprucht und mit nicht nachvollziehbaren „Studien“ die Debatte über die Regulierung des Wohnungsmarkts beeinflusst. Die Datensammlung und der Einsatz digitaler Überwachungssysteme sowie künstlicher Intelligenz (zum Beispiel durch Gesichtserkennungssoftware für schlüssellose Türsysteme) verstärkt die Macht der Eigentümer:innen gegenüber den Mieter:innen.
ImmobilienScout & Co ausbremsen
Wohnungsplattformen wie ImmobilienScout24 und Proptech-Anbieter:innen sollten dazu verpflichtet werden, alle nicht personenbezogenen Daten zum Wohnungsmarkt den lokalen Verwaltungsbehörden im öffentlichen Interesse zur Verfügung zu stellen. Ein solcher Datenzugang könnte verantwortliche Stellen für die sozialpolitische Regulierung des Wohnungsmarkts informieren und die Einhaltung bestehender Regulierungen verbessern (Mietpreisbremse, Zweckentfremdungsverbot, Steuerzahlungen et cetera).
Der Zugang zu digitalen Wohnungsanzeigen sollte offen, diskriminierungsfrei, kostenlos und Privacy-freundlich ausgestaltet werden. Zu diesem Zweck ist eine Trennung von Wohnungsanzeigen und Plattformen unerlässlich. Wohnungssuchende müssen das Recht erhalten, den Zugang zu den Wohnungsdaten selbst zu wählen. Technisch gesehen müssen die Wohnungsplattformen dazu verpflichtet werden, ihre Datenbestände über offene, interoperable Schnittstellen anderen, gemeinwohlorientierten Plattformen zur Verfügung zu stellen. In Zusammenarbeit mit den Landesdatenschutzbehörden muss dabei sichergestellt werden, dass die zu entwickelnden Datenstandards besonders datensparsam in Bezug auf personenbezogene Daten sind.
Sind die Daten privater Wohnungsannoncen erst über offene Schnittstellen verfügbar, sollten diese über gemeinwohlorientierte Plattform-Alternativen zugänglich gemacht werden. Dafür sollte das Land Berlin datenschutzfreundliche und diskriminierungsfreie Wohnungsportale fördern. Ein Beispiel hierfür ist die Plattform inberlinwohnen.de, die Angebote für Mieter:innen der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften bereitstellt.
Die Daten zu verfügbaren Mietwohnungen von Immobilienscout24 und Co könnte inberlinwohnen.de sukzessive in das eigene Angebot integrieren und auf diese Weise einen diskriminierungsfreien und Privacy-konformen Zugang zum digitalen Wohnungsmarkt etablieren.