Wie der Mietspiegel entstand, wie er sich verändert hat und was ihm heute fehlt – eine kleine Kulturgeschichte des Instruments in der Mietenpolitik

Der Mietspiegel ist ein wichtiges Instrument der Mietenpolitik. Mit ihm errechnet man die „ortsübliche Vergleichsmiete“. Diese zeigt an, wie stark die Miete auf dem freien Wohnungsmarkt steigen darf. Mieter*innen können mit dem Mietspiegel übermäßig hohe Mietforderungen zurückweisen. Das gibt ihnen eine gewisse Sicherheit. Allerdings steckt im Mietspiegel eine Preissteigerungsautomatik, denn bei der Berechnung werden nur Miethöhen berücksichtigt, die in den letzten sechs Jahren neu festgelegt wurden. Unveränderte Mieten, die tendenziell niedriger sind, bleiben außen vor. So bilden die Neuvertragsmieten von heute die ortsübliche Vergleichsmiete von morgen und treiben die Mietenspirale für alle Wohnungen an. Im Berliner Mietspiegel sind die Preise von 2003 bis 2021 um fast 60 Prozent gestiegen.

Seit seiner Einführung vor fast 50 Jahren ist der Mietspiegel umstritten. Mieterorganisationen fordern, dass alle Mieten im Mietspiegel erfasst werden, damit tatsächlich der gesamte Wohnungsmarkt abgebildet wird. Einige Wohnungsunternehmen bekämpfen hingegen den Mietspiegel juristisch, um mit Gutachten und Vergleichswohnungen wesentlich stärkere Mieterhöhungen durchsetzen zu können. Ein Ausweg könnte ein Mietenkataster sein, in dem alle Mieten erfasst werden. Eine politisch festgelegte Mietbegrenzung würde den Mietspiegel überflüssig machen.

Woher kommt der Mietspiegel?

Mietspiegel gibt es seit Mitte der 1970er Jahre. Die Grundlage bildeten einige Mietrechtsänderungen durch die SPD-FDP-Bundesregierung unter Bundeskanzler Willy Brandt. Am 1. Januar 1972 trat das Wohnraumkündigungsschutzgesetz in Kraft. Es stellte sicher, dass Mieter*innen nur noch mit einem „berechtigten Interesse“ gekündigt werden dürfen.

Zuvor durften Vermieter*innen jederzeit ohne Angabe von Gründen kündigen. Dies nutzten Hauswirt*innen insbesondere für die sogenannte Änderungskündigung: Sie schickten den Mieter*innen eine Kündigung und unterbreiteten zugleich einen neuen Mietvertrag mit einer höheren Miete. Wenn die Mieter*innen diese nicht zahlen konnten oder wollten, mussten sie raus. Das Prinzip der Vertragsfreiheit wurde hochgehalten: Das heißt, Vermieter und Mieter konnten miteinander frei aushandeln, wie hoch die Miete ist. In der Praxis gab es aber auch damals kein Kräftegleichgewicht. Mieter*innen konnten über die Miethöhe nicht verhandeln, sondern mussten akzeptieren, was die Vermieter*innen in den Mietvertrag schrieben. Die Miethöhe war bei neuen Verträgen nicht gesetzlich begrenzt. Deshalb stiegen die Mieten schnell an. Der Deutsche Mieterbund (DMB) hat im Jahr 1970 beobachtet, dass in den Ballungsgebieten die Altbaumieten seit 1962 um 150 Prozent zugelegt hatten.

Änderungskündigungen wurden mit dem Wohnraumkündigungsschutzgesetz von 1972 abgeschafft. Dafür bekamen Vermieter das Recht, die Miete durch einseitige Erklärung an die „ortsübliche Vergleichsmiete“ anzupassen. Die ortsübliche Vergleichsmiete sollte das durchschnittliche Mietniveau von Wohnungen ähnlicher Ausstattung und Lage darstellen. Doch wie dieser Wert bestimmt wird, hatte das Gesetz zunächst nicht geregelt. Mit dem Miethöhegesetz von 1974 wurde das Mieterhöhungsverfahren festgeschrieben. Darin steht, dass zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete neben Sachverständigengutachten und Vergleichswohnungen auch Mietspiegel benutzt werden können.

Der Einstieg in das Vergleichsmietensystem war aus Sicht des DMB – verglichen mit dem schutzlosen Zustand zuvor – eine „Sternstunde für die Mieter“. Im Jahr 1975 erschienen in westdeutschen Städten die ersten Mietspiegel.

West-Berlin bekam erst 1987 einen Mietspiegel. Für Altbauten galt bis dahin noch die nach dem Krieg eingeführte Mietpreisbindung. Neubauwohnungen ab Baujahr 1948 waren in Berlin ganz überwiegend mit der Förderung des Sozialen Wohnungsbaus errichtet worden und hatten deshalb staatlich begrenzte Mieten.

In Ost-Berlin und der ehemaligen DDR wurden die Mieten ab 1990 mit Überleitungsvorschriften stufenweise an das Vergleichsmietensystem herangeführt. Der erste Mietspiegel für die Berliner Ost-Bezirke erschien 1997. Im Jahr 2000 kam der erste Gesamtberliner Mietspiegel heraus, der allerdings noch getrennte Tabellen für die Ost- und die West-Bezirke hatte. Seit dem Berliner Mietspiegel von 2005 wird nicht mehr nach Ost und West unterschieden – mit Ausnahme der Wohnungen, die zwischen 1973 und 1990 gebaut wurden.

Wofür braucht man einen Mietspiegel?

Der Mietspiegel dient zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Diesen Wert kann man für jede einzelne Wohnung aus der Mietspiegeltabelle ablesen. Dabei werden die Wohnlage, die Wohnungsgröße, das Baualter und die Ausstattung – zum Beispiel Balkon, Bodenbelag oder Einbauküche – berücksichtigt. Die ortsübliche Vergleichsmiete ist das Höchstmaß für reguläre Mieterhöhungen in laufenden Mietverhältnissen. Mit dem Mietspiegel können Mieter also abschätzen, ob sie einer verlangten Mieterhöhung zustimmen müssen. Vermieter können damit ermitteln, wie stark sie die Miete anheben dürfen. Der Mietspiegel ist als „Befriedungsinstrument“ gedacht: Er soll vermeiden, dass jeder Streit um Mieterhöhungen vor Gericht landet.

Mieterhöhungen können zwar auch mit einem Sachverständigengutachten oder mit Vergleichswohnungen begründet werden, aber Vermieter müssen dabei immer auch auf das für die konkrete Wohnung zutreffende Mietspiegelfeld hinweisen.

Nicht jede Miete darf bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete angehoben werden. In Berlin gilt gleichzeitig eine Kappungsgrenze: Innerhalb von drei Jahren darf die Miete nur um bis zu 15 Prozent erhöht werden, auch wenn die ortsübliche Vergleichsmiete damit noch nicht erreicht wird.

Den Mietspiegel braucht man auch, um die Mietpreisbremse zu ziehen. Die Mietpreisbremse besagt, dass bei der Anmietung einer Wohnung die Miete höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen darf. Wer einen Mietvertrag mit einer höheren Miete unterschrieben hat, kann sich auf den Mietspiegel berufen und die Miete nachträglich auf den höchstzulässigen Betrag absenken. Leider können Mieter*innen das wegen vieler gesetzlicher Ausnahmeregelungen in der Praxis nicht leicht durchsetzen.

Auch wenn man eine Mietpreisüberhöhung nach dem Wirtschaftsstrafrecht anzeigen will, benötigt man den Mietspiegel. Eine solche Straftat liegt vor, wenn die Miete mehr als 20 Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt und der Vermieter eine Notlage des Mieters oder der Mieterin ausgenutzt hat. Das ist ebenfalls schwer nachzuweisen. Es wird aber eine Gesetzesänderung diskutiert, durch die Mietpreisüberhöhungen künftig einfacher verfolgt werden können.

Der Mietspiegel gilt nur für freifinanzierte Wohnungen ohne Sozialbindung, also nicht für geförderte Sozialwohnungen oder Wohnungen, die mit öffentlichen Fördergeldern modernisiert wurden. Solche Wohnungen haben eine festgeschriebene Mietpreisbindung. Auch für Mietwohnungen in Ein- oder Zweifamilienhäusern gilt der Berliner Mietspiegel nicht.

Wie entsteht der Berliner Mietspiegel?

Alle zwei Jahre erscheint ein neuer Berliner Mietspiegel. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen beauftragt ein Forschungsinstitut damit, von Vermieter*innen und Mieter*innen Daten zu erheben und diese auszuwerten. Die Daten von rund 12.000 Wohnungen fließen jeweils in den Mietspiegel ein.

Berücksichtigt werden nur Mieten, die in den vorangegangenen sechs Jahren erhöht oder neu vereinbart worden sind. Damit besonders teure und billige Mieten das Gesamtbild nicht statistisch verzerren, werden bei der Berechnung das teuerste und das billigste Achtel der erhobenen Mietwerte außer acht gelassen.

In einer Mietspiegel-Arbeitsgruppe wird über Details beraten, zum Beispiel zu welcher Wohnlage ein bestimmtes Stadtviertel gehört oder welchen Einfluss verschiedene Ausstattungsmerkmale haben. In dieser Arbeitsgruppe sind drei Mieterverbände – der Berliner Mieterverein, die Berliner Mietergemeinschaft und der Mieterschutzbund Berlin – sowie drei Vermieterverbände – BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen, BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen und Haus & Grund – vertreten. Im Idealfall tragen beide Seiten das Ergebnis mit.

Weil der Berliner Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wird, gilt er als „qualifizierter Mietspiegel“. Das bedeutet, er ist bei Streitigkeiten um die Miethöhe das Maß aller Dinge. Ein mit weniger Aufwand und mit geringerer Datenbasis aufgestellter „einfacher Mietspiegel“ hätte nicht diese große Beweiskraft.

Wie ist der Berliner Mietspiegel aufgebaut?

Kernstück des Berliner Mietspiegels ist die große Mietspiegeltabelle. Sie ist eingeteilt in acht Baualtersgruppen und in vier Wohnungsgrößenbereiche, jeweils nochmal unterschieden in die Wohnlagenkategorien „einfach“, „mittel“ und „gut“. Damit hat die Tabelle 96 Felder. Das Baualter bezieht sich darauf, wann die Wohnung erstmalig bezugsfertig geworden ist – bei nachträglich ausgebauten Dachgeschossen ist das also nicht das Baujahr des Hauses. Nach dem Baualter wird unterschieden, weil die Gebäude aus den verschiedenen Epochen in ihrer Mietenstruktur teilweise stark voneinander abweichen. Die Einteilung nach Wohnungsgröße erfolgt, weil Wohnungen mit mehr Fläche in der Regel pro Quadratmeter etwas günstiger sind als kleine Wohnungen. Für die Einteilung in die drei Wohnlagen gibt es ein Straßenverzeichnis, das jede Berliner Adresse eindeutig zuordnet. Eine gute Wohnlage liegt zum Beispiel vor, wenn das Haus in einem bevorzugten, verkehrsgünstigen und durchgrünten Stadtteil steht. Einfache Wohnlagen sind dagegen dicht bebaute Viertel mit wenig Grün, die zum Teil mit Gewerbe durchmischt oder verkehrlich schlecht angebunden sind.

In den Mietspiegelfeldern ist die Nettokaltmiete pro Quadratmeter sowohl als Mittelwert als auch als Ober- und Unterwert angegeben. Im Mietspiegel 2021 beträgt zum Beispiel für eine bis 1918 bezugsfertige Altbauwohnung in mittlerer Wohnlage mit einer Wohnfläche zwischen 40 und 60 Quadratmeter der Mittelwert 7,51 Euro, der Unterwert 5,47 Euro und der Oberwert 10,36 Euro. Wo genau innerhalb der großen Spanne zwischen Unter- und Oberwert die ortsübliche Vergleichsmiete für eine bestimmte Wohnung liegt, hängt von der Ausstattung ab. Diese wird mit der zum Mietspiegel gehörenden „Orientierungshilfe zur Spanneneinordnung“ bewertet. In den fünf Kategorien Bad/WC, Küche, Wohnung, Gebäude und Wohnumfeld werden wohnwerterhöhende und wohnwertmindernde Merkmale gegeneinander aufgerechnet. Je nachdem, wie stark die einzelnen Merkmale überwiegen, bestimmt sich, wie weit vom Mittelwert in Richtung Unter- oder Oberwert abgewichen wird. Wenn sich in allen Kategorien die erhöhenden und mindernden Merkmale die Waage halten, stellt im obigen Beispiel der Mittelwert von 7,51 Euro die ortübliche Vergleichsmiete dar. Ist die Ausstattung so gut, dass überall die wohnwerterhöhenden Merkmale die Oberhand haben, kann die Miete bis zum Oberwert von 10,36 Euro erhöht werden.

Was als wohnwerterhöhend gilt und was nicht, hat also einen großen Einfluss bei der Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Über die einzelnen Ausstattungsmerkmale wird deshalb bei der Aufstellung der Mietspiegels zäh gerungen. So gelten im Bad „Strukturheizkörper als Handtuchwärmer“ und „wandhängendes WC mit in der Wand eingelassenem Spülkasten“ als wohnwerterhöhend, obwohl dies bei Badmodernisierungen längst Standard ist. Vermieter können mit diesen recht billigen Umbauten die Miete leicht in Richtung Oberwert drücken.

Warum wirkt der Mietspiegel als Mieterhöhungsmotor?

In den letzten 20 Jahren haben die Durchschnittsmittelwerte des Berliner Mietspiegels große Sprünge gemacht, die meist weit über dem Anstieg der allgemeinen Lebenshaltungskosten lagen. Eine Ausnahme ist der Mietspiegel 2021: Weil 2020/21 die Mieten durch den Berliner Mietendeckel generell begrenzt waren, konnten keine neuen Daten erhoben werden. Deswegen wurden die Werte von 2019 mit dem Faktor der allgemeinen Preissteigerungsrate (plus 1,1 Prozent) für den Mietspiegel 2021 fortgeschrieben. Von 2003 bis 2021 betrug die Steigerung insgesamt 59,4 Prozent.

Nach dem Erscheinen eines neuen Mietspiegels setzt meist eine Mieterhöhungswelle ein. Vermieter*innen nutzen die aufgezeigten Mietsteigerungsmöglichkeiten aus und haben oft auch anstehende Mieterhöhungen bis zur Veröffentlichung eines neuen Mietspiegels aufgeschoben. Viele Mieter*innen nehmen den Mietspiegel deshalb als Preistreiber und „Mieterhöhungsspiegel“ wahr.

Dies liegt vor allem daran, dass nur die veränderten Mieten der letzten sechs Jahre in den Mietspiegel einfließen. Der Mietspiegel bildet also Neuvermietungen und Mieterhöhungen der vergangenen Jahre ab, schließt jedoch unveränderte Mieten aus. Vor 2020 wurden sogar nur die Mieten der letzten vier Jahre berücksichtigt. Aus Mietersicht war die Ausweitung des Betrachtungszeitraums auf sechs Jahre schon ein kleiner Erfolg. Mieterverbände fordern jedoch, dass grundsätzlich alle Miethöhen in die Mietspiegelberechnung einfließen, damit auch wirklich der gesamte Markt abgebildet wird. Vermieter*innen wollen hingegen auch bestehende Mieten möglichst schnell auf das aktuelle Marktniveau erhöhen und möchten deshalb nur neu festgelegte Miethöhen im Mietspiegel haben. Nach wie vor fließen in die Mietspiegel-Statistik auch unrechtmäßig hohe Mieten ein, die auf ungeahndeten Verstößen gegen die Mietpreisbremse beruhen.

Jahr%€/m² nettokalt
20034,24
2005+ 5,94,49
2007+ 5,84,75
2009+ 1,74,83
2011+ 7,95,21
2013+ 6,35,54
2015+ 5,45,84
2017+ 9,46,39
2019+ 5,36,72
2021+ 1,16,79
Entwicklung der durchschnittlichen Mittelwerte des Berliner Mietspiegels

Warum steht der Berliner Mietspiegel unter juristischem Dauerbeschuss?

In den vergangenen Jahren haben Vermieter*innen häufig versucht, gegen den Berliner Mietspiegel gerichtlich vorzugehen. Doch auch in den wenigen Fällen, in denen Berliner Amtsgerichte meinten, der Berliner Mietspiegel sei nicht qualifiziert, haben sie ihn dennoch als einfachen Mietspiegel akzeptiert. Und ein einfacher Mietspiegel ist für die Gerichte immer noch eine „ausreichende Schätzgundlage“ zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete.

Mit den Angriffen auf den Mietspiegel versuchen Vermieter*innen, stärkere Mieterhöhungen durchzusetzen, indem sie diese mit einem Sachverständigengutachten oder mit Vergleichswohnungen begründen. Wenn dies vor Gericht zugelassen wird, ist das für Mieter*innen sehr nachteilig, denn kostspieligen Gutachten können sie in der Regel nichts entgegensetzen und in Berlin finden sich immer drei ähnliche Vergleichswohnungen, die noch teurer sind. Dagegen ist ein Mietspiegel, der auf 12.000 Mietdaten beruht, zweifellos stichhaltiger und gerechter.

Gerade der Berliner Mietspiegel steht besonders im Kreuzfeuer, weil hier in den letzten 15 Jahren die Kluft zwischen den real gezahlten Mieten und den am Markt erzielbaren Mieten immer größer wurde. Zudem ist Berlin mit Abstand der größte Mietmarkt in Deutschland. 84 Prozent der Bevölkerung wohnen hier zur Miete. Ein Mietspiegel, der für 1,4 Millionen Wohnungen gilt, wird auch deutschlandweit von Fachleuten beobachtet.

Eine neue Dimension erreichten die Angriffe gegen den Berliner Mietspiegel im Jahr 2022, als ein Regensburger Institut gegen die Ausschreibung der Berliner Mietspiegel 2023 und 2025 klagte. Das Unternehmen wirbt für eine andere Berechnungsmethode, sogenannte Regressionsmietspiegel, und meint, der in der Berliner Ausschreibung geforderte und bewährte Tabellenmietspiegel sei kein geeignetes Verfahren für einen qualifizierten Mietspiegel. Dieser akademische Methodenstreit unter Statistiker*innen beschäftigte monatelang das Kammergericht, das schließlich im Oktober 2022 die Klage abwies. Doch dadurch ist die Aufstellung des Berliner Mietspiegels 2023 blockiert worden, denn das bereits beauftragte Sozialforschungsinstitut konnte wegen des schwebenden Rechtsstreits seine Arbeit nicht beginnen. Die Mietdaten hätten schon im September erhoben werden müssen, um turnusmäßig im Mai 2023 einen neuen qualifizierten Mietspiegel vorlegen zu können. Damit keine Rechtsunsicherheiten auftreten, wollen sich die Mieter- und Vermieterverbände zunächst auf einen einfachen Übergangs-Mietspiegel verständigen.

Wie kann der Mietspiegel gerechter werden?

Damit die Querschüsse gegen den Mietspiegel aufhören, fordern Mieterverbände seit langem eine unangreifbare gesetzliche Festlegung, wie ein qualifizierter Mietspiegel aussehen muss.

Eine Alternative könnte ein Mietenkataster sein. Darin könnten für alle Wohnungen die gezahlten Mieten sowie Wohnfläche, Ausstattung und Lage erfasst sein. Vorbilder für eine solche zentral geführte Datenbank gibt es in Skandinavien, Österreich und der Schweiz. Ein Mietenkataster würde einen umfassenden Überblick über die tatsächlich gezahlten Mietpreise bieten und könnte eine verlässliche Grundlage für einen Mietspiegel sein. Ein Mietenkataster bietet außerdem mehr Transparenz. So könnten Mieterinnen und Mieter im Kataster beispielsweise ablesen, wie hoch die Miete ihrer Vormieter war, und dadurch erkennen, ob ihre Miethöhe gegen die Mietpreisbremse verstößt. Auch zur Bekämpfung von Leerstand und Steuerhinterziehung könnte ein Mietenkataster dienen. Die rot-grün-rote Senatskoalition hatte sich 2021 vorgenommen, die Einführung eines Mietenkatasters zu prüfen, hat das Vorhaben jedoch aufgegeben. Grüne und Linke fordern weiterhin ein Mietenkataster, mittlerweile auch die Berliner CDU.

Wenn man die Mieten politisch begrenzte, würde ein Mietspiegel überflüssig. Der 2020 eingeführte Berliner Mietendeckel war ein Versuch, alle Mieten einzufrieren, wurde aber 2021 vom Bundesverfassungsgericht gestoppt, weil Berlin als Bundesland dafür nicht zuständig ist. Daraufhin startete eine Kampagne für einen bundesweiten Mietenstopp, mit dem die Mieten sechs Jahre lang nicht erhöht werden sollen. Bislang hat sich die Bundesregierung solchen Forderungen verweigert, doch selbst wenn ein zeitlich begrenzter Mietenstopp verhängt werden sollte, bräuchte es danach wieder einen Mietspiegel.

Jens Sethmann

Bildquelle:  Linda Dahrmann  / pixelio.de