Erstes Vernetzungstreffen der Mieter*innen aus dem geplanten Immobilien-Deal des schwedischen Wohnungsunternehmens Heimstaden Bostad
Der Immobilienkonzern Skjerven Group, der dem norwegischem Millionär Ivar Tollefsen gehört, will für das Wohnungsunternehmen Heimstaden Bostad über 130 Häuser in Berlin kaufen – das sind gut 4.000 Wohnungen. Gemeinsam mit der neugegründeten Mieter*innengewerkschaft, den Fünf Häusern, der Elwe, der Kiezversammlung44 und weiteren Unterstützer*innen hatte das IniForum ein erstes Informationstreffen organisiert und vorbereitet – online, weil physische Begegnungen derzeit nicht ratsam sind. Die Resonanz war ein klares Zeichen gegen den Ausverkauf der Stadt: 290 Vertreter*innen der betroffenen Häuser wählten sich ein.
Mittwochabend, fünf Minuten vor der Tagesschau: Noch immer gehen Mails beim IniForum ein, in denen die Absender*innen nach den Einwahldaten für das Heimstaden-Vernetzungstreffen fragen. Trafen sie vorgestern noch alle halbe Stunde ein, erreichen sie nun den 30-Sekunden-Takt. Gleichzeitig stauen sich die Besucher*innen vor dem Einlass in die Online-Veranstaltung – da muss auch Protokollant Konstantin schleusen und Vorbereiter Fabian aus dem Urlaub heraus Mails beantworten, während Moderatorin Carola sich mit der Technik herumschlägt: 290 Mieter*innen haben sich eingefunden, und selbstverständlich sitzen nicht alle jeden Tag in Video-Konferenzen. Als sogenannter Host, also Gastgeber*in des Treffens, kann sie die Mikrofone der Teilnehmer*innen stummschalten und so Nebengeräusche unterdrücken. Leider spricht dann auch Mitmoderator Mio von der Mieter*innengewerkschaft ins Leere.
Mit vereinten Kräften gelingt es uns, eine Ordnung herzustellen. Das liegt auch an den beteiligten Mieter*innen, die für alle später Hinzugekommenen im Chat Fragen beantworten. Warum sollen alle ihre Kameras ausstellen und warum sollen sie sich Fantasienamen geben? Weil die Video-Präsenz die Verbindung belastet, und weil niemand weiß, ob Mitarbeiter*innen von Heimstaden die Konferenz beobachten und sich Klarnamen von Mieter*innen herauspicken.
Es gibt selbstverständlich noch mehr Fragen: Bekommen wir jetzt neue Mietverträge? Was können wir tun? Wie ist das mit dem Vorkaufsrecht in Milieuschutzgebiet? Wie organisieren wir uns? Wer wohnt auch in der XY-Straße 23? Der Chat wird meterlang.
Heimstaden ist eine Bedrohung für alle Mieter*innen
Das Treffen (hier geht es zum Protokoll) beginnt mit einer Einführung. Es gibt ein pad, auf dem sich alle Häuser eintragen können, die am Protest gegen ihren Verkauf an Heimstaden teilnehmen wollen. Ihre Sprecher*innen und Ansprechpartner*innen nennen ihre Adresse, verwenden aber selbstgewählte Namen, um persönlich geschützt zu bleiben.
Es gibt außerdem einen Verteiler für die Vernetzung der Häuser, den schon viele beziehen. Eine kurze Mail dorthin genügt, um aufgenommen zu werden. Das ist nicht für alle selbstverständlich: Wir wurden aus einer Hafenstadt von jemandem angeschrieben, der für seine Mutter an der Besprechung teilnahm – sie hat keinen Internetanschluss.
Dann geht es Schlag auf Schlag: Die Mieter*innengewerkschaft und das IniForum stellen sich kurz vor. Jagda von der Initiative Fünf Häuser erklärt, warum ihre Mieter*innengemeinschaft sich gegen den Verkauf an Heimstaden wehrt und was es bedeutet, wenn Spekulanten in den Wohnungsmarkt eindringen: Es droht die Verdrängung der Mieter*innen durch Umwandlung in Eigentumswohnungen. Carola vom Ini-Forum verweist auf einen Text der Initiative „Hände weg vom Wedding“, die nachgeforscht hat, was mit Heimstaden-Häusern passiert.
Dani von der Elwe geht in die Tiefe und erzählt, wie für ihr Haus das Vorkaufsrecht ausgeübt wurde. Sie berichtet außerdem, wie sich ihre Hausgemeinschaft zusammengeschlossen hat.
Auf die Straße auch ohne Vorkaufsrecht
Sandrine von der Mieter*innengewerkschaft ermutigt auch Mieter*innen außerhalb von Milieuschutzgebieten, sich zu engagieren und sich nicht geschlagen zu geben: Ein breiter Protest macht auf eure Anliegen aufmerksam! Für die Bewohner*innen von Stadtteilen, die vom Vorkaufsrecht ausgeschlossen sind, ist ein eigener E-Mail-Verteiler eingerichtet.
In der anschließenden Fragerunde wird klar, dass viele Teilnehmer*innen noch nie vom Instrument des Vorkaufsrechts gehört haben. Andere sind informierter und hoffen auf einen Vorkauf, wissen aber nicht, wie sie ihre Bezirke überhaupt dazu bewegen können. Florian Schmidt (Grüne), Baustadtrat des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg, ermutigt die Mieter*innen, Forderungen zu stellen und auf die Straße zu gehen. Er weist außerdem darauf hin, dass Inis und Häuser ausgesprochen schnell handeln müssen.
Für viele Teilnehmer*innen ist die Veranstaltung anstrengend. So viele Informationen, so viel Neues! Ein Beitrag im Chat bringt es auf den Punkt: „Ich versteh trotzdem nicht was ich als einzelner Mieter machen kann.“ Hier wird sich die Vernetzung um ihre Nachbar*innen kümmern, ihnen helfen und deutlich machen müssen: „Du bist nicht allein!“
Nur mitmachen bringt den Protest voran
Im zweiten Teil der Konferenz stellt Sandrine einen Plan vor, wie die Mieter*innengewerkschaft nach und nach, aber flott, Ortsgruppen gründen will. Sie sollen Druck auf die jeweiligen Bezirke ausüben, Häuser in ihrem Einzugsgebiet zu unterstützen.
Für die Mieter*innen im Millionendeal geht es aber auch darum, sich in Arbeitsgruppen (AGs) zu engagieren und 4.000 bedrohte Wohnungen sichtbar zu machen. Aufgrund von technischen Schwierigkeiten können zwei AGs noch nicht am selben Abend in einer weiteren Konefrenz starten, doch die AG Öffentlichkeitsarbeit & Social Media und die AG Aktionen kommen sofort zusammen.
Wer sich nach intensiven zwei Stunden noch nicht für eine AG entschieden hat oder ohnehin erst einmal die Lage verkraften muss, bleibt im Meeting und unterhält sich mit den anderen. 30 Teilnehmer*innen sind nach dem offiziellen Ende der Veranstaltung noch dabei und machen eine ganz erstaunliche Erfahrung: Unter normalen Umständen würden sich nun Kleingruppen bilden. In einer Videokonferenz geht das nicht – und dennoch funktioniert das Gespräch so gut, dass dieses erste Vernetzungstreffen sogar einen gemeinsamen Ausklang findet.
Die E-Mail-Verteiler der AGs:
AG Öffentlichkeitsarbeit & Social Media
AG Aktionen
AG Plan B / Häuser außerhalb der Milieuschutzgebiete / Langfristige Vernetzung
Die E-Mail-Verteiler der Ortsgruppen der Mieter*innengewerkschaft:
Wedding & Moabit
Spandau
Pankow
Neukölln
Friedrichshain-Kreuzberg
Tempelhof/Schöneberg
Steglitz-Zehlendorf