Beitrag #15 aus dem mietenpolitischen Dossier 2021
Wir veröffentlichen hier den 15. Beitrag aus dem mietenpolitischen Dossier von der Gesetz AG Mietenvolksentscheid
In Berlin existiert laut Wohnraumbedarfsbericht 2019 des Senats ein „Versorgungsdefizit“ an leistbaren Wohnungen in Höhe von 375.000 Wohnungen ( —> „[[Mit neuen Sozialwohnungen gegen die Versorgungslücke]]“). Die Gründe sind: Verkauf des Bestands des größten kommunalen Wohnungsunternehmens GSW im Jahr 2003, Abbau von Sozialwohnungen im Bestand wegen Auslaufens der Mietpreisbindung und zu wenig leistbare neue Wohnungen. Mit seinen sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) verfügt das Land Berlin über ein wichtiges Instrument, um die Versorgung der Berliner:innen mit leistbaren Wohnungen sicherzustellen. Der LWU-Bestand beträgt fast 323.000 Wohnungen. In der Vergangenheit haben sich die sechs LWU aber mit einer sozialen Ausrichtung schwergetan. Regelungen zu einer sozialeren Vermietungspolitik und zur besseren Kooperation untereinander mussten eher gegen die LWU durchgesetzt werden. Auch die Erweiterung von Mitbestimmungsmöglichkeiten der Mieter:innen stößt immer wieder auf Widerstand der Vorstandsetagen. Zwar wurde 2016 durch die Initiative Mietenvolksentscheid die Wohnraumversorgung Berlin – Anstalt öffentlichen Rechts (WVB) mit der Aufgabe gegründet, den „Versorgungsund Wohnungsmarktauftrag der landeseigenen Wohnungsunternehmen zu konkretisieren und Vorschläge zu entwickeln, wie die Unternehmen diesen erfüllen sollen“. Diese Anstalt hat jedoch nur beratende Funktion. Die Besetzung der Gremien der WVB wird durch Senator:innen und Vorstandsmitglieder vorgenommen, die dem Ziel des Mietenvolksentscheids – der sozialen Ausrichtung der landeseigenen Wohnungsunternehmen – nicht durchweg zwingend verpflichtet sind. Das hat in der Vergangenheit zu Blockaden innerhalb der WVB und zu Konflikten mit der mietenpolitischen Bewegung geführt.
Lösung
Aus all diesen Gründen müssen neue Ansätze im Umgang mit den LWU und ihrem Wohnungsbestand entwickelt werden. Kurzfristig realisierbare Lösungsansätze sind:
- 100 Prozent der neugebauten und wiedervermieteten Wohnungen sollen an WBS-Berechtigte vergeben werden
- Stärkung der Mieter:innenmitbestimmung mit starken Mitentscheidungsrechten und Unterstützung selbstorganisierter Strukturen per Gesetz (—> „[[Mietenpolitisches Dossier 2021/03 Mieterräte, Mieterbeiräte und Hausräte stärken|Mieterräte, Mieterbeiräte und Hausräte stärken]]“)
- Zusammenfassung bestimmter Funktionsbereiche als Shared Services (zum Beispiel für Bau und Planung) in gemeinsamen Tochtergesellschaften
- Eine Beteiligung von Mieteninitiativen, Mieterräten und -beiräten im Verwaltungsrat (dem Aufsichtsgremium) der WVB
- Eine Neubesetzung des Fachbeirats der WVB: d. h. weniger Lobbyist:innen und mehr Wissenschaftler:innen und unabhängige Expert:innen
- Die Besetzung von Vorständen der WVB muss im Konsens der Koalitionsfraktionen erfolgen und mit einer Anhörung der Basisinitiativen einhergehen
- Die Kompetenzen der WVB (Evaluierung und Weiterentwicklung der Leitlinien der LWU-Politik) müssen gestärkt werden
Auf längere Sicht sollten die sechs landeseigenen Wohnungsunternehmen in einer Holding in der Rechtsform einer Anstalt öffentlichen Rechts (AöR) zusammengefasst werden. Diese Organisationsform würde die Unternehmen von der Verpflichtung zur Gewinnerzielung befreien und eine bessere Verankerung demokratischer Mitbestimmung ermöglichen (s. Holm, A.; Kuhnert, J.: „Die nächsten Schritte zur sozialen Ausrichtung und Stärkung der LWU“, 2021).