Beitrag #13 aus dem mietenpolitischen Dossier 2021

Wir veröffentlichen hier den 13. Beitrag aus dem mietenpolitischen Dossier von Mieter:innen im Sanierungsgebiet, Anwohnerinitiative Weigandufer und den Kiezmiezen

Aktuell gibt es acht Sanierungsgebiete in Berlin, in denen zirka 70.000 Menschen wohnen. Hier unterstützt der Senat die städtebauliche Erneuerung, den Erhalt des baulichen Erbes und die Verbesserung von Wohn- sowie Arbeitsbedingungen. Dabei sollen – zumindest dem Papier nach – auch die Bewohner:innen in besonderem Maße beteiligt werden. Die Praxis sieht leider häufig anders aus. Trotz viel Beteiligungs-Tamtam machen engagierte Bürger:innen vor Ort oft die Erfahrung, dass ihre Anliegen in den institutionalisierten Beteiligungsverfahren kein Gehör finden.

Das hat verschiedene Gründe:

  • Informationen erfolgen oft zu spät und erst dann, wenn eigentlich schon alles entschieden ist. Anstatt beispielsweise bei der Frage mitreden zu können, ob und wie ein öffentlicher Platz saniert wird, dürfen Bürger:innen dann nur noch entscheiden, ob neue Sträucher links oder rechts vom Spielplatz gepflanzt werden sollen.
  • Für die Bewohner:innen wichtige Themen werden in den Beteiligungsgremien nicht zugelassen. Obwohl zum Beispiel Nord-Neukölln seit Jahren immense Mietsteigerungen erlebt und zahlreiche Initiativen sich gegen Herausmodernisierung und Verdrängung wehren, war das bislang nicht ein einziges Mal Thema im Sanierungsbeirat.
  • Häufig überlagern sich verschiedene Förderkulissen, mit jeweils eigenen Regeln und Beteiligungsformaten. Wo was entschieden wird und wer welche Rechte besitzt, ist oft nur noch für Expert:innen erkennbar.
  • In den Sanierungsbeiräten, in denen für die Weiterentwicklung der Gebiete wichtige Themen zwischen Verwaltung und Betroffenen gemeinsam diskutiert werden sollen, sitzen neben Mieter:innen häufig auch Hauseigentümer:innen, Gewerbetreibende und Projektträger:innen, die von einer Aufwertung des Gebietes direkt profitieren. Perspektiven der Mieter:innen geraten so leicht unter die Räder.

Hinzu kommt, dass sich die Beteiligungspraxis in den Bezirken zum Teil extrem unterscheidet. Für die Bewohner:innen der linken Seite des Kottbusser Damms
gelten so ganz andere Regeln als für die der rechten Seite.
Das ist kaum noch zu vermitteln.

Es braucht neue Ausführungsvorschriften für die Beteiligung in Sanierungsgebieten

Bis in die frühen 2000er Jahre wurde die Beteiligung der Mieter:innen in Sanierungsgebieten durch landesweit gültige Ausführungsvorschriften (AV) des Senats geregelt. Hieran muss wieder angeknüpft werden. Wir fordern, dass das Land Berlin eine neue „AV Mieter:innenbeteiligung“ verabschiedet, in der die Rechte der Mieter:innen einheitlich für alle Bezirke geregelt werden.

Dabei sind folgende Leitplanken wichtig:

  • Die Bezirke müssen verpflichtet werden, frühzeitig – also noch vor Antragstellung beziehungsweise Genehmigung – über maßgebliche Planungen für die Sanierungsgebiete zu informieren. In diese Informationspflicht sind auch Vorgänge einzubeziehen, die außerhalb der Kulisse der Städtebauförderung liegen, aber für die Gebiete wichtig sind
  • Gewählten Vertreter:innen der Mieter:innen muss zeitnah und unbürokratisch Akteneinsicht gewährt werden
  • Mieter:innen müssen nicht nur ihre Meinung sagen dürfen, sondern diese muss auch gehört werden. Um das sicherzustellen, sollte ein Verfahren etabliert werden, in denen Bezirke zu Anregungen und Bedenken der Mieter:innen Stellung nehmen müssen
  • Ihnen sollte auch das Recht eingeräumt werden, Anträge in die Bezirksverordnetenversammlungen (BVV) einzubringen und an Ausschusssitzungen der BVV teilzunehmen (diese Praxis wurde in der Vergangenheit im Bezirk Pankow bereits etabliert)
  • In den Sanierungsbeiräten ist sicherzustellen, dass eine Mehrzahl der Beiratsmitglieder in den Gebieten wohnt. Hierdurch soll einem Übergewicht von Hauseigentümer:innen, Gewerbetreibenden und Projektträger:innen entgegengewirkt werden