Ein Brandbrief der Potse gemeinsam mit vielen Mitunterzeichnenden

Am 10. Mai hat die Potse einen offenen Brandbrief zur Situation der Jugendkultur in Berlin veröffentlicht, den bisher bereits 100 Musikgruppen, Initiativen, Vereine, Clubs, Jugendzentren und andere solidarische Unterstützereinnen mitunterzeichnet haben. Wir veröffentlichen den Brandbrief hier unkommentiert im originalen Wortlaut.

Nach jahrelangen Verhandlungen und Gesprächen mit Politiker*innen, einer umfassenden Pressearbeit, kreativen Aktionen und unzähligen (Groß-)Demonstrationen, steht es nun endgültig fest: Auch das letzte selbstverwaltete Jugendzentrum muss aus seinen Räumen in Berlin-Schöneberg ausziehen.

Wir sind wütend und erstaunt darüber, dass der Bezirk Tempelhof-Schöneberg und der zuständige Jugendstadtrat Oliver Schworck (SPD), dass Jugendzentrum Potse trotz laufender Verhandlungen über mögliche Ausweichquartiere und inmitten eines Lockdowns, am 19.Mai 2021 durch die Berliner Polizei und mit Wohlwollen des Innensenators Andreas Geisel (SPD) räumen lassen will.

In Berlin werden und wurden unzählige Freiräume und Kulturprojekte entmietet, verdrängt und gewaltvoll geräumt. Auch vor den Kulturräumen der Berliner Jugend macht das Land Berlin jetzt keinen Halt mehr. Durch die geplante Räumung soll eine jahrzehntelang gewachsene Jugendkultur in Schöneberg absichtlich zerschlagen und ohne Aussicht auf einen adäquaten Ersatz auf die Straße gesetzt werden.

Was bleibt?

Wie beim Jugendzentrum Drugstore zu beobachten ist, gibt es für dieses, trotz anhaltender Versprechungen seitens der (Bezirks-)Politik, nun seit 2 1/2 Jahren noch immer keine bezugsfertigen Ersatzräume. Dasselbe Schicksal darf der Potse nicht widerfahren, weshalb sie nicht darauf reinfallen werden, erneut auf leere und wertlose Versprechungen von Politker*innen zu hören.

Dass die ausweglose Situation des Jugendzentrums Potse durch ein Versagen der Regierungskoalition aus SPD, LINKEN und Grünen (R2G) hervorgerufen wurde ist unstrittig, aber das zwischen diesen Parteien die Verantwortung nun schamlos hin- und hergeschoben wird, ist nicht weiter hinnehmbar.

Nachdem der Berliner Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) der Potse die Möglichkeit verwehrt hat, in Räume der Liegenschaft Potsdamer Str. 140 einzuziehen, weil er dort lieber eine Finanzschule sieht als selbstverwaltete Jugendzentren, kann er sich nicht einfach aus der Verantwortung ziehen. Als Finanzsenator besitzt er zudem einen umfassenden Einfluss auf die Berliner Immobilienmanagement GmbH (BIM), um brauchbare Ersatzräume im Landeseigentum zu finden.

Sandra Scheeres (SPD) steht als Senatorin für Bildung, Jugend und Familie ebenfalls in der Pflicht, sich für die Interessen der Jugendlichen und politische Bildungsorte einzusetzen. Getan hat sie bisher: Nichts. Obwohl hunderte Berliner Jugendliche seit Jahren um den Erhalt der Potse und des Drugstores kämpfen, ist Frau Scheeres dieser Zustand anscheinend vollkommen egal. Die Stimmen der Jugendlichen müssen endlich ernst genommen werden! Was ist euch Berlin wert, wenn die Politik die Jugend aus der Stadt verjagt?

Jugendkultur ist Kultur: In der Potse und dem Drugstore wurden jahrzehntelang unkommerzielle Konzerte, Theateraufführungen, Lesebühnen und Ausstellungen veranstaltet, die von zehntausenden Menschen in Anspruch genommen wurden. Somit sind

beide Orte ein wichtiger Teil der Berliner Kulturszene. Deshalb steht auch Klaus Lederer (Linke) als Kultursenator in der Verantwortung, sich für Jugendzentren einzusetzen.

Jugendkultur nicht als Kultur zu erachten ist keine sinnvolle Lösung. Hochkultur allein macht Berlin in seiner Vielfältigkeit nicht aus. Jede bekannte Band hat irgendwann und irgendwo mal klein angefangen und in solidarischen Räumen gespielt. Die Potse und das Drugstore sind und waren solche Orte.

Nun wurde kürzlich mit dem Senator für Stadtentwicklung und Wohnen, Sebastian Scheel (Linke), eine erste Verhandlungsbasis gefunden. Es klingt verheißungsvoll, dass dieser die Zollgarage im ehemaligen Flughafen Tempelhof vorgeschlagen hat und endlich etwas ins Rollen kommt. Allerdings: Eine Lösung aller Probleme ist auch hier noch immer nicht in Sicht. Die Zollgarage wird nach derzeitigem Stand leider noch keine Dauerlösung sein.

Deswegen FORDERN wir vom Bezirk Schöneberg-Tempelhof und der Stadtregierung von Berlin:

  1. Eine sofortige Aussetzung der Räumung bis adäquate Ersatzräume für Potse und Drugstore feststehen. Wir sind überzeugt davon, dass Berlin mehr Jugendräume braucht und nicht weniger. Gerade jetzt, während einer Pandemie, in der Jugendliche kaum mitgedacht werden, ist es wichtig Räume für Jugendliche zu erhalten und nicht gewaltvoll zu räumen. Es braucht Räume, in denen sich junge Leute treffen, organisieren und austauschen können. Freiräume, die emanzipatorisch und unkommerziell sind. In einer Stadt wie Berlin, die immer mehr ausverkauft und zu einem Ort wird, den sich viele Menschen nicht mehr leisten können, ist es besonders wichtig, solche Strukturen zu erhalten. Wir müssen dafür sorgen, dass Berlin eine soziale Stadt bleibt.
  1. Oliver Schworck (SPD), der Jugendstadtrat des Bezirks Tempelhof-Schöneberg muss, sofern die Räumung der Potse tatsächlich am 19.05.2021 stattfinden sollte, die notwendigen Konsequenzen ziehen.
  1. Eine vertraglich festgelegte Sicherung der adäquaten räumlichen Versorgung der Jugendzentren Potse und Drugstore auf Dauer. Auch wenn die Zollgarage im Flughafen Tempelhof eventuell zukünftig saniert werden muss, braucht es vertraglich gesicherte Ersatzräume für die Nutzer*innen der Jugendzentren.
  1. Das die Räumungswelle, die schon zu viele Freiräume in den letzten Monaten und Jahren getroffen hat endlich gestoppt wird. Denn diese ist kein Unglück oder Zufall – es sitzen ganz reale Menschen hinter diesen Entscheidungen. Es gilt jetzt, die Landespolitik in die Pflicht zu nehmen, endlich auf die unzähligen Stimmen der Stadt zu hören und nicht auf die der meistbietenden Investor*innen. Berlin braucht – gerade in Zeiten einer Pandemie – einen umfassenden Räumungsstopp für alle sozialen und kulturell genutzten Orte in Berlin. Jetzt und sofort!

Wenn die Forderung, die Räumung der Potse auszusetzen, bis zum 14. Mai 2021 nicht umfassend erfüllt und öffentlich kommuniziert wird, müssen wir als Zivilgesellschaft davon ausgehen, dass die Räumung des selbstverwalteten Jugendzentrums Potse von der Politik nicht gestoppt werden wird. Der politische Wille, die Potse zu erhalten, ist damit nicht mehr als ein unerfülltes Wahlversprechen.

Wir stehen gemeinsam für eine solidarische Stadt von unten ein und kämpfen gegen die Verdrängung und Räumung von sozialen und kulturellen Freiräumen und Projekten.

Unterzeichnet von:

Bands und Musikgruppen :11

  1. Taxi nach Tegel
  2. HAUSVABOT
  3. Berliner Frauenchor Judiths Krise
  4. Fontanelle
  5. One Step Ahead
  6. Lauratibor Protest-Oper
  7. Zecknäcks
  8. Daran SchaitertZ
  9. Resistenz’32
  10. Terrorgruppe
  11. Jogida

Bars, Clubs und Festivals:13

  1. Suicide Circus
  2. ://About Blank
  3. Syndikat
  4. Meuterei
  5. Pirata Patata
  6. Franziskaner
  7. YAAM
  8. Rock’n’Roll Herberge
  9. Der Goldene Hahn
  10. Der Franken
  11. Mensch Meier
  12. Resist to Exist Festival
  13. Fusion Festival

Jugendkulturzentren und Jugendvereine: 9

  1. T.E.K. e.V. (Till Eulenspiegel-Kette e.V.)
  2. Naturfreundejugend Berlin
  3. Unabhängiges Jugendzentrum Pankow JUP e.V.
  4. Haus der Jugend Bunte Kuh e.V.
  5. Landesjugendring Berlin e.V.
  6. Kreisjugendring Köpenick e.V.
  7. Café Köpenick
  8. selbstverwaltetes Jugendzentrum Potse
  9. selbstverwaltetes Jugendzentrum Drugstore

Initiativen, Vereine und Interessensvertretungen:

  1. Spreepublik
  2. Info- und Stadtteilladen Lunte
  3. Mieter_inneninitiative H48
  4. ANONYME ANWOHNENDE
  5. WEM GEHÖRT KREUZBERG
  6. AG Eigenbedarf kennt keine Kündigung
  7. Anarche Berlin
  8. Quartiersmanagment Grunewald
  9. Hedonistische Internationale
  10. AmMa65 e.V.
  11. Wem Gehört Berlin
  12. Block89
  13. Bucht für Alle
  14. Reclaim Club Culture
  15. ALERT
  16. Indiwi e.V.
  17. Bergpartei, die Überpartei
  18. Antiverschwurbelte Aktion
  19. Bündnis Zwangsräumung verhindern
  20. Rat der Künste Berlin
  21. Kiezpalaver Schöneberg
  22. Beirat des Initiativenforums Stadtpolitik Berlin
  23. Köpi
  24. Köpi Wagenplatz
  25. Eye!Warning – Filmproduktion
  26. Chile Freundschaftsgesellschaft „Salvador Allende“
  27. Bündnis für bezahlbare Mieten Neukölln
  28. Berliner Aktion gegen Arbeitgeberunrecht (BAGA)
  29. Demokratische Initiative 100% Tempelhofer Feld
  30. Linienstr. 206
  31. Kunstblock and beyond Berlin
  32. AG StopHeimstaden
  33. Lause Bleibt!
  34. Fédération Droit au logement (Frankreich)
  35. „La Bombonera“ Limbach-Oberfrohnau
  36. AK Pariser Kommune
  37. Antirassistische Initiative Berlin Initiative Mieter:innengewerkschaft Berlin
  38. Club of Roam – Autostop! e.V.
  39. Prachttomate
  40. Bürgerrechtsorganisation Humanistische Union e.V. Landesverband
    Berlin-Brandenburg
  41. Torhaus Berlin e.V.
  42. THF Radio
  43. Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn
  44. Initiative Stadtneudenken Berlin
  45. Clubcommission Berlin e.V.
  46. Rummels Bucht
  47. Bewegungsfreiheit Soli-Party Reihe
  48. Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen!
  49. Bizim Kiez
  50. Mieter*innen Initiative Weißensee
  51. THF Vision
  52. Netzwerk #200Häuser
  53. Anarchistische Bibliothek Wien
  54. HINZ UND KUNZ LEIPZIG
  55. Interkiezionale
  56. Regenbogenfabrik
  57. Bauhütte-Kreuzberg
  58. Schaubude Berlin
  59. Projekt ‚beGEG(e)Nung
  60. Gedenkort Fontanepromenade 15
  61. Kiezversammlung44
  62. Kiezladen Allee154
  63. Villa Kuriosum
  64. BBK – Berufsverband Bildener Künstler*innen
  65. Atelierbeauftragter der Stadt Berlin
  66. Kiezladen Friedel54 im Exil
  67. Sozialistische Jugend – die Falken Berlin