Die wichtigsten Infos für die Bewohner*innen der Heimstaden-Häuser
Mit der Information, dass ihr Zuhause eines der über 130 Häuser ist, die von der schwedischen Heimstaden AB gekauft wurden, stellten sich für die Betroffenen auch sehr viele drängende Fragen. In den letzten Wochen der Organisierung und bei großen Vernetzungstreffen konnten schon viele Fragen gesammelt und beantwortet werden. Wir haben diese gemeinsam mit der Mieter*innengewerkschaft Berlin dokumentiert und hier zusammengefasst. Die englischsprachige Version findet man hier.
Wer ist Heimstaden?
Heimstaden Bostad AB ist eines der größten schwedischen Wohnungsunternehmen und agiert europaweit. Es besitzt fast 44.000 Wohnungen in Skandinavien, 42.000 in Tschechien und bisher etwa 1.000 in Deutschland. Der größte Unternehmensanteil liegt bei der norwegischen “Fredensborg AS“, deren Eigentümer der Milliardär Ivar Tollefsen ist. In Berlin kauft die Skjerven Group GmbH im Auftrag von Heimstaden Bostad AB Häuser auf. Zur Skjerven Group GmbH hat die Initiative „Hände weg vom Wedding“ recherchiert.
Unser Haus wurde an Heimstaden verkauft. Wie können wir uns organisieren?
Ziel ist eine Hausversammlung – in Zeiten von Corona am besten im Hinterhof mit warmen Tee und Decken. Setzt einen E-Mail-Verteiler für das Haus auf und legt euch eine Emailadresse für das Haus zu. Organisiert eine Gruppe von Aktiven und denkt an die Mieter*innen, die eher den persönlichen Kontakt bevorzugen und selten in in ihre Mails gucken.
Schickt eine*n oder mehrere Delegierte zur berlinweiten Vernetzung, die über zentrale Forderungen entscheidet und die Arbeit der Arbeitsgruppen und Bezirksgruppen koordiniert. Anmeldung für den berlinweiten E-Mailverteiler hier: https://lists.riseup.net/www/subscribe/stopheimstaden
Außerdem gibt es drei Arbeitsgruppen:
AG Öffentlichkeitsarbeit kümmert sich um Presseanfragen und Social Media Kanäle: https://lists.riseup.net/www/subscribe/ag_pr_heimstaden-vernetzung
AG Aktionen organisiert Kundgebungen, Demos und andere Aktionen: https://lists.riseup.net/www/subscribe/ag_aktionen_heimstaden-vernetzung
AG Strategie schmiedet Pläne für die Häuser, die Heimstaden gekauft hat und für die kein Vorkaufsrecht gezogen wurde: lists.riseup.net/www/subscribe/ag-planb_heimstaden-vernetzung
Woher weiß ich, ob mein Haus von Heimstaden gekauft wurde?
Heimstaden hat einen sogenannten Paketkauf vorgenommen. Verkäufer ist die Gabriel International. Unter Mieter*innen ist sie für ihre Hausverwaltung „Stadthaus Verwaltungsgesellschaft mbH“, vormals „GMRE“, berüchtigt. Wenn du in einem Haus wohnst, das von der „Stadthaus Verwaltungsgesellschaft mbH“ verwaltet wird, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass dein Haus an Heimstaden verkauft wurde. Mehrere Initiativen haben durch Kontakte in die Politik und eigene Recherchen eine Liste sowie eine Karte erstellt, auf der die betroffenen Häuser zu sehen sind
Wie funktioniert das Vorkaufsrecht?
Wie das Vorkaufsrecht funktioniert und wie unterschiedlich die Bezirke handeln, steht hier.
Sofern ihr Fragebögen von eurem Bezirksamt erhalten habt, solltet ihr diese so schnell wie möglich ausfüllen und zurücksenden. Sie sind enorm wichtig für die sogenannte Wirtschaftlichkeitsprüfung, die auch Genossenschaften machen müssen. Einfach gesagt, ermittelt man mit einer Wirtschaftlichkeitsprüfung, ob sich der Kauf rechnet.
Die Prüfung ist nur möglich, wenn das Bezirksamt die Angaben von allen Wohnungen des Hauses erhält. Helft deshalb den Nachbar*innen, diese Formulare auszufüllen – vielen ist nicht klar, dass die meisten Daten im Mietvertrag stehen. In den Bezirken ist es mittlerweile so geregelt, dass jeweils zwei Wohnungsbaugesellschaften prüfen, ob sie als sogenannter Dritter einspringen wollen. Auch Genossenschaften oder dem Mietshäusersyndikat könnt ihr als Hausgemeinschaft die Daten in Form eines Portfolios schicken und sie können prüfen, ob das Haus zu ihnen passt. Falls ihr nichts von eurem Bezirksamt gehört habt, obwohl euer Haus in einem Milieuschutzgebiet liegt, solltet Ihr aktiv und hartnäckig auf den Baustadtrat oder die Baustadträtin zugehen und Druck machen. In manchen Bezirken haben diese Ämter andere Namen, heißen zum Beispiel „Amt für Stadtentwicklung“ (Lichtenberg) oder „Abteilung Immobilien, Umwelt und Tiefbau“ (Steglitz-Zehlendorf). Fangt gleichzeitig an, die benötigten Daten zu ermitteln – die Zeit läuft!
Woher weiß ich, wann die Vorkaufsfrist für den Bezirk abläuft?
Das sollte der Bezirk in einem Schreiben mitteilen. Allerdings informieren nicht alle Bezirke alle Mieter*innen, und nicht immer erhalten Mieter*innen diese Schreiben rechtzeitig. Grundsätzlich läuft die zweimonatige Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Notar oder die Notarin des Käufers/der Käuferin das sogenannte Negativzeugnis beim Grundbuchamt beantragt hat. Das ist eine Bescheinigung, in der die Gemeinde (bei uns der Bezirk) versichert, dass kein Vorkaufsrecht für das Grundstück eingetragen ist und es auch nicht durch die Gemeinde ausgeübt werden soll. Ein Grundstückskaufvertrag darf nur dann vom Grundbuchamt ins Grundbuch eintragen werden, wenn das Negativzeugnis vorliegt (§ 2 Abs. 2 GVO). Wenn du in einem Milieuschutzgebiet wohnst und kein Schreiben erhalten hast, wende dich an dein Bezirksamt und frage hier nach. Für die meisten Häuser gilt er 23. November 2020 als Stichtag.
Welche Möglichkeiten gibt es für Häuser, die nicht im Milieuschutzgebiet liegen?
Außerhalb von Milieuschutzgebieten können die Bezirke weder das Vorkaufsrecht ausüben noch eine Abwendungsvereinbarung abschließen. Für Häuser, die nicht in Milieuschutzgebieten liegen, ist eine langfristige Vernetzung mit anderen potenziellen Heimstaden-Häusern sinnvoll. Das gilt auch für Häuser in Milieuschutzgebieten, die nicht vorgekauft und für die keine Abwendungsvereinbarungen abgeschlossen werden. Die Mieter:innengewerkschaft vernetzt bereits jetzt Häuser, für die kein Vorkaufsrecht besteht und will auch die weiteren Häusern auffangen. Sie schlägt vor, die potenziellen Heimstaden-Häuser mit einer starken Stimme gegenüber dem neuen Eigentümer zu positionieren Vorbild ist eine schwedische Gewerkschaft in Schweden, die auch Tarifverhandlungen mit dem Konzern führt.
Wenn der Eigentümer wechselt und wir als Mietparteien bestehen bleiben, bekommen wir dann einen neuen Mietvertrag (auch in Hinblick auf den Mietendeckel?)
Nein, der Mietvertrag bleibt gültig. Ein Hausverkauf ändert niemals den Mietvertrag! Das Einzige, was sich ändert, ist das Konto, auf welches die Miete überwiesen wird.
Ist es sinnvoll, sich eine*n Anwältin/Anwalt zu nehmen?
Zu diesem Zeitpunkt kann ein Anwalt oder eine Anwältin nichts ausrichten. Mieter*innenorganisationen wie der Berliner Mieterverein oder die Berliner Mietergemeinschaft bieten ihren Mitgliedern Rechtsschutz und Beratung. Die Jobcenter übernehmen die Mitgliedsbeiträge für den Berliner Mieterverein e. V., den AMV – Alternativer Mieter- und Verbraucherschutzbund e. V. oder in Spandau auch für den Spandauer Mieterverein für Verbraucherschutz e. V..
Worin liegt der Vorteil, eine Genossenschaft als Hauseigentümerin zu haben?
Genossenschaften gehen in der Regel sorgsam mit den Mieter*innen um und agieren nicht profitorientiert. Deshalb steigen die Mieten wesentlich langsamer als auf dem freien Markt, unnötige Modernisierungen unterbleiben. Als Mitglied einer Genossenschaft erwirbst du Anteile an ihr (du kannst sie zurückgeben, wenn du ausziehst) und entscheidest damit zusammen mit den anderen Genoss*innen darüber, was in deinem Haus passiert.
Welche Daten über das jeweilige Haus lohnt es sich zu sammeln um sie den Genossenschaften beim Gespräch vorzeigen zu können?
Benötigt wird die Anzahl der Wohnungen, ihre jeweilige Quadratmeterzahl und die Anzahl der Zimmer (ohne Küche, Bad und Flur). Außerdem sollten die Heizungsart notiert werden (zum Beispiel Ofen-, Gasetagen- oder Zentralheizung) und wie das Bad ausgestattet ist.
Gibt es bereits E-Mail- oder Briefvorlagen, um sich die Arbeit ein wenig zu erleichtern an Genossenschaften schreiben?
Die Initiative „Wir Häuser“ kann Anschreiben an Genossenschaften zur Verfügung stellen: wir-haeuser@riseup.net
Ich wohne in einem der fünf Häuser, für die die Frist abgelaufen ist. Unser Haus wurde allerdings nicht vorgekauft. Wie geht es denn nun für uns weiter? Ist das Haus schon Eigentum von Heimstaden?
Ja, denn wenn die Frist abgelaufen ist und kein Vorkaufsrecht ausgeübt wurde, muss der Bezirk das sogenannte Negativzeugnis ausstellen. Danach wird der Grundstückskaufvertrag vom Grundbuchamt ins Grundbuch eintragen.
Welche Schritte müssen unternommen werden, um Einsicht in das Grundbuch zu bekommen?
Als Mieter*in hast du ein berechtigtes Interesse zu erfahren, wer dein*e Hauseigentümer*in ist. Du kannst dafür einen Termin beim Grundbuchamt machen. Zum Termin musst du deinen Personalausweis mitbringen.
Warum ist es schlecht, wenn Heimstaden Wohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln würde, würden dann die Wohnungen bzw. Häuser nicht wieder in die Hände der Bewohner fallen?
Dazu müssten es sich die Mieter*innen leisten können, beim Verkauf der Wohnungen von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen. Von knapp 18.000 Wohnungen, die zwischen 2015 und 2018 in Milieuschutzgebieten umgewandelt worden waren, wurden bisher nur 54 von Mieter*innen gekauft.