Beitrag #19 aus dem mietenpolitischen Dossier 2021
Wir veröffentlichen hier den 19. Beitrag aus dem mietenpolitischen Dossier der Initiative 100% Tempelhofer Feld
Vor sieben Jahren haben sich die Wähler:innen per Volksentscheid gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes (THF) gestemmt. Seitdem reißt in einschlägigen Kreisen die Debatte über die Bebauung des THF nicht ab – als hätte es keinen Volksentscheid gegeben, als wäre er temporär befristet, als gäbe es kein Gesetz, das vor Bebauung schützt. Die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, wie unverzichtbar das Stadtgrün in Berlin ist. Nicht nur das Tempelhofer Feld, sondern das gesamte vorhandene Stadtgrün.
Der Mangel an bezahlbaren Wohnungen wird gegen Grünflächen ausgespielt
Die Wohnungsfrage darf nicht auf öffentlichen Grünflächen gelöst werden und auch nicht mit der Überbauung von Kleingartenanlagen und stillgelegten Friedhöfen. Aber diese Flächen versprechen den Immobilienentwickler:innen die höchste Rendite: Wer wohnt nicht gerne mit Blick ins Grüne? Wohnungen, die unter diesen Kriterien entstehen, braucht die Stadt nicht, davon hat sie schon genug. Hier fehlt es ausschließlich an bezahlbaren Wohnungen und nicht an Wohnungen im oberen Preissegment, wie sie dort entstehen würden. Nachdem auch die Schulbau-Reserveflächen für Wohnungsbau verkauft wurden, liegt es nahe, öffentliche Grünflächen, Kleingärten oder ehemalige Friedhöfe dafür zu verplanen.
Aber die Stadt braucht dieses Stadtgrün. Mit zunehmender Verdichtung und steigenden Temperaturen sind diese Flächen das Einzige, was wir dem Klimawandel entgegensetzen können. Diese Flächen sind wichtige Kaltluftspeicher, die für die ganze Stadt von Vorteil sind. Keinen Meter dürfen wir davon abgeben, nicht an spekulative Projekte und nicht an eine Politik, die von den Interessen der Immobilienkonzerne getrieben ist. Wir wollen auch noch in 30 Jahren in einer lebenswerten Stadt wohnen und das heißt, dass wir uns jetzt um den Erhalt der Stadtnatur kümmern müssen.
Auch wenn es nur für ausgewählte Grünflächen wie das THF Besucherzählungen gibt, belegen diese, wie groß der Bedarf bei der Bevölkerung ist. Im Sommer 2020, während der Corona-Pandemie, wurde das Tempelhofer Feld von fast 200.000 Besucher:innen pro Woche genutzt. Andere Grünflächen stehen dieser Nutzungsdichte um nichts nach. Bei einer derartig hohen Nutzung kann sich Berlin die Bebauung der noch bestehenden Grünflächen nicht leisten. Soziale Gerechtigkeit und Klimagerechtigkeit sind kein Widerspruch und dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Von der Politik erwarten wir mehr als nur ein Bekenntnis zur Stadtnatur. Schulbauten, Kindergärten et cetera müssen auf bereits versiegelten Flächen gebaut werden, der Flächenfraß muss gestoppt werden. Der Stopp des 17. Bauabschnitts der A 100 wäre das richtige Signal dafür. Wir sind stolz und glücklich, dass es in dieser Stadt genügend Politiker:innen mit Rückgrat und Mut gibt, die diesen Mammutbau stoppen wollen! Aber das kann nur der Anfang sein: Die Betonproduktion stellt ein großes Problem wegen der hohen CO2 -Klimaemission dar. Wir brauchen gesetzliche Vorgaben, dass Neubauten emissionssparend und ressourcenschonend errichtet werden, zum Beispiel mit Holz und unter Wiederverwendung vorhandener Baumaterialien.
Wir fordern deshalb:
- Mangel an bezahlbaren Wohnungen nicht gegen Grünflächenschutz ausspielen
- Erhalt des Stadtgrüns als Leitbild der Stadtentwicklung, leerstehenden Bestand besser nutzen
- mit verbindlichem Entsiegelungskataster unnötige Versiegelung verhindern, Flächenentsiegelung verstärken
- Anerkennung der großen Beliebtheit des Tempelhofer Feldes als Freifläche seitens der Politik, Verhinderung der Schaffung von Hintertüren für Bebauungspläne