Beitrag #20 aus dem mietenpolitischen Dossier 2021

Wir veröffentlichen hier den 20. Beitrag aus dem mietenpolitischen Dossier vom Bündnis Mieterprotest Kosmosviertel

Der Gebäudebereich ist für circa ein Drittel der CO₂-Emissionen sowie für rund 35 Prozent des Endenergieverbrauchs verantwortlich, von denen 28 Prozent auf Raumwärme entfallen (Deutsche Umwelthilfe: 2014). Dementsprechend wurde in den einschlägigen Gesetzen diesem Bereich besonderes Gewicht zugemessen (Energieeinsparverordnung EnEV ab 2002, Energieeinsparungsgesetz EnEG). Durch die festgelegten Kostenumlageverfahren (§ 559 BGB) wurde Vermieter:innen eine hochattraktive Möglichkeit der Finanzierung geboten.

Diese ist bislang vollständig einseitig zulasten der Mieter:innen ausgerichtet und führt strukturell dazu, dass …

1. nur das Eigentum der Besitzer:innen aufgewertet wird.

2. Vermieter:innen (nach Abzahlung der vollständigen Kosten durch die Mietparteien) eine attraktive zusätzliche Einnahmequelle durch dauerhaft erhöhte Mieten eröffnet wird.

3. diese Mieterhöhung jedoch nicht an eine äquivalente Einsparung von Heizkosten bei den Mietparteien gekoppelt ist. In den entsprechenden Regelungen ist noch nicht einmal vorgesehen, eine Einsparung anhand von Verbrauchskontrollen nachzuweisen.

4. kein Zwang zur Kostenökonomie gegeben ist, sondern die finanziellen Interessen das Gegenteil bewirken. Mitspracherechte der Mieter:innen (die alles komplett bezahlen werden müssen, gleich zu welchem Preis) existieren nicht. So wurde in einer Studie von 2014 für Berlin beispielsweise ein Missverhältnis zwischen der durchschnittlichen Mieterhöhung nach § 559 BGB von 1,55 Euro pro Quadratmeter gegenüber einer Heizkostenersparnis von bis maximal nur 0,50 Euro pro Quadratmeter errechnet (Hentschel; Hopfenmüller: 2014).

5. die Lage auf angespannten Wohnungsmärkten bei Vermieter:innen ein weiteres Motiv zur Gewinnsteigerung erzeugt: Nach Verdrängung weniger zahlungskräftiger Mietparteien können bei einer Neuvermietung leistungslose Mieterhöhungen geltend gemacht werden, deren gesetzliche Deckelung im Allgemeinen kaum kontrolliert werden kann. Die mit der energetischen Modernisierung verbundenen Baumaßnahmen bieten außerdem die Möglichkeit, unterlassene oder aufgeschobene Sanierung verdeckt, aber ungesetzlich in deren Kosten einfließen zu lassen.

So ist hochpreisige energetische Sanierung zu einem Instrument sozialer Auseinandersetzungen („energetische“ Gentrifizierung) geworden – exemplarisch im Kosmosviertel Berlin-Altglienicke in allen Ausprägungen zu besichtigen.

Daraus leiten wir folgende Forderungen ab:

  • Bundesebene: Durchsetzung der Intention der Energieeinsparverordnung (EnEV), das heißt gemessene Energieeinsparung als Nachweis einer tatsächlich erfolgten Modernisierung, Vorgabe einer minimalen Nutzen-Kosten-Relation (sowohl monetär als auch bei der CO₂-Bilanz) unter Einbeziehung der Energie- und CO₂-Bilanz der Baustoffe
  • Bundesebene: Änderung der gesetzlichen Festlegungen zur Kostenumlage, das heißt Finanzierung energetischer Modernisierung komplett aus der Überschussmiete1 bei gleichzeitiger Verrechnung mit eingesparten Energiekosten. Somit null Prozent Umlage für Mieter:innen, Kostenneutralität für die Mietparteien und hoher Anreiz für Eigentümer:innen zu maximaler Energieeinsparung
  • Landesebene: Kontrolle durch unabhängige Stellen beziehungsweise Fachaufsicht in Bezirksämtern, Primat des sozialen Schutzes vor ökonomischen (Profit-) Gesichtspunkten, Ertüchtigung der Bauämter
  • Landesebene: ausreichende Modernisierungszuschüsse nur gegen dauerhafte Sozialbindung und für besonders ertragsarme Gebäude, die eine Finanzierung aus der Überschussmiete nicht tragen können, Zuschüsse gebunden an den Zielkorridor Energieeinsparung
  • Landesebene: erweiterte Mieter:innenmitbestimmung bei Maßnahmenumfang und -durchführung (—> „Mieterräte, Mieterbeiräte und Hausräte stärken“)
  • Bund und Länder: Entwicklung kostenminimierender und ressourcenschonender ökologischer Dämmverfahren. Da diese dem Profitstreben des Marktes entgegenlaufen (der Profiterhöhung über hohe Kosten anstrebt), müssen geeignete Maßnahmen zur Durchsetzung und Markteinführung ergriffen werden.

1 Überschussmiete = Mietanteil oberhalb der Selbstkostenmiete, siehe http://www.mietenwatch.de/wohnen-als-ware/#uberschuss-miete