Welche Rolle spielt die Umwandlung in Eigentumswohnungen bei Wohnungsbaugenossenschaften?

Der Ver- und Aufkauf von Häusern und Wohnungen und die Umwandlung dieser in Eigentumswohnungen ist ein durchgängig präsentes Thema für die Berliner Mietenbewegung und einer der Hauptgründe für die Verdrängung von Mieter:innen aus ihrem Zuhause und den Aufbruch von städtischen Strukturen. Größtenteils besteht diese Diskussion auf dem freien Immobilienmarkt. Doch wie sieht es mit der Umwandlung in Eigentum bei Genossenschaften aus? Das hat die Initiative der 200 Häuser den Recherchedienst des IniForums gefragt.

Genossenschaften gehen in der Regel sorgsam mit ihren Mieter*innen um und agieren nicht profitorientiert. Deshalb sollten die Mieten wesentlich langsamer als auf dem freien Markt steigen und unnötige Modernisierungen unterbleiben. Im Gegensatz zu profitorientierten Wohnungsunternehmen oder landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften ist die Genossenschaft theoretisch eine demokratische Unternehmensform. Alle Mitglieder einer Genossenschaft sind Gemeinschaftseigentümer*innen und können über die Entwicklung der Genossenschaft bestimmen. Als Mitglied einer Genossenschaft erwirbt man Anteile an ihr und entscheidet damit zusammen mit den anderen Anteilseigner*innen darüber, was im Haus passiert. Ein weiterer Vorteil, der oft angeführt wird: in Genossenschaftshäusern wohnt man so sicher wie ein*e Eigentümer*in und so flexibel wie ein*e Mieter*in. Genossenschaftswohnungen sind sicher, weil sie vor Verkauf geschützt sind und Genossenschaften darauf abzielen, diese Wohnungen innerhalb der Gemeinschaft zu belassen. Jedoch sind einige Genossenschaften auch weit weniger demokratisch aufgestellt, als es die Theorie vorgibt und die gemeinschaftliche Bewirtschaftung von Wohnraum tritt in den Hintergrund. Vor allem eine Novellierung des Genossenschaftsgesetzes von 2006 hat mehr Möglichkeiten zu Machtverschiebungen innerhalb von Genossenschaften mit sich gebracht. Und auch die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ist ein Thema.

Wie kann eine Umwandlung in Eigentum bei Genossenschaften verankert sein?

Das Genossenschaftsgesetz sieht vor, dass jede Genossenschaft sich eine Satzung geben muss, die interne Abläufe und Verfahren regelt. Es gibt zwar einige Vorgaben, damit eine Genossenschaft mit ihrer Satzung anerkannt wird, aber auch Freiheiten. So kann die Satzung zum Beispiel festlegen, auf welche Art und Weise Neumitglieder aufgenommen werden oder welche Mehrheiten für Entscheidungen nötig sind. Die Satzung kann auch die Umwandlung von Genossenschafts- in Eigentumswohnungen regeln. Manche Genossenschaften haben das sogar ganz fest verankert – hier spricht man von eigentumsorientierten Genossenschaften.

Was hat es mit eigentumsorientierten Genossenschaften auf sich?

Bei eigentumsorientierten Genossenschaften ist in der Satzung ausdrücklich festgeschrieben, dass einzelne Wohnungen an die Mitglieder verkauft werden können. Genossenschaftsmitglieder können also die Wohnung, in der sie leben, als Eigentumswohnung erwerben und damit aus der Genossenschaft herauslösen. In Berlin entstanden vor allem in den 90er Jahren viele eigentumsorientierte Genossenschaften. Grund dafür war die Eigenheimförderung, mit der seit Mitte der 1990er Jahre auch der Ankauf von Genossenschaftsanteilen gefördert werden konnte. Bedingung war jedoch, dass den den Genossenschaftsmitgliedern in der Satzung der Genossenschaft unwiderruflich das Recht auf Eigentumserwerb an der Genossenschaftswohnung eingeräumt wurde, solange eine Mehrheit der Genossenschaftsmitglieder in dem Wohnobjekt der Umwandlung zustimmte.

Während viele Genossenschaften dabei eine Zweidrittel-Mehrheit verankerten, gab und gibt es auch Genossenschaften, bei denen eine Mehrheit von 50 Prozent der Mitglieder ausreicht. Eine weitere Besonderheit dieser Genossenschaften: jede Wohnung war hier explizit bestimmten Mieter*innen zugeordnet. Nur so waren diese berechtigt, Fördermittel zu beziehen. Nachdem die Förderungsmöglichkeit ab Anfang der 2000er Jahre wegfiel, verschwand das eigentumsorientierte Genossenschaftsmodell allerdings fast komplett.

Wie ist die Situation heute in Berlin?

Die Umwandlung in Eigentum ist in Berliner Genossenschaften heute eher die Ausnahme. Es gibt jedoch weiterhin Genossenschaften, in denen Wohnungen in Eigentum umgewandelt wird. Bei der „Wohnungsbaugenossenschaft in Berlin“ (WiBeG) können Mitglieder  Wohnungen in Mischprojekten aus Mietwohnungen und Einzeleigentum kaufen, zum Beispiel in der Sebastianstraße in Mitte. 20 Prozent vom Wert der Wohnung bringen hierbei die Eigentümer*innen als Eigenkapital ein, wer mehr aufbringen kann, zahlt weniger “Nutzungsentgelt”. Die Zahlung wird den Mitgliedern jährlich als weiterer Anteilserwerb gutgeschrieben, nach rund zehn Jahren sind sie Eigentümer der Wohnung.

Ein anderes Beispiel ist die Spreefeld eG direkt an der Spree in der Nähe des Holzmarkts. Diese hatte bei ihrer Gründung vor einigen Jahren die Möglichkeit der Umwandlung der Mietwohnungen in Eigentum fest verankert. 60 Prozent der Wohnungen werden nun an Mieter*innen verkauft.

Fundiertes Zahlenmaterial, wie oft tatsächlich Umwandlungen innerhalb von Wohnungsbaugenossenschaften in Berlin stattfinden, scheint aber nicht zu existieren.

Fazit

Auch eine Wohnungsbaugenossenschaft folgt nicht immer den Idealen eines demokratischen und gemeinschaftlichen Zusammenwohnens in genossenschaftlichen Wohnungen. Das zeigt sich auch am Beispiel Eigentum und Umwandlung. Allerdings ist die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen innerhalb von Genossenschaften zwar möglich, wird aber selten angewendet und ist nur in wenigen Genossenschaften überhaupt möglich. Auch werden dabei die Wohnungen nicht von neuen Eigentümer*innen oder Investor*innen gekauft, die die Mieter*innen verdrängen. Stattdessen kaufen die Mieter*innen ihre eigenen Wohnungen selbst von der Genossenschaft. Trotzdem bricht dies mit dem gemeinschaftlichen Gedanken des genossenschaftlichen Wohnens. Es ist also wichtig, die Satzungen und Ausrichtungen von Genossenschaften genau zu hinterfragen.

Diese Recherche wird zukünftig noch erweitert.

Diese Recherche beruht auf Fragen der Initiative 200 Häuser:

Gibt es in Berlin Genossenschaften, die Ihre Wohnungen in Eigentum umgewandelt haben? 

Gibt es dazu Zahlenmaterial für Berlin?

Wie würden die Mietenden einer Genossenschaftswohnung davon erfahren, wenn die von ihnen genutzten Wohnungen umgewandelt werden?