Beitrag #9 aus dem mietenpolitischen Dossier 2021
Wir veröffentlichen hier den 9. Beitrag aus dem mietenpolitischen Dossier von Bucht für Alle
Ob Wagenplatz, Jugendzentrum, Buchladen, Künstler:innenatelier, Jazzkneipe oder Technoclub – viele Kultureinrichtungen in Berlin sind bedroht oder mussten bereits weichen. Dabei herrscht parteiübergreifend ein breiter Konsens, dass Berlin Räume für Kultur und Kreativität zu günstigen Konditionen und für alle zugänglich braucht und erhalten muss.
Nichtsdestotrotz machen betroffene Akteur:innen oft die Erfahrung, im Konfliktfall ohnmächtig und handlungseingeschränkt zu sein. Selbst jahrelanges Bemühen (wie im Fall der Jugendzentren Potse und Drugstore) oder die breite Unterstützung durch eine Volksinitiative mit 35.000 Unterschriften (wie im Fall der Rummelsburger Bucht/Bebauungsplan Ostkreuz) führen häufig nicht zu nachhaltigen Lösungen. Die Verdrängung von kulturellen Projekten geht trotz intensiven zivilgesellschaftlichen Engagements weiter.
Dahinter stehen verschiedene Probleme:
Erstens fehlen den Aktiven in der Regel zeitliche und finanzielle Ressourcen. Gerade wenn die Zeit drängt und die spezifische Konstellation des bedrohten Ortes ein dringendes Handeln nötig macht, sind intensive Öffentlichkeitsarbeit, aufwendige Kampagnenorganisation und permanente Kommunikation mit Politik und Verwaltung neben der Lohnarbeit kaum zu leisten. Trotz viel Engagements geraten ehrenamtliche Initiativen so schnell an ihre Grenzen. Oft fehlt auch das nötige Wissen über politische Prozesse, rechtliche Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten in den Verwaltungen, um schnell und effektiv handeln zu können.
Zweitens machen Aktivist:innen häufig die Erfahrung, im Pingpong zwischen zuständigen Verwaltungen hin und her geschickt zu werden. Die ressortmäßige Versäulung und die Zweistufigkeit der Berliner Verwaltung führt hier oft zu einem Spiel der angeblichen Nichtzuständigkeit, bei dem jede:r die Verantwortung abschiebt.
Drittens fehlt es an etablierten Verhandlungsräumen, die schnell aktiviert werden können, um Lösungen für akut bedrohte Räume und Projekte zu finden. Es gibt bislang keine „Alarmkette“, die bei Räumungsgefahr alle Zuständigen an einen Tisch bringt – die notwendige Vernetzung muss in jedem Fall gesondert mit viel Zeit- und Ressourcenaufwand von den Betroffenen selbst geleistet werden.
Es braucht eine Taskforce und eine Clearingstelle!
Um den hohen Ressourcenverschleiß zu minimieren und bedrohte Projekte zu retten, müssen dauerhafte intermediäre Strukturen aufgebaut werden. Dabei braucht es einerseits eine Taskforce für bedrohte Räume, die – als kurzfristig handlungsfähiges Notfallgremium – Verdrängung und Verlust von soziokulturellen Räumen notfalls auch im letzten Moment verhindern kann. Zudem müssen Projekte auch langfristig unterstützt und geschützt werden. Hierfür ist eine Clearingstelle erforderlich, die soziale und kulturelle Akteur:innen in Stadtentwicklungsprozessen begleitet und berät und die Abstimmung mit der Berliner Politik und Verwaltung auf Landes- und Bezirksebene aktiv unterstützt.