Auf der Veranstaltung „Was tun gegen den Mietenwahnsinn?“ haben vier Spitzenkandidat*innen und ein Fraktionsvorsitzender die Fragen der mietenpolitischen Initiativen beantwortet.
- Sebastian Czaja (FDP): Milieuschutz
- Bettina Jarasch (Die Grünen): Fördergelder für energetische Modernisierung
- Burkard Dregger (CDU): Baugenehmigungen während des Mietendeckels
- Franziska Giffey (SPD): Quote von Sozialwohnungen
- Klaus Lederer (Die LINKE): Kapitalkonzentration in Boden und Wohnungen
„Mich ärgert das, dass die Milieuschutzgebiete dazu beitragen, dass wir viele ältere Menschen von ihrer Wohnung entwurzeln müssen. […] Wenn sie in der 3. oder 4. Etage wohnen, und keinen Aufzug in diesem Milieuschutzgebiet bekommen, dann werden sie auf Wohnungssuche gehen müssen, und an einem knappen Wohnungsmarkt in Berlin derzeit keine Wohnung finden.“
Stimmt das?
Nein. Die Darstellung von Sebastian Czaja, dass Milieuschutzgebiete „dazu beitragen“ dass ältere Menschen aus ihren Wohnungen „entwurzelt werden müssen“, weil der Einbau eines Aufzugs verwehrt wird, suggeriert, dass diese Baumaßnahme in einem Milieuschutzgebiet unmöglich ist. Es gibt aber keinen formalen Ausschluss von Aufzügen im Gesetzesparagraph zur Erhaltungssatzung, mit dem Milieuschutzgebiete begründet werden. Und auch unter den Kriterien, anhand derer einzelne Bezirke die Genehmigung oder Verweigerung von Baumaßnahmen an Gebäuden in Milieuschutzgebieten prüfen, ist der Einbau von Aufzügen keins, das pauschal zur Versagung führt.
Im Gegenteil findet sich die Maßnahme des Aufzugeinbaus im Katalog derjenigen baulichen Maßnahmen des Berliner Mietervereins, von denen gilt, dass sie die Einzelfallprüfung in der Regel erfolgreich bestehen, und damit auch in Milieuschutzgebieten nicht verwehrt werden dürfen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. So hat z.B. das Bezirksamt Treptow-Köpenick 2019 seine Genehmigung für den Einbau von Aufzügen in Häusern im Milieuschutzgebiet Oberschöneweide u.a. damit begründet, dass es sich aufgrund der Größe der geplanten Aufzüge um eine besonders kostengünstige Variante handeln müsse, und dass die Umlage der Einbaukosten auf die Mieter*innen in Kauf zu nehmen sei, weil dadurch die Ausstattung ihres Hauses auf einen zeitgemäßen Standard angehoben werde. Maßnahmen „zur Herstellung des zeitgemäßen Ausstattungszustands einer durchschnittlichen Wohnung“ (Zitat aus dem Gesetzesparagraph zur Erhaltungssatzung) sind in Milieuschutzgebieten explizit genehmigungsfähig, und eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes aus dem Jahre 2012 (auf welche sich auch das Bezirksamt Treptow-Köpenick bezog), hat bestätigt, dass für Gebäude mit mehr als vier oberirdischen Geschossen der Einbau eines Aufzugs zu einer solchen Maßnahme gehört.
Interessanterweise hat das Gericht aber auch hinzugefügt, dass ein Bezirk trotzdem und ausnahmsweise die Maßnahme versagen kann, „wenn im betreffenden Quartier eine überdurchschnittlich hohe Verdrängungsgefahr für die vorhandene Wohnbevölkerung besteht, und der Einbau eines Aufzugs aufgrund seiner Vorbildwirkung geeignet ist, diese Entwicklung zu verstärken“ (Zitat aus der Pressemitteilung des Oberverwaltungsgerichts). Je stärker der Verdrängungsdruck in einem Milieuschutzgebiet also bereits ist, umso mehr können auch die Chancen für eine Versagung des Einbaus von Aufzügen steigen. Ob eine Genehmigung erteilt wird oder nicht, bleibt daher eine Frage der Einzelfallprüfung, und anekdotische Berichte bestätigen, dass Aufzüge auch manchmal nicht genehmigt werden.
Hier geht’s zum Videomitschnitt der Veranstaltung „Was tun gegen den Mietenwahnsinn?“.